Es geht nicht ohne Helau …

Auf dem Foto aus dem Gasthaus Zum Hirsch ist der junge Manfred Colloseus (Dritter v. li.) inmitten der Erwachsenen zu sehen. Seine Eltern hatten ihn erstmals zur Fassenacht mitgenommen. Archivfotos: Colloseus

Königstein – Die ersten Nachkriegsjahre, die Zeit von Niedergeschlagenheit und tiefer Depression, waren vorbei. Auch in Königstein feierte man wieder Feste. Frohsinn war angesagt. Fassenacht wurde mit Begeisterung gefeiert. Ob in den Gasthäusern „Zum Hirsch“, im „Grünen Baum“ oder im renommierten „Gasthaus Messer“. Überall trafen sich Menschen an den drei tollen Tagen in froher Runde. Man kostümierte sich sogar. Bald gab es die ersten Maskenbälle. Ob beim BeKoMaBa der „Bembelkosaken“ des Männerchors, dem Maskenball der Sänger von Concordia Königstein oder dem des ADAC, die Räume im Kurhaus oder im neu entstandenen heute nicht mehr existierenden Gewerkschaftshaus waren stets proppenvoll. Die legendäre Frauenfastnacht im alten, später abgerissenen, Vereinshaus der katholischen Kirchengemeinde im Burgweg hatte Kultstatus.

Auch bei der Königsteiner Kolpingfamilie hieß es bald „Es geht nicht ohne Helau, nicht ohne Wein und schöne Frauen“! Die attraktiven Kostümfeste der KoFaKö wurden zum Straßenfeger. Im bis auf den letzten Platz besetzten Parkhotel Bender, in der Narrhalla am Ellasprudel, war die Stimmung bei urwüchsiger, lokaler Fassenacht kaum zu überbieten.

Aus der Fülle der karnevalistischen Glanznummern unter dem Kommando des unvergessenen närrischen Oberhauptes Carl Duchmann sollen hier nur einige in Erinnerung gebracht werden.

Bis heute unübertroffen sind die stimmgewaltigen Glossierungen lokaler Ereignisse durch Erika Reidelbach, Wirtin im „Gasthaus zur Traube“ mit der Figur einer Germania und Königsteiner Original ersten Kalibers. Ein weiteres stadtbekanntes Original, Josef Keutner, irrte als heimatvertriebener Rübezahl durch den seinerzeit verkauften Königsteiner Stadtwald. Schreinermeister Karl Fischer,

allen unvergessen, brachte die Stimmung mit seinen Auftritten als wandernder Stift oder als närrischer Kammersänger regelmäßig zum Kochen. Carl Duchmann verfasste auf die Melodie von „Heile, Heile Gänschen“ das Lied „Königstein du Städtchen, allen wohlbekannt; hast so schöne Mädchen, allen wohlbekannt. Die Kunde dringt bis Bonn am Rhein, alles kommt nach Königstein.“ Tatsächlich drang die Kunde sogar bis Saudi Arabien, was König Ibn Saud dazu bewog, mit seinem Gefolge das „Haus der Länder“, den späteren Sonnenhof, aufzusuchen. Seinerzeit eine Sensation in Königstein. Dass das die Narren zu einer Persiflage veranlasste, verwundert kaum. Die Wogen närrischer Begeisterung bleiben unvergessen, als eine Gruppe der Kolpingfamilie um Hans Franzke und Horst Sossenheimer den Besuch der Araber in schillernden Gewändern und „feinstem“ Arabisch parodierten. Ein gewisser Heinz Eichhorn hatte seinerzeit die Rolle des Übersetzers aus dem Arabischen übernommen. Dass die Nummer bei dieser Besetzung ein Knaller war, braucht man eigentlich nicht zu erwähnen. Bei dem Namen Heinz Eichhorn bimmeln sofort alle Narrenschellen. Karnevalistische Spitzenleistungen, bei denen kein Auge trocken blieb, waren schon damals seine Gesangsnummern im „Café Dorn“ oder im Kurhaus. Der Gassenhauer und Ohrwurm der belgischen Sängerin Angèle Durand „Ja, ich bin die tolle Frau aus der Tingel, Tangel-Schau“ wurden von Heinz Eichhorn in Frauenkleidung perfekt in die Bütt gebracht. Der Königsteiner Vollblutfassenachter Nr. 1 „Molli“ Eichhorn war geboren. Mit seinem feinen Gefühl für den karnevalistischen Zeitgeist ist er seit einigen Jahren zu den Wurzeln der ursprünglichen Kneipenfastnacht zurückgekehrt. Freuen wir uns auch in diesem Jahr wieder auf den Fastnachtsdienstag und „Locker vom Hocker“ in der Villa Borgnis.
Manfred Colloseus

Heinz Eichhorn als „tolle Frau aus der Tingel, Tangel Schau“ (zirka 1962).

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