Glück – ein philosophischer Streifzug und Versuch einer Definition

Dr. Philipp Wiesehöfer im Kreise seiner interessierten Zuhörer in der Stadtbibliothek während der beliebten Philosophischen Runde zum Thema „Was ist Glück?“

Foto: Krüger

Königstein (sk) – „Was ist eigentlich Glück“, fragte Dr. Philipp Wiesehöfer seine fast 50 glücksuchenden Zuhörer in der Stadtbibliothek Königstein, die bereits zum sechsten Mal die beliebte „Philosophische Runde“ veranstaltete.

Ein Gast vertrat die Meinung, dass Glück vom Zufall abhänge. Denn man sei glücklich, wenn einem der Zufall ein positives, aber unverhofftes Ereignis beschere. Ein anderer ergänzte: „Glück ist eine emotionale Empfindung, die willentlich kaum zu beeinflussen ist“. Man könne aber auch „wunschlos glücklich sein“, beschrieb ein weiterer Zuhörer den eigenen Seelenfrieden als Quelle des Glücks. Betrachte man das eigene Leben als erfüllt und sinnvoll unabhängig von der aktuell durchlebten Situation, dann habe auch diese Lebenszufriedenheit etwas mit Glück zu tun, fügte ein weiterer Gast hinzu. Mehrheitlich übereinstimmend war die Auffassung, dass das Glück abhängig sei von äußeren Bedingungen. Diese vielfältige Antwortpalette zeige deutlich, dass für jeden Einzelnen das Wesen des Glücks etwas anderes bedeute, fasste Dr. Wiesehöfer die interessante Sammlung der Glücksdefinitionen zusammen und machte damit deutlich, wie schwer eine allgemeingültige Definition des Begriffs Glück ist.

Glück in der Antike – Aristoteles, die Stoa, Epikur

„Das Glück definitorisch zu erfassen, ist in der Antike hängen geblieben“, erklärte der Dozent. Die spezifisch philosophische Fragestellung nach einer Begriffsbestimmung konzentriere sich nicht nur auf das augenblickliche Glücklichsein des Menschen, sondern auf das eigentliche Wesen des Glücks. Um das verstehen zu können, müsse man die Aussagen der großen Philosophen der Antike betrachten.

Aristoteles beispielsweise verbindet Glück mit einem sinnvollen und gelungenen Leben, soweit es aus Aktivitäten und Tätigkeiten besteht, die das wahre Menschsein ausmachen und die den Menschen vor allen anderen Lebewesen auszeichnen. Dabei wird das Handeln des Menschen von Tugenden bestimmt. Tugendhafte Handlungen empfindet der Mensch als glückhaft. Dr. Wiesehöfer erläuterte, das Spezifische des Menschen sei seine Fähigkeit, seinen Verstand und seine Vernunft zu gebrauchen (animal rationale). Aristoteles‘ Versuch einer Glücks-Definition ziele folglich auf das Innere des Menschen, nicht auf das rein oberflächliche Streben nach Glück, Lust, Genuss oder Ehre. Mit der Tugendhaftigkeit meine Aristoteles eine innere Einstellung, die den Menschen befähige, das Richtige zu tun. Sie stehe allerdings in einer gefährdeten Mittelstellung zwischen zwei Extremen. Das Gute und Richtige liege nach Aristoteles in der goldenen Mitte zwischen zwei Extremen, beispielsweise zwischen einem Mangel und einem Übermaß. Wer also gut und richtig handelt auf der Basis von Vernunft, Verstand, innerer Erkenntnis und Maßhaltung, erreiche einen Zustand von Glück, der vergleichbar sei mit einem Gefühl der inneren Harmonie mit sich selbst, fasste Dr. Wiesehöfer die Kernaussage von Aristoteles zusammen.

„Grundlage der stoischen Ethik ist die Vernunft“, informierte der Dozent. Gemäß dem Leitsatz „Secundum naturam vivere“ ist es das Ziel der Stoiker, in Übereinstimmung mit der Vernunft getreu den Naturgesetzen zu leben. Die Vernunft lasse den Menschen erkennen, dass Äußerlichkeiten wie Reichtum oder Ansehen nur vermeintliches Glück seien. Senecas Kernaussage vom Streben aller Menschen nach Glück („Leben wollen alle im Glück“) ziele auf die Gestaltung der inneren Ausgeglichenheit ab unabhängig von äußeren Erscheinungen, so Dr. Wiesehöfer.

Für Epikur hingegen ist die Lust wesentliches Glücksprinzip. Glücklich fühlt man sich, wenn man ein unerfülltes Bedürfnis zufriedengestellt hat. Hauptziel der epikureischen Glücksphilosophie ist neben dem Freisein von Unlust die Erlangung eines Seelenzustands, der durch nichts gestört und beeinträchtig wird, da alle elementaren und natürlichen Bedürfnisse befriedigt sind und kein Unlustgefühl mehr quält.

Dr. Wiesehöfer fasste für seine Zuhörer zusammen, dass die großen Philosophen der Antike das Glück als emotionalen Nachhall einer sinnvollen Existenz verstanden, wenngleich sie sich auch unterschiedlicher Ansätze bedienten.

Das Glück im Heute

Im Unterschied zur Antike gehe man heute mit dem Glück viel pragmatischer um. Dr. Wiesehöfer sprach von der „Operationalisierung des Glücks“. Heute verorte man die Glücksforschung in der Psychologie, die eine systematische Hilfe zum Glück von außen anbiete, indem sie empirisch messbare Daten erhebt, um Glück äußerlich objektivierbar und damit erreichbar zu machen, so der Dozent. Die Psychologie habe Therapieansätze entwickelt anhand von gesammelten Faktoren, die den Menschen glücklich bzw. unglücklich machen. Reduziere man die Defizite, bieten sich für den Psychologen interessante Interventionsmöglichkeiten.

Fazit

Dr. Wiesehöfer schlussfolgerte, dass die Philosophie dem Glücksuchenden einen Weg aufzeigen könne, sich dem Glück zu nähern. Denn sie verstehe das Glück als Zustand der inneren Erkenntnis, um ein Leben in innerer Harmonie zu leben ohne nach Äußerlichkeiten zu streben, wobei der Glücksuchende sich dauerhaft um diese Harmonie bemühen müsse. Das Finden der inneren Mitte, der inneren Stabilität und Selbstgenügsamkeit sowie Ausgeglichenheit und Zufriedenheit markiere einen glücksnahen Zustand, der aber anpassungsfähig sei, da er altersabhängig, vernunftorientiert und damit individuell immer neu zu definieren sei. „Jeder Einzelne muss also für sich selbst herausfinden, was Glück für ihn selber bedeutet“, schloss der Dozent seinen informativen Glücks-Vortrag und entließ seine Zuhörer in der Gewissheit, dass es keine für jedermann gültige Glücksdefinition gebe und letztlich jeder für sich selbst seinen Weg zum Glück finden muss.



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