Herr Knigge hätte seine Freude an diesem Picknick gehabt

Edle Tischkultur mitten im Königsteiner Kurpark. Fotos: Schemuth

Königstein (el) – Ein Picknick im Park? Nichts dagegen einzuwenden. Erst recht nicht, wenn es sehr gediegen vonstatten geht. Eine schöne Tafel, an der ein gewisser Knigge sicherlich seine wahre Freude gehabt hätte, kam am vergangenen Sonntagvormittag im Königsteiner Kurpark, in unmittelbarer Nähe des Kurhauses, zustande. Hier tagten bzw vielmehr picknickten circa 30 Personen an insgesamt drei liebevoll und mit viel Gespür für Dekoration und Stil eingedeckten Tischen. Auf Initiative findet an dieser Stelle auf der grünen Wiese und in angenehmer Nähe von schattenspendenden Bäumen jedes Jahr – und auch diesmal wieder – auf Initiative von Sonja Stange und Rainer Möller das sogenannte „Picknick en blanc” statt. Ein Begriff, der mittlerweile von Paris bis London und über den großen Teich hinweg für stilvolles Tafeln im Grünen und das ganz in Weiß gekleidet, steht. Für das Ehepaar Annette und Rainer Möller ist das Picknick in der Farbe Weiß mittlerweile schon zu einer Art Credo geworden, das sie immer und überall begleitet. So verrieten sie, dass sie sich sogar in ihrem Zuhause eine weiße Ecke eingerichtet hätten mit Requisiten wie etwa Decken in der besagten Farbe, sodass sie jederzeit zu einem solchen Picknick aufbrechen könnten. Ihre erste weiße Leinenhose habe sie auf einem Markt zum günstigen Preis erstanden, kann sich Annette Möller entsinnen. Und auch den anderen Gästen an dem ganz edel in weißer Tischdecke verhüllten Tisch, der ehemals eine bloße, zweckmäßige Garnitur gewesen ist, geht es ähnlich. Man hat den Eindruck, dass sie nicht nur die Speisen genießen – jeder hat etwas zubereitet und mitgebracht – sondern auch den stilvollen Rahmen und da gehört ein gewisser Dresscode nunmal dazu. Während die einen geschwungene, gesichtsverhüllende Hüte zum ärmellosen Spitzenkleid tragen, haben sich wiederum andere für die Poloshirt-Variante ganz in Weiß entschieden. Auf dem Tisch stehen sämtliche Leckereien, darunter ein Auflauf aus dreierlei Karotten, Hähnchen-Bouletten und zum süßen Abschluss ein Schokoladenkuchen, der ganz sicher eine Kalorienbombe ist. Aber Kalorien zu zählen, ist sowieso verpönt. Denn am Nachbartisch wird man sogar noch überboten mit Panacotta Blumenkohl Auflauf und einem sich anschließenden Nachtischbüfett, das sogar auf einem separaten Tisch aufgebaut werden musste, weil der Platz nicht gereicht hat.

Wiederum die nächste Tischgruppe prostet sich mit Sektgläsern zu, während einer von ihnen eine Schallplatte auf ein Original-Grammophon legt. Das Einzige, was so gar nicht zur stilvollen Atmosphäre passen will, ist eine Schallplatte, auf der zu lesen steht: „Auf der Reeperbahn, nachts um halb eins”.

Da muss es sich eindeutig um eine Verwechslung oder aber um einen Fehlgriff handeln, was jedoch keinem weiter auffällt und die Tischgemeinschaft nicht im Geringsten stört. „Man macht das nur für sich und die Tische konnten reserviert werden”, erläutert Rainer Möller die Hintergründe und fügt hinzu, dass die Leute sich heutzutage sehr kurzfristig für ein solches Event entscheiden, sodass es nicht immer leicht ist zu planen. In diesem Fall musste aber jeder die Vorbereitungen selbst treffen, außer das, wie gesagt, die Tische und Sitzgelegenheiten gestellt wurden. Das Aufräumen hinterher ist übrigens Ehrensache. Und natürlich ist das Ganze auch mit einem gewissen Anspruch verbunden, der lautet: Kein Plastik, kein „Tupper“ – edel und elegant muss es sein.

Zur Deko dieses Tisches gehörten sogar kleine Schokohasen, die der Hitze tapfer die Stirn boten.

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