Hochtaunuskreis sucht neue Pflegefamilien

Hochtaunus (kw) – Das Jugendamt des Hochtaunuskreises sucht neue Pflegefamilien für Kinder, die nicht in ihren Herkunftsfamilien leben können. Nach vorliegenden Erkenntnissen steigt die Zahl der Kinder, die in Pflegefamilien untergebracht werden sollten. Auf der anderen Seite können oder wollen sich immer weniger Familien bereit erklären, ein Pflegekind aufzunehmen. Der Hochtaunuskreis wirbt deshalb unter anderem seit einigen Monaten mit einer groß angelegten Postkartenaktion für die Aufgabe einer Pflegemama oder eines Pflegepapas.

„Die Arbeit der Pflegeeltern ist wichtig und ein wertvoller Dienst an unserer Gesellschaft“, sagt Kreisbeigeordnete und Sozialdezernentin Katrin Hechler. „Pflegeeltern geben Kindern, die oftmals aus instabilen Verhältnissen kommen, Geborgenheit, neuen Halt und eine langfristige Perspektive in einer Familie.“ Der Hochtaunuskreis unterstützt Pflegeeltern mit einer Qualifizierung und einer intensiven Begleitung, erklärt Hechler, „sie stehen mit ihrer Aufgabe nicht allein da“.

Die Gründe für die kleiner werdende Bereitschaft, ein Pflegekind aufzunehmen, spiegle sich im Wandel unserer Gesellschaft, ergänzt Heinz Rahn, Leiter des Jugendamtes des Hochtaunuskreises. „In Ballungsgebieten wie dem Rhein-Main-Gebiet können es sich viele Eltern finanziell nicht erlauben, dass einer von ihnen längere Zeit zu Hause bleibt.“ Und die jungen qualifizierten Mütter, so Rahn, kehrten nach nur kurzen Babypausen in den Beruf zurück. Für ein zusätzliches Pflegekind fehle auch hier die Zeit.

Drei Formen

Im Hochtaunuskreis leben etwa 100 Pflegekinder unterschiedlichen Alters in etwa 85 Pflegefamilien. Zusätzlich gibt es sechs Bereitschaftspflegefamilien. Grundsätzlich gibt es drei Formen von Pflegefamilien: Bereitschaftspflegefamilien, Kurzzeitpflegefamilien und Dauerpflegefamilien. Bereitschaftspflegefamilien nehmen Kinder aus akuten Notsituationen kurzfristig auf. In solchen Notsituationen werden Kinder vom Jugendamt in Obhut genommen, wenn ihr Wohl in der Familie gefährdet ist, ihre Versorgung nicht sichergestellt werden kann und andere Hilfe für die Familien nicht ausreicht. 2017 wurden 40 Kinder bei Bereitschaftspflegeeltern untergebracht.

Die Gründe für eine solche Entscheidung des Jugendamtes sind unterschiedlicher Natur, dazu gehören Gewalt in der Familie, Gewalt gegen das Kind oder auch akute Suchterkrankungen oder psychische Erkrankungen der Eltern. Verwahrlosung oder Vernachlässigung des Kindes kann ebenfalls ein Grund sein, warum ein Kind aus der Familie genommen werden muss. Fast immer ist auch eine stark eingeschränkte Erziehungsfähigkeit der Eltern ausschlaggebend.

Bereitschaftspflegefamilien müssen rund um die Uhr erreichbar sein und Kinder jederzeit aufnehmen können. Bereitschaftspflegeeltern sind immer erfahrene Eltern, oft haben sie bereits größere oder erwachsene Kinder. Der Aufenthalt in der Bereitschaftspflegefamilie sollte möglichst kurz sein und nur so lange dauern, bis die weitere Perspektive für das Kind geklärt ist. Er kann allerdings von einer Nacht bis zu mehreren Monaten variieren.

Kurzzeitpflegefamilien nehmen Kinder für einen von Anfang an begrenzten Zeitraum auf, meistens bei Krankheit der Eltern oder einem geplanten Klinikaufenthalt, manchmal ist das auch ein Suchtmittelentzug. Kinder können auch in Kurzzeitpflege betreut werden, wenn die Eltern Auflagen des Jugendamtes oder des Familiengerichts erfüllen müssen. Es könnte zum Beispiel sein, dass Eltern ihre Wohnung entmüllen und gründlich aufräumen oder für ihr Leben eine Struktur erarbeiten müssen, in dem auch ein Kind einen ihm gemäßen Platz hat.

Und dann gibt es Dauerpflegestellen, dies ist die Mehrheit der Pflegeverhältnisse. Das Kind lebt meist bis zur Volljährigkeit oder darüber hinaus in einer Pflegefamilie und geht feste und tragfähige Beziehungen ein. Kinder werden so untergebracht, wenn die Eltern auf lange Sicht nicht in der Lage sind, ihr Kind angemessen zu versorgen und zu betreuen. Häufig ist in solchen Fällen die Erziehungsfähigkeit der Eltern eingeschränkt, die Eltern sind überfordert.

Oftmals spielen hier psychische oder andere Erkrankungen eine Rolle, eine Suchtproblematik kann mit im Spiel sein. Auch Gewalt in der Familie kann eine dauerhafte Unterbringung des Kindes in einer Pflegefamilie bedingen, manchmal haben die Eltern massive Beziehungsprobleme oder eine angebotene Hilfe in deren häuslichen Umfeld wird von den Eltern nicht angenommen.

Umgang mit leiblichen Eltern

Grundsätzlich ist es eine sorgfältig abgewogene, nie leichte Entscheidung, ein Kind aus der Obhut der leiblichen Eltern zu nehmen. Im Jahr 2017 musste das Jugendamt des Hochtaunuskreises in 101 Fällen Kinder und Jugendliche in Obhut nehmen.

Wenn ein Kind in einer Pflegefamilie lebt, finden fast immer weiter regelmäßige Umgangskontakte mit den leiblichen Eltern statt. Manchmal wird das Sorgerecht oder Teile des Sorgerechts den Eltern durch das Familiengericht entzogen. In der Regel wird das Sorgerecht dann auf einen Vormund übertragen. Fast alle Eltern sind an der sogenannten Hilfeplanung für ihr Kind beteiligt. In diesen etwa halbjährlich stattfindenden Gesprächen setzen sich leibliche und Pflegeeltern zusammen mit dem Jugendamt an einen Tisch, sprechen über alle wichtigen, das Kind betreffende Themen und legen Ziele fest. Das Kind ist dabei entsprechend seiner Entwicklung zu beteiligen.

Qualifizierung Pflegeeltern

Paare, die sich für die Aufgabe eines Pflegeelternpaares interessieren, werden vom Pflegekinderdienst des Jugendamtes qualifiziert. Die potenziellen Pflegeeltern unterziehen sich einer Eignungsüberprüfung in mehreren Einzelgesprächen und sie werden mehrfach zu Hause besucht. Alle Bewerber nehmen an einem Pflegeelternseminar teil (zwei ganze Samstage, vier Abende). Der Kurs wird von den Mitarbeiterinnen des Pflegekinderdienstes und einer externen Psychologin geleitet. Die Themen, mit denen sich die zukünftigen Pflegeeltern beschäftigen, sind unter anderem die Auseinandersetzung mit der eigenen Biografie, das Bindungsverhalten von Kindern, die Situationen der Herkunftsfamilien und der Umgang mit Verhaltensproblemen der Kinder. Dazu kommen rechtliche, strukturelle und finanzielle Aspekte der Pflegeelternschaft.

Es gibt kinderlose Bewerberpaare, aber auch solche mit einem oder mehreren leiblichen Kindern – oder bereits anderen Pflegekindern. Viele Paare sind aus dem Verwandten – oder Bekanntenkreis mit dem Thema Pflegekind vertraut. Um Pflegeeltern zu werden, muss man nicht verheiratet sein, auch gleichgeschlechtliche Paare können Pflegeeltern werden.

Nach dem Seminar für Pflegeeltern gibt es ein Auswertungsgespräch und die Anerkennung als Pflegeelternbewerber – wenn die Paare geeignet sind. Grundsätzlich gilt, dass Eltern für ein Kind gesucht werden und nicht umgekehrt. Trotzdem wird natürlich ausführlich Nach dem Seminar für Pflegeeltern gibt es ein Auswertungsgespräch und die Anerkennung als Pflegeelternbewerber – wenn die Paare geeignet sind. Grundsätzlich gilt, dass Eltern für ein Kind gesucht werden und nicht umgekehrt. Trotzdem wird natürlich ausführlich über die Vorstellungen des potenziellen Elternpaares von einem Pflegekind und die damit verbundenen Herausforderungen gesprochen.

Pflegeeltern sollten Raum für ein Kind haben, also in der Regel ein Zimmer zur Verfügung stellen können. Sie müssen finanziell abgesichert sein und die Fähigkeit haben, sich und ihr Handeln in der Erziehung zu reflektieren. Sie sollten ausreichend Zeit für das Kind mitbringen. Meist bedeutet das, dass ein Elternteil für eine gewisse Zeit zu Hause bleibt. Eltern können sich diese Aufgabe auch teilen. Sie haben Anspruch auf Elternzeit und bekommen ein Pflegegeld für den Unterhalt des Kindes plus eine Aufwandsentschädigung.

Das Kind und seine Pflegeeltern werden engmaschig vom Pflegekinderdienst des Hochtaunuskreises begleitet, vor allem während der ersten Zeit des Kindes in der neuen Familie. Auch danach bekommen die Familien kontinuierliche Beratung, die werden regelmäßig zu Hause besucht. Zwei- bis dreimal im Jahr werden zusätzlich thematische Elternabende oder Tagesseminare angeboten.

Von links: Dipl. Sozialpädagogin Bettina Velte-Pieren, Pflegekinder- und Adoptionsdienst des Hochtaunuskreises, Dipl. Sozialpädagogin Simone Irrgang, Teamleiterin Pflegekinder- und Adoptionsdienst des Hochtaunuskreises, Sozialdezernentin Katrin Hechler, Heinz Rahn, Leiter des Jugendamtes des Hochtaunuskreises, Rainer Schmidt, langjähriger Pflegevater im Hochtaunuskreis
Foto: privat



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