Konzernchefs leben neue Werte vor, denn Verantwortung für Mensch und Umwelt zahlt sich aus

„Heimat ist dort, wo sie einen immer wieder hereinlassen, wenn man wiederkommt“: Dr. Christine Hohmann-Dennhardt wohnt seit 37 Jahren in Eppenhain, ihre Kinder kennen die Königsteiner Schulen auch von innen. Professor Dr. Diether Döring ist ebenfalls ein Weggefährte aus alten Zeiten an der Frankfurter Universität. Foto: Friedel

Königstein (hhf) – Flankiert von einem reichhaltigen Büchertisch der Buchhandlung Millennium und den wieder einmal zu Überstunden angetretenen Mitarbeitern der Volksbank leitete Moderator Professor Dr. Diether Döring den Anfang eines großen Endes im Königsteiner Forum ein. Drei Jahre, so erinnerte er, hatte man sich mit den Veränderungsprozessen des aktuellen Weltgeschehens befasst, zuletzt „Auf der Suche nach der richtigen Ordnung“ und damit den richtigen Entscheidungen für die Zukunft.

Wenn es um Entscheidungen geht, sind natürlich die „Großen“ aus Politik und Wirtschaft im Fokus und so hatte man mit Dr. Christine Hohmann-Dennhardt eine Referentin geladen, die sich in beiden Bereichen ihre Sporen verdient hat. Zum eigens auf Donnerstag verlegten Termin war sie „mit heißem Reifen aus Stuttgart gekommen“, wo sie seit Februar 2011 im Vorstand der Daimler AG für das Ressort „Integrität und Recht“ verantwortlich zeichnet, zu dem unter anderem das „Integrity Management“ gehört. Vor diesem Wechsel hat Christine Hohmann-Dennhardt zunächst in Tübingen Jura studiert und Sozialrecht in Hamburg gelehrt, bis sie sich 1979 in Frankfurt ihren Dr. erarbeitete. Verschiedene Stationen als Richterin, Dozentin und Dezernentin führten sie in die Nähe der Politik, woraus eine zweimalige Ernennung zur Ministerin in Hessen (1991 und 1995) sowie schließlich der Ruf an das Bundesverfassungsgericht (1999) resultierten.

Lange bevor Christine Hohmann-Dennhardt mit ihrem Vortrag „Verantwortliches Handeln als Schlüssel erfolgreichen Unternehmertums“ erste Erfolge aus dem Hause Daimler darstellen konnte, hat sich, ihrer Meinung nach als einer der Ersten, der Philosoph Hans Jonas mit dem Thema beschäftigt. In seinem Buch „Prinzip Verantwortung“ hinterfragte er vor dem Eindruck der prosperierenden Atomwirtschaft die Folgen stetigen Wachstums ohne Rücksicht auf die folgenden Generationen. Es entstand daraufhin ein „ökologischer Imperativ“, nicht gegen die Existenz des Menschen auf der Erde zu handeln, der zunächst in der Politik, bald aber auch in der Wirtschaft angenommen wurde.

Das Beispiel Daimler zu beobachten, ist dabei besonders interessant, denn als Fahrzeughersteller kollidieren viele Interessen vordergründig mit ökologischen Idealen und gerade bei Fahrzeugen der Oberklasse hat die Kundschaft mehr Prioritäten als Benzin sparen um jeden Preis. Auf der anderen Seite lässt sich gerade in dieser Produktpalette viel verbessern: „1970 hatte ein Auto so viel Emissionen wie heute 100, dennoch zielt die Forschung weiter auf ein emissionsfreies Fahren ab.“ Dabei nutzt dies, so die erstaunliche Erkenntnis der Öko-Reformer, letztendlich auch den eigenen Interessen, schließlich werden irgendwann die Ölvorräte „trotz Frackings in den USA“ zur Neige gehen oder einfach zu teuer, wenn die Erschließung neuer Energiequellen voranschreitet. Ein Engagement in Richtung Elektromobilität oder Emissionsbegrenzung ist aber auch heute schon ein Verkaufsargument, denn wer möchte sein Fahrzeug schon freiwillig vor der emissionsbegrenzten Großstadt stehen lassen oder an Smog-Tagen dort generell zu Fuß laufen?

Wenn selbst schon China für Neuwagen ab 2020 Emissionsgrenzen erwägt, erschließen sich sogar neue Geschäftsfelder wie der Aufbau eines Tankstellennetzes für Autogas und Strom oder die smartphone-unterstützte Kombination verschiedener Fortbewegungsarten. „Die bisherigen Erfolge zeigen, wir sind auf dem richtigen Weg“ freut sich Daimler und investiert weiter in Forschung und Entwicklung. Dort ärgert man sich aber auch über die Kundschaft, die an den neuen Angeboten noch nicht recht interessiert ist: „Obwohl wir Besseres können“, hält sich der Etat bei geringen Verkaufszahlen in Grenzen. Da muss etwas geschehen, wie auch in der Politik noch nicht alles in Butter liegt: Was nutzt es, wenn die Firma ein neues, umweltfreundlicheres Kühlmittel entwickelt, sich die EU aber wegen der Brandgefahr nicht über die Zulassung einigen kann?

Freilich erschöpft sich ethisches Handeln in der Wirtschaft nicht nur im sorgsamen Umgang mit der Natur, auch der Mensch ist wichtig, nicht nur als Kunde, sondern auch als Mitarbeiter. Nachdem sich zumindest im „Westen“ des Globus die Wirtschaft von den sozialen Einschränkungen auf Grundlage staatlicher Vorgaben befreit hat und der Menschheit nur noch diente, sofern sie Aktien besaß, macht sich langsam die Erkenntnis breit, dass Rendite nicht das einzige Unternehmensziel sein kann, denn all zu kurzsichtiges Profitstreben sägt gerne am eigenen Ast. Bevor der Unternehmer also das eigene Grab schaufelt, garantiert ein gewisses Maß an sozialer Verantwortung auch die eigene Weiterexistenz und avanciert zunehmend zum eigenständigen Unternehmensziel.

Das erschöpft sich nicht allein in der Tatsache, dass sich weltweit eben doch ab und zu Staaten oder Rechtssysteme noch gegen das grenzenlose Treiben der Konzerne wehren und horrende Strafen für Korruption oder „Devisentricks“ einfordern, notfalls mit der Androhung eines Verkaufsverbotes für den Sünder. Vergrault solches Verhalten also selbst den alten profitorientierten Investor, so wächst eine neue Generation von Kunden und auch Anlegern heran, die auf „Sauberkeit“ achtet, auch aus eigenem Interesse: „Der gute Ruf eines Unternehmens ist heute wieder wichtig geworden.“ Ausbeutung von Menschen in der Dritten Welt ebenso verpönt wie risikoreiches Finanzgebaren (leider noch nicht genug, Anm. d. Red.). Gerade in der vernetzten Welt ist es leicht, einen langwierig aufgebauten guten Ruf mit einem Schlag zu ruinieren, was der Verbraucher neben Protesten auch mit deutlichen Umsatzrückgängen quittiert – und dieser Trend nimmt zu. Warren Buffet schätzte bezüglich eines Markenimages einmal, dass der Aufbau 20 Jahre dauere, der Ruin aber nur fünf Minuten – im Zeitalter des Internets verkürzt sich Letzteres aber beinahe auf Sekunden.

Ethisches Handeln wirkt sich also durchaus positiv auf wirtschaftliche Ergebnisse aus, daher hat Daimler sich entschlossen, den „schmerzlichen Weg“ zum Unternehmenswandel zu gehen, und zwar in Eigenregie, da viele Beraterfirmen das Thema zu abstrakt angingen. Erste Erkenntnisse liegen mittlerweile aus der Praxis vor: wahre Werte können nicht einfach von oben verordnet werden, sondern sie müssen auch vom Vorstand vorgelebt werden. Nur so kann sich eine „Compliance“, die Regeltreue und Integrität in Unternehmen und Mitarbeitern festsetzen, dabei gehört auch ein Mitspracherecht der kleinen Arbeiter dazu, welche Werte ihnen wichtig scheinen. Im günstigsten Fall werden die gemeinsamen Werte dann akzeptiert, weil sie einfach richtig sind.

Da zu diesem Verfahren auch eine Reduktion der ohnehin schlecht möglichen Kontrollen gehört, bleibt natürlich ein anderer menschlicher Faktor nicht aus – schwarze Schafe haben zunächst leichteres Spiel. Die Zukunft aber wird ihnen das Wasser abgraben, wenn die Vision von Dr. Christine Hohmann-Dennhardt eintrifft: Wirtschaft und Ethik passen zusammen, aber wir müssen auch dafür sorgen, dass sie sich zusammenfügen und zusammen bleiben.



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