Die Lebewesen im Bach verraten die Wasserqualität

Königstein (hhf) – Grau ist alle Theorie, daher hatte Biologin Dr. Bärbel von Römer-Seel schon im Frühjahr versprochen, ihrem wenn auch gut bebilderten Vortrag später Exkursionen folgen zu lassen. Nicht zuletzt auch in ihrer Eigenschaft als Stadtverordnete wirft die Fachfrau nämlich einen intensiven Blick auf die „Fließgewässer“ in und um die Kurstadt, denen bekanntlich Renaturierungsmaßnahmen nach EU-Richtlinie bevorstehen.

Grau war allerdings auch der Himmel, als rund 15 Interessierte sich am Parkplatz des Woogtalbades trafen, um sich in dieser wasserreichen Gegend umzusehen. Hier vereinigen sich nicht nur Woogbach und Billbach bzw. Rombach zum Liederbach, sondern es gibt in der Talsohle auch einige Quellen und Feuchtgebiete. Letztlich bieten Parkplatz und Grillstelle eine hervorragende Ergänzung zum arbeiten und anreisen, wenn auch die Wartezeit mit eifrigem Müllsammeln überbrückt wurde: „Es sieht auch an anderen Wanderparkplätzen schlimm aus“, ärgerten sich die Exkursionsleiter, die immer eine Plastiktüte für spontane Müllsammlungen in der Tasche haben.

„Wir gehen erst einmal gemeinsam zum Liederbach hinter der Brücke und zu einigen anderen Bächen im Tal, dann teilen wir uns im Woogtal in Arbeitsgruppen auf“, so der Tagesplan. Der Liederbach, übrigens der erste Taunusbach, der statt in die Nidda bei Höchst direkt in den Main mündet, ist ein typischer Oberlauf, in dem das Wasser schnell fließt, aber noch nicht die Kraft hat, alle Steine zu Sand zu zermahlen. Das ist auch wichtig für die Bewohner dieser Region, denn sie brauchen Deckung gegen die Strömung, sofern sie sich nicht mit gesponnenen Fäden oder Saugfüßen ausgestattet sind.

Wer abtreibt, gelangt schnell in ein Umfeld, in dem er nicht mehr überleben kann, daher fliegen die Köcherfliegen nach dem Schlupf wieder bachaufwärts, um ihre Larven an günstigen Stellen zu platzieren und Muscheln reisen im Jugendstadium in den Kiemen von Forellen bergauf. Ja, Forellen gibt es im Liederbach, und zwar seit der Stillegung des Fischhandels Reinhardt im Billtal sicher auf natürlichem Wege hier angereist – zumindest im Herbst und Frühjahr. Im Sommer ist bei längerer Trockenheit zu wenig Wasser für die größeren Fische vorhanden und im Winter wandern sie auch bachabwärts zu Stellen, die nicht zufrieren. Die Forellenbrut aber braucht die Nahrungszusammensetzung im Oberlauf.

Klares Wasser, durch reichlich Plätschern mit Sauerstoff angereichert und viele weiße Steine im Taunus, Silikate, aus denen man auch Glas gewinnen kann, bieten Schutz und lassen auch Algenrasen wachsen, die manche Tiere abweiden. Räuber leben natürlich von ihren Nachbarn, Hauptnahrung sind allerdings Erlenblätter, die ohne harte Wachsschicht gut zu zerkauen sind, denn die Zähne der Tiere im Bach sind so klein wie sie selbst. So klein sind sie, dass sie zum Teil auch im Lückensystem des Grundwassers leben, das neben und unter dem Bachbett fließt – ein Kanal zerstört also schon wichtige Strukturen. „Gerade so“ geht es noch an der Brücke neben dem Eingang zum Woogtalbad, die Kanalisierung ist nur einige Meter lang und kann von den Tieren „überbrückt“ werden. Dafür finden sie hier wenig Nahrung: Wegen des Schwimmbades ist der Bachlauf von der Talsohle an den Waldrand verlegt worden, wo statt Erlen Hainbuchen stehen.

Im Gegensatz zum Woogtal, wo die Arbeitsgruppen später unisono das Fehlen von Tierarten feststellten, die für eine gute Wasserqualität sprechen, ließen sich hier aber allerlei Bewohner aus dem Bach fischen und beobachten: „Bachkrebse sind so etwas wie Shrimps“ half von Römer-Seel, die Funde einzuordnen und: „Planarien sind platt, wie gebügelt“. Später bekamen die Teilnehmer kleine Heftchen mit Bestimmungshilfen, wer eine „Mützenschnecke“ findet, erkennt sie dank des Namens aber auch gleich an ihrer Form.

Eine völlig andere Unterwasser-Welt präsentiert sich auf der anderen Seite des Schwimmbades, da, wo das Wäldchen am Bahnübergang steht: Kurz nach der Quelle hat das Wasser des namenlosen kleinen Rinnsals noch keinen Sauerstoff aufgenommen, es plätschert kaum über Steine sondern über Sand und Lehm, den es aus der Quelle und er umliegenden Wiese schwemmt.

Aber auch unter diesen Bedingungen leben schon Pflanzen und Tiere darin, die meiste Nahrung kommt auch hier von außerhalb: Zerkleinerer, Filtrierer, Weidegänger, Räuber – die Evolution hat dafür gesorgt, dass jedes Tier irgendwo im Bachlauf seinen Platz findet, sofern der Mensch nicht mit Bagger und Beton eingreift.

Diese Pfütze beim Freibad heißt „quellnaher Bachlauf“ und es wird auch nicht hineingesprungen, sondern etwas herausgeholt: Mit Dr. Bärbel von Römer-Seel schauten interessierte Königsteiner aller Altersgruppen nach, was in den Bächen der Umgebung lebt.

Foto: Friedel



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