„Locker vom Hocker“: Elvis servierte gemischte Meenzer Fischplatte mit Polka im Kurhaus

Königstein (hhf) – Es ist schon längst ein etablierter Termin im Groß-Königsteiner Faschingstreiben: Den Abschluss der Saison feiern Heinz Eichhorn und seine „Locker-vom-Hocker-AG“ am Dienstagabend in der Villa Borgnis mit einem auf die etwas andere Narrhalla zugeschnittenen abendfüllenden Programm.

„Das Wohnzimmer ist wieder voll“ freuten sich Klaus Rätz und Lothar Vogt, die als Moderatorenduo gekonnt durch den Abend führten, und wiesen ihre Gäste ein: „Wenn Sie schunkeln wollen, müssen sie einfach nur den Nachbarn am Arm greifen.“ Das wäre freilich nicht notwendig gewesen, denn das Publikum präsentierte sich bestens gelaunt und hatte seinen eigenen Anteil an der Bombenstimmung, die den Abend prägte.

Tatsächlich war der Saal bald so voll, dass Starkellner Alain dazu überging, die Bühne als Dienstweg zum Servieren zu benutzen, was er auch während des laufenden Programms weiterhin tat – eine Verzweiflungstat, die zu einem eigenen „running Gag“ wurde und manchem Akteur zustimmendes Nicken abnötigte. Gewiss hätte er dafür auch einen der obligatorischen Orden verdient, die von der Konditorei Kreiner in liebevoller Handarbeit angefertigt worden waren, auf jeden Fall dokumentierte er damit den familiären Charakter der Veranstaltung in einer Art, die jede weitere Erklärung überflüssig macht.

Pünktlich um 19.31 Uhr blies die „Haus- und Hofkapelle, die Königsteiner Sinfoniker unter Musikdirektor Heinz Eichhorn“ den ersten Tusch aus der Hammondorgel, und das „Korz-Lang-Fett-Quartett“ verteilte sich mit Kontrabass, Ziehharmonika und Rhythmuskiste auf der nur wenige Quadratmeter großen Bühne. Der Gitarrist war ohne Instrument gekommen, weshalb er seine Leibesfülle hinter dem Mikrofon nicht verdecken konnte: „Bei uns ist die Waschmaschine kaputt, da hab‘ ich die Trommel mitgebracht.“ Ob es daran lag, dass die Band von „Nix amore“ sang, konnte bis Redaktionsschluss nicht geklärt werden, deutlicher zeichnete sich schon der Internet-Gigant ab, der zu „Fernando“ von ABBA besungen wurde – das Publikum jedenfalls schrie vor Lust.

Zu traditionellen russischen Melodien widmete man sich schließlich der 5. Jahreszeit und stellte ergänzend fest: „Handkäs‘ mit Musik stinkt vorwärts und zurück...“

„Allzeit volle Gläser und gute Leberwerte“ wünschte das Moderationsduo dazu und begrüßte unter anderem Königsteins Ersten Bürger und Königsteins Ersten Bäcker unter den Zuschauern, die im Anschluss komplett Olga Orange alias Thomas Rau zum Opfer fielen. Die „Dame, die ein sehr gefragter Mann ist“ hatte tatsächlich früher einmal in einer hiesigen Bäckereifiliale gearbeitet, von der man bald sagte „hier sind nicht nur die Brötchen warm“. In ihrem Heimatdorf in der Wetterau sei die Neigung früh aufgefallen („Auf jedem Hausdach saß ein Klapperstorch, nur bei uns zwei rosa Flamingos“), sodass die „schwere, schwule Kindheit“ mit dem Umzug nach Frankfurt endete, als es hieß „Unser Dorf soll schöner werden.“ Ihren Lebensunterhalt verdient die matronenhafte Gestalt neuerdings im lila Kleid, seit bei einem namhaften Schokoladenhersteller „die Kuh verreckt ist.“

Dieses harte Schicksal verlangte dringend nach einer Schunkelphase, um die Lachtränen aus den Augen zu schütteln, dann verlagerte sich die Bewegung in die Beckengegend: „Gerry the Voice of Elvis“ marschierte mit Wachmannschaft in zeitgenössischer US-Uniform ein und brachte das Kurhaus zum Kochen. Ob „Jailhouse Rock“ oder „Falling in love“, die Narrenschar lag ihm abwechselnd zu Füßen oder tanzte auf den Tischen, mal dirigiert vom King, mal beim Starfoto mit ihm bei laufender Show: „Ich bin dazu da“ – und ein Küsschen gab es auch noch. Schließlich rief der Sänger Gerhard Heere auf die Bühne, um mit ihm gemeinsam weitere Auftritte im Sommer anzukündigen und schickte Grüße an Mitorganisatorin Annette Bommersheim, die mit Fieber das Bett hüten musste.

Nach der Pause („zwei mal elf Minuten und in‘ner halben Stunde sind wir dann wieder da“) verbreitete Heinz Eichhorn in Gestalt von Fräulein (!) Amalie Hechelmeier seine geballten Lebensweisheiten zur Gitarre. Mit „Dummbabbler Du“ quittierte sie die Antwort ihres Bewerbungsschreibens an den Club der Junggesellen („soo einsam sind wir auch wieder nicht“), dankte ihrem Bandwurm, der durch seinen Appetit ihre Figur bewahrte und ließ sich vom Arzt das Wort „Nymphomanin“ aufschreiben, da die Kolleginnen im Altersheim immer nur „Drecksau“ sagten. Zum Dank erhielt er Blumen von Evelina Ebeling und zog noch eine kurze Zugabe aus dem Damenhut: „Warum hat Nero Rom angezündet? – Weil es damals Falkenstein noch nicht gab...“ Uiuiui, Auauau. Mit Mirka-Fiona Nagel kam sicherlich die größte Künstlerin des Abends zum Zuge, denn der „Polka-Solistin“ gelang es, einen Gardetanz auf die enge Bühne zu zaubern – das bedeutete zum Beispiel, dass sie ein Rad nur ohne Anlauf schlagen konnte, quasi kombiniert mit einem Salto. Entsprechend begeistert reagierten auch hier die Zuschauer und forderten, als sie erfuhren, dass Mirka-Fiona auch ein Männerballett trainiert, sofort die Einrichtung einer Seniorengruppe.

Gegen die vielstimmigen Jubelrufe sang schließlich Harry Borgner als „der Mann mit den 1.000 Stimmen“ an. Wer ihn ansah, erkannte Lebensmittelfachverkäufer Fischers Fritz mit Gitarre, der im Familienunternehmen schon mit Lebertran statt Milch aufgezogen worden ist. Wer die Augen schloss, hörte Udo Lindenberg, Roger Whittaker oder Reinhard Mey einmütig die Fastenspeise besingen: „Der Mörder ist immer der Angler“. In der Zugabe erklärte der Stimmenimitator anhand der klassischen Tonlageneinteilung, wie man von Heino bis Heintje kommt oder von Ernst Neger bis Margit Sponheimer.

Damit war die Brücke nach Mainz endgültig geschlagen und das Gesangsduo „He die Meenzer“ erhob die saalfüllenden Stimmen, was die Gäste ein weiteres Mal von den Stühlen riss. Zu Klassikern wie „Sierra Madre“ leuchteten die Taschenlampen-Apps wie früher Feuerzeuge, zum vereinfachten Mitsingen gab es Texteinlagen a la „na-na-na-na“ und natürlich musste die Fassenachtssaison mit „So ein Tag, so wunderschön wie heute“ beschlossen werden – angeblich hatte Heinz Eichhorn gedroht, die Künstler sonst nicht einzuladen.

Dank der erfüllten Forderung bestand nun nicht nur Einigkeit, sondern der „Hofmusikdirektor“ wurde von den „Meenzern“ eingeladen, mit Elvis und den beiden Moderatoren zum großen Finale die Bühne zu teilen, was mit „Ole, ole Fiesta“ dem Konfettidienstag pünktlich um Viertel vor zwölf ein furioses Ende bereitete. Blieb nur noch, den Wirtsleuten Anke und Carsten Brauns sowie der Techniktruppe ein herzliches Dankeschön auszusprechen und daran zu erinnern, zu Hause noch einige Rollmöpse für den Aschermittwoch bereitzustellen.

Da brannte die Luft: Heinz Eichhorn (rosa Federboa) und Elvis-Imitator Gerald Dinis zwischen „He de Meenzer“ (Tenor Dieter Kral, gelb, und Bassbariton Hennes Schneider, rot), zelebrierten mit Klaus Rätz (ganz rechts) das große Finale bei „Locker vom Hocker“.
Foto: Friedel



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