„Lust und Bange in der Warteschlange“: Theaterstück des Vereins Perspektiven ist viel mehr als Collage aus dem Alltag

Einmal in eine andere „Haut“ schlüpfen: das tun die Schauspieler des Theaterprojekts des Vereins Perspektiven. Entstanden ist eine sehenswerte Collage rund um das Thema „Warten“, die einen zum Lachen, aber auch zum Reflektieren über die eigene Einstellung bringt.

Foto: Schemuth

Königstein (el) – Wir alle haben Sätze wie „Zeit ist ein Geschenk“ oder „versuch‘s mal mit Gemütlichkeit“ schon mal gehört, aber, wer denkt schon über ihren tieferen Sinn nach? Die Mitglieder der Theatergruppe des Vereins Perspektiven haben sich zusammen mit Stefanie Kaufeld, Mitarbeiterin der Tagesstätte Perspektiven, deren Angebot sich an Menschen mit psychischen Störungen richtet, der Herausforderung angenommen, das Theaterstück mit dem Titel „Lust und Bange in der Warteschlange“ aufzuführen.

Im Mittelpunkt steht das Thema Warten. Es ist ganz spannend zu beobachten, welch unterschiedliche Reaktionen die Menschen in mit dem Thema verbundenen Situationen zeigen. Das kann im Wartezimmer eines Arztes sein, an der Ampel, wenn diese nicht sofort auf Grün schaltet oder aber am Telefon, wenn man es mal wieder mit einem Telefonanbieter zu tun hat und anstatt einer Ansage eine schöne Melodie, quasi auf die Ohren bekommt, die einem das Warten versüßt.

Es sind all diese Begebenheiten, mitten aus dem Alltag gegriffen, mit denen sich bestimmt jeder von uns identifizieren und über die man schmunzeln kann. Und so ist es auch von der Regisseurin Kaufeld und den Schauspielern selbst gedacht, die jetzt – so kurz vor der Premiere des Stückes am Donnerstag, 10. November, um 20 Uhr im Kulturcafé Portstraße in Oberursel – so etwas wie einen ersten Anflug von Lampenfieber verspüren. Aber, das legt sich auch schnell wieder angesichts der vielen Aufgaben, die auf die Aktiven warten.

Wie ein Blick hinter die Kulissen während der Proben zeigt – der Zusammenhalt untereinander ist groß. Und das ist auch eine der Intensionen, die mit diesem Projekt verknüpft sind, sagt Stefanie Kaufeld. Im Mittelpunkt steht außerdem, herausstellen zu wollen, wie unsere Gesellschaft mit dem Warten umgeht, das nicht selten mit einem gewissen Grad an Zeitverschwendung in Verbindung gebracht wird. Und noch ein weiterer Aspekt wird mit dem Stück angesprochen, der nicht etwa das Publikum, sondern die Darsteller selbst betrifft. „Die Teilnehmer erleben das stärkende Gefühl von Gemeinschaft und lernen sich in ihren Rollen nochmal anders kennen“, weiß Kaufeld zu berichten.

Dadurch entstünden auch außerhalb der Gruppe Freundschaften. Darüber hinaus biete das Projekt den Beteiligten auch die Möglichkeit, ihre Krankheiten für einen Augenblick zu vergessen, indem sie sich voll und ganz auf ihre Aufgabe, ihre Rolle, konzentrieren, und dadurch würden sie auch die „gesunden“ Anteile in sich selbst entdecken.

Und dann tritt auch ein weiterer positiver Gesichtspunkt ein, der das Selbstwertgefühl der Schauspieler auch im „wahren“ Leben stärkt: „Wenn ich das geschafft habe, dann kann ich auch andere Dinge meistern!“ So sieht es auch Gruppenmitglied Joachim Krah, der seit zweieinhalb Jahren mit viel Freude beim Theaterspielen dabei ist. Schließlich handelt es sich bei dem neuesten Projekt nicht um die erste Aufführung der Gruppe. Auch an Inszenierungen von Klassikern wie Romeo & Julia hat man sich in der Vergangenheit bereits herangewagt. Krah sagt außerdem, dass er gerne hierher kommt und ihm die Proben stets viel Spaß machen. Das sei für ihn echte Lebensqualität, die sonst verloren gehen würde, wenn er als Alleinstehender weiterhin in seinen eigenen vier Wänden vor sich hinleben würde, ohne den Kontakt zu anderen zu suchen, sagt der 71-Jährige.

Veronique Kehl hat sich auch für das Theaterprojekt gemeldet. Sie liebe das Rampenlicht und natürlich auch, in unterschiedliche Rollen schlüpfen zu können – eine bereichernde Erfahrung, die sie mit einem Schutzschild gegen alle Gefahren des Alltags vergleichen würde, sagt die 37-Jährige.

Neben den bereits Genannten waren an der Fertigstellung der Collage, die alle Facetten des Wartens in den Vordergrund stellt, außerdem beteiligt: Alexander Hausmann, Pia Meier, Uwe Lerch, Andreas Giese und Susann Wohnberger. Und noch eine Erkenntnis wurde aus der bisherigen Erfahrung gewonnen: „Ich gehe jetzt in vielen Situationen gelassener mit dem Warten um“, berichtet Gruppenmitglied Uwe Lerch.

In der Tagesstätte des Vereins Perspektiven werden psychosoziale Hilfen für erwachsene Menschen angeboten, die teilweise oder vorübergehend aufgrund einer psychischen Störung nicht am Arbeitsleben teilnehmen können. Das Angebot hilft ihnen darüber hinaus, ihrem Tag eine neue Struktur zu geben und Kontakte zu anderen zu knüpfen. Neben dem Theater spielen werden noch viele weitere gemeinsame Aktivitäten wie etwa ein Gesprächskreis, Urlaube, Ergotherapie und Ausflüge angeboten, damit die Menschen nicht der Gefahr zu vereinsamen ausgesetzt sind.

Das Theaterangebot sei darüber hinaus eine weitere Möglichkeit, sich zu stärken und neu zu definieren, wenn der berufliche Alltag wegbreche, meint Kaufeld, die auch zu bedenken gibt, dass die Leistung der Darsteller gerade wegen dieses Hintergrunds umso höher anzuerkennen sei. Ein Theaterstück also, das so viel mehr beinhaltet, als augenscheinlich dem Thema „Warten“ zu entlocken ist.

Karten für die Aufführungen im Café Portstraße in Oberursel, Hohemarkstraße 18, am Donnerstag, 10. November um 20 Uhr sowie am Sonntag, 13. November, um 17 Uhr sind zum Preis von fünf Euro, ermäßigt drei Euro, entweder unter Telefon 06174/924924 beim Verein Perspektiven oder aber direkt an der Abendkasse erhältlich.

Für das Stück sollte man inklusive Pause eineinhalb Stunden einplanen, die sich sicherlich lohnen!



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