Mozartissimo – Kinder schlagen musikalische Brücken

Kinder helfen Kindern, vl.n.r.: Mohin Jan Fariod (17), Aneta Kolar (15), Ayaka Appel (10), Ruilai Li (11), Jan Michael Seelig (11). Foto: Sura

Königstein (aks) – Die klassische Musik hatte es am Samstagabend schwer gegen strahlendes Schwimmbadwetter, und so war der Saal im Haus der Begegnung nur halb gefüllt. Das bedauerte auch Stadtverordneter Robert Rohr, Schirmherr des Benefiz-Konzerts zugunsten des Vereins Kinderhilfe Königstein. Große und kleine Musikliebhaber waren zusammengekommen, um dem musikalischen Nachwuchs, Jugendliche von zehn bis 17 Jahren, aus Königstein und Umgebung zu lauschen: eine außergewöhnliche Veranstaltung, organisiert vom Verein „Brücke zwischen Ost und West“. Luisa Teodorescu war sichtlich stolz, die kleinen Virtuosen vorzustellen, die dann auch mit unglaublicher Verve und Sorglosigkeit Beethoven und Mozart spielten, dass es eine reine Freude war. Für den zweiten Teil des Konzerts war Mohin Jan Fariod, Schüler des Taunusgymnasiums, angekündigt, der spielend zeigte, welcher Meister aus ihm geworden ist. Heute ist er vielfacher Preisträger und spielte zur Eröffnung des Haus der Begegnung 2012. Im nächsten Jahr macht er sein Abitur und viele Königsteiner fragen sich schon bang, was danach kommt.

Die Schatzmeisterin des Vereins Kinderhilfe Königstein, Elke Vogt-Ohly, bedankte sich herzlich bei Veranstaltern und Künstlern. Ihr eindringlicher Appell ließ niemanden im Saal ungerührt. Auch in wohlhabenden Gemeinden und Städten wie Königstein gibt es Kinder mitten unter uns, die zur Einschulung keinen Ranzen haben, die nie ein Weihnachtsgeschenk bekommen, sich keinen Schulbus leisten können und keine Ferienspiele. Sie machte mit Nachdruck deutlich, dass die Hilfe des Vereins anonym ist, unbürokratisch und schnell.

Die ehrenamtlichen Helfer stehen in engem Kontakt mit den sozialen Diensten und den Pfarrämtern. Der Verein finanziert sich aus Spenden. „Niemand ist eine Insel, deshalb ist es wichtig, Brücken vom Ich zum Du zu schlagen. Schicksalsschläge können uns alle treffen und wir sind dann froh, wenn sich eine Brücke findet und niemand allein gelassen wird.“ Sie hält es mit Einstein: „Es gibt keine großen Entdeckungen und Fortschritte, solange es noch ein unglückliches Kind auf Erden gibt.“

Der elfjährige Jan Michael Seelig betrat im Sauseschritt die Bühne, vorher saß er noch im Saal neben seinem Klavierlehrer Dr. Benedikt Stegemann, der ihm Mut zusprach. Man sah ihn kaum hinter dem imposanten Steinway-Flügel. Der junge Königsteiner spielte das Allegro der Beethoven Sonate op. 14 flott und vollkommen unbekümmert, ebenso schnell war er von der Bühne wieder verschwunden. Weiter ging es mit Beethovens Sonate op. 49. Die elfjährige Ruilai Li aus Frankfurt wirkte von Anfang bis Ende souverän, ihr Spiel klang rhythmisch und klar. Ein schwieriges Stück für ein Kind, sollte man meinen, doch ihre Leichtigkeit setzte sich über alle Zweifel hinweg und es war eine Freude, ihr zuzuhören.

Die zehnjährige Ayaka Appel, Schülerin von Prof. Stefana Chitta-Stegemann, betrat scheu die Bühne, entfaltete dann aber ein großes Talent am Piano, hinter dem auch sie verschwand, mit Mozarts populärster Sonate C-Dur KV 330, die er mit 27 Jahren komponierte. Beeindruckend, wie sie 20 Minuten frei spielte und Mozarts federleichtes Ringelreihen wiedergab. Sie war ganz bei sich und hatte den Mut zu Langsamkeit und zu leisen verhaltenen Klängen. Zielstrebig ging sie von der Bühne, sie war zu schüchtern, um den Applaus auszukosten.

Mit 15 Jahren schon wesentlich reifer und selbstbewusst betrat Aneta Kolar, Klavierschülerin von Svetlana Grodzenski und Schülerin der Bischof-Neumann-Schule, die Bühne und bestritt dann den längsten Part, bis zur Pause mit Beethovens Sonate op.2, mit Rachmaninoff, Liszt und Debussy. Sie spielte akzentuiert und brachte den Steinway zu maximaler Klangschönheit. Sie wirkte gelassen und ruhig und verzauberte die Zuhörer mit Rachmaninoffs Prélude in G-Dur. Mit Liszts Gnomenreigen gelang es ihr, die Gnomen zum Leben zu erwecken, der Reigen schillerte, trillerte, trommelte, wirkte wild, hemmungslos und fröhlich. Bei Debussys Stück „Jardins sous la pluie“ hörte man den tröpfelnden Regen, der anschwillt und wieder leiser wurde. Souverän meisterte sie diese Tour de Force durch zwei Jahrhunderte mit den bedeutendsten Komponisten. Den tobenden Applaus nahm sie einen Augenblick lang entgegen, mochte aber nicht allzu lange oben auf der Bühne verweilen. Ein Gespräch mit dem Pianisten und Klavierlehrer Rolf Kohlrausch, der unter den Gästen weilte, bestätigte, dass Kinder und Jugendliche zunächst unbeschwert mit der klassischen Musik und den berühmten Komponisten umgehen – „und dann kommt der Respekt, der aber überwunden werden muss, damit man überhaupt vor Publikum spielen kann“.

Nach der Pause hatte dann Mohin Jan Fariod seinen Auftritt mit Beethovens Mondscheinsonate. Der junge Künstler ist nun endgültig den Kinderschuhen entwachsen und als viel gefragter Pianist in der Musikwelt angekommen. Schon die ersten Klänge dieser berühmten Sonate erzeugten Gänsehaut. Fariod freute sich über den begeisterten Applaus und wirkte erleichtert: Puh, geschafft! Das ist die beste Motivation, auch Chopin fehlerfrei und in seiner ganzen Herrlichkeit zu spielen. Und so flutet er den Saal mit den wunderbaren Klängen der Polonaise „Héroique“, einem der anspruchsvollsten Werke der Klavierliteratur, das die Zuhörer sichtlich mitreißt. Auch das Scherzo ist kein leises Stück, der Saal bebt. Der Applaus war so heftig, dass er als Zugabe eine Nocturne spielt, diesmal ganz zart – für zarte Seelen. Ein großartiger Ohrenschmaus, souverän interpretiert.

Fariods sehr präzises, sicheres und unaufgeregtes Spiel wirkte wohltuend, da mag man träumen von einer Welt mit glücklichen Kindern... Bravo, Fariod!

Das Schwimmbad kann warten, noch ist ja Sommer. Der Ausflug in die Welt der klassischen Musik, präsentiert von Kindern für Kinder, hat sich gelohnt und die Klänge und Botschaften schwingen noch lange in der Seele nach... Für alle, die (schwimmen waren waren, und) noch helfen möchten: Spendenkonto Kinderhilfe Königstein, IBAN DE 38 5019 0000 0301 213158, BIC FF VB DE FF.



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