Von Rittern, sächselnden Beatles und polyglotten Katzen

Walter Renneisen – ein großer Unterhalterauf hohem Niveau zum Jubiläum der Kulturgesellschaft. Foto: Schemuth

Königstein (el) – Wer hätte das geahnt, dass die „Bretter, die die Welt bedeuten“ laut der Kulturgesellschaftsvorsitzenden Almut Boller ausgerechnet in der Werkstatt von Dachdecker Haub liegen? Ein Blick auf das Programm dieses vergangenen Freitagabends und man musste ihr uneingeschränkt Recht geben. Die Kulturgesellschaft hatte sich anlässlich ihres Jubiläums-Wochenendes wieder einmal selbst übertroffen. Klein, aber fein – so lautet seit Jahren die bescheidene Devise, die nichts Großes erwarten lässt, jedoch im Nachhinein betrachtet, stets Großes bietet. Dies auch dank des wunderbaren und vielseitigen Walter Renneisens, der stets mit der Bandbreite seines Talents zu überraschen und begeistern weiß. Und rezitieren und singen kann der Mann, dass man ihm glatt abnimmt, dass er bei den alten Rittern in die Lehre gegangen ist, um ein ordentliches Bänkellied zum Besten zu geben, was er an diesem Abend mehrmals mit großer Freude tat. Allerdings blieb keinem dabei auch die Ironie der Texte verborgen: So hatten die alten Rittersleut viel Eisen an und seien deswegen vom Blitz getroffen worden. Natürlich bediente sich der geniale Renneisen auch Klassikern wie Goethe und seinem „Wandrers Nachtlied“, um dieses Gedicht nicht nur in Kurzform unter die Lupe, sondern auch auf die Schippe zu nehmen.

Auch der „Erlkönig“ wurde frei interpretiert, so dass man ihn schon vor seinem geistigen Auge wild durch die Nacht galoppierend sah. Und erst der arme Ritter Fips und sein Ende, an dem schon der unvergessene Heinz Erhardt, als Vater der deutschen Comedy, seine wahre Freude gehabt hatte. Eine Moral hatte die Geschicht‘ auch: Man soll in keinen Sarg sich legen, will man nur kurz da liegen. Der arme Ritter musste noch weiter leiden: Aber der Blechschaden sei laut Renneisen zum Glück nur gering gewesen, als dieser vom Dach gefallen sei.

Das besondere Talent Renneisens lag nicht nur in der eigenen Interpretation der zahlreichen Klassiker der deutschen Literatur, sondern blitzte auch bei den fließenden und äußerst unterhaltsamen Übergängen von einer Erzählung zur anderen hervor. So erfuhr das zirka 90-köpfige Publikum – ein so gut wie ausverkauftes Haus – in der Werkstatt, die sonst Dachpfannen und Zubehör beherbergt, welche paradoxen Wortschöpfungen auf Emailleschilder zu lesen sind, die eigentlich einen ernsten Hintergrund haben: das Ableben eines Menschen. Und gerade hier sei der Humor fehl am Platz, bahne sich jedoch bekanntlich hier und dort in den unpassensten Momenten einen Weg. Das kennt wohl jeder. Lachen, wenn man nicht sollte und es ernst sein soll. „Josef ging hinaus, der Stall stand offen“ oder „hier ruht der Arzt und alle, die er behandelt hat, neben ihm“ – hier handelt es sich nicht etwa um nette Erfindungen seitens Renneisens, sondern wahrhaftige Schilder, die in Auftrag gegeben wurden. Kein Blatt vor den Mund zu nehmen, dafür ist auch Heinz Erhardt bekannt und erst recht für seine Wortspiele – „der nichts dafür kann, dass der Mond schon scheint“ und zwischendurch immer wieder die Empfehlungen des Entertainers Renneisen an die Damenwelt musikalisch verpackt: „Nehmen‘s einen Alten“. Denn auf den schauen die anderen Frauen nie, „der ist froh, wenn sie ihn behalten!“

Es ist aber nicht nur der Widerspruch, den Renneisen so liebt, sondern auch die Pointe an sich, die am Ende stets für jeden überraschend komme. Bis da hin müsse man seine Zuhörer an die Hand nehmen. Sprach‘s und machte sich auf, um mit der Lyrik aus Brechts Klassiker „Mackie Messer“ den Politikern sanft gegen das Schienbein zu treten.

Dann holte Renneisen zum ganz großen Paukenschlag aus und machte eine 180 Grad Drehung von Eichendorffs „Das Zerbrochene Ringelein“ bis hin zu der unvergessenen Pop-Literatur des Kings of Rock-n-Roll, Elvis Presley, dessen Hüftschwung er zwar nicht eins zu eins kopierte, dafür aber seim Timbre, um seinen Zuhörern mit „Love Me Tender“ Gänsehaut pur zu verpassen.

Auch ein kleiner Exkurs in die Welt der Musiktexte sollte drin sein: Dass man sich den Beatles-Klassiker „She Loves You“ auf Sächsisch lieber verbitten sollte und dass Drafi Deutschers „Marmor, Stein und Eisen bricht“ viel „damm, damm“ enthält – all das gab es gratis mit auf den Nachhauseweg und natürlich auch noch eine Ode an Wilhelm Busch, der für Renneisen so etwas wie ein Vorbild ist.

Mit seiner glänzenden Wortwahl bringe er alles auf den Punkt, ohne dass ihm je einer dafür böse sein könne. Zu guter Letzt griff Renneisen auch die Liebe zum Tier auf und zitierte hier die Society-Reporterin Dorothy Parker ebenso wie seinen Favoriten Erhardt, um schließlich mit dessen polyglotter Katze den Abend zu beenden, die sich genüsslich nach dem Verspeisen einer Maus die Pfoten leckt und sich selbst dazu beglückwünscht, eine fremde Sprache, nämlich die des Hundes gelernt zu haben.



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