Sommerzeit ist Pokémon-Jagdsaison

Ein Piepi bringt sich auf der Schulter von „Youtubefanig“ in Sicherheit (Burg Falkenstein). Foto: Scholl

Königstein (gs) – Sie nennen sich YellowLegend, Youtubefanig oder DasgelbevomEi. Sie schließen sich in Gruppen zusammen, die solch lustige Namen wie Team Picachu, Bisastars oder Pokéheroes tragen und sie gehören grundsätzlich zum Team Blau, Rot oder Gelb. Sie organisieren sich über Facebook und in kleinen Gruppen pilgern sie durch die Straßen von Königstein, den Blick immer auf das Handy gerichtet und ständig auf der Jagd nach den kleinen virtuellen Monstern, die seit gut einem Jahr die Herzen der Jugend, aber auch vieler junger Erwachsener erobert haben. Die Rede ist von den noch immer zu Hunderten auf der Jagd befindlichen Pokémonfans, die das Mobile Handygame „Pokémon GO“ spielen.

In der Spitze der Beliebtheit hatten mehr als 28 Millionen Personen weltweit das vom Entwickler Niantic im Sommer 2016 auf den Markt gebrachte Spiel in Form einer App täglich gespielt. Ein noch nie dagewesener Hype um das Spiel trieb die Menschen auf die Straßen, in die Parks und zu den Sehenswürdigkeiten, immer auf der Jagd nach dem einen besonderen Pokémon, das in der Sammlung noch fehlte. Virtuelle Arenen wurden an besonders zentralen Orten, gerne Sehenswürdigkeiten, Denkmäler, o.ä. eingerichtet, die die gebildeten Teams besetzen und natürlich verteidigen können. Feste Teams oder manchmal auch Zweckgemeinschaften bildeten sich, um wichtige Arenen zu erobern und später gegen Angreifer zu verteidigen. Besonders lustig ist das Ganze für Außenstehende, die das Spiel nicht mitspielen. Im Kurpark Königstein, direkt am Brunnen, befindet sich eine solche Arena. Ältere Herrschaften beobachten dann verständnislos eine Gruppe junger Menschen, die kollektiv wie verrückt auf ihrem Handy herumtippen und sich sichtlich über einen Sieg freuen oder auch einmal ordentlich fluchen, wenn sie den virtuellen Kampf verloren haben. Ohne in das Spiel involviert zu sein, mutet die Szene recht merkwürdig an, da ja nichts außer dem Kurparkbrunnen zu sehen ist und manch einer schüttelt dann verständnislos den Kopf. Um das gemeinschaftliche Spiel zu forcieren, hat der Entwickler nun eine interessante Neuerung eingeführt. An bestimmten Orten, die im Spiel rechtzeitig angezeigt werden, finden besondere „Kämpfe“ statt, bei denen aus den anwesenden Spielern willkürlich Teams gebildet werden, die dann gemeinsam gegen ein besonders starkes Pokémon antreten müssen. Besiegen sie es gemeinschaftlich, so haben sie im Anschluss an den Sieg die Chance, das Pokémon zu fangen. Diese „Raid“-Kämpfe sind sehr beliebt, bieten sie für die Spieler doch die Möglichkeit, auf diesem Weg Pokémons zu fangen, die es in der „freien Natur“ nur selten oder fast gar nicht gibt. Die Möglichkeit, dass sich vollkommen fremde Personen an einem Ort treffen, um gemeinsam ein Ziel, nämlich den Sieg über einen mächtigen Gegner, zu erreichen ist eine schöne Idee des Entwicklers, um dem eigentlichen Anspruch des Spiels gerecht zu werden – die Kinder und Jugendlichen aus dem Haus zu bringen und zu gemeinschaftlichen Aktionen zu animieren. Die Zeiten haben sich geändert und damit auch die Ansprüche der Jugend. Außer gemeinsamen sportlichen Aktivitäten gibt es für die Jugend in der Freizeit kaum noch Anreize, sich außer Haus zu bewegen. Handy, Tablet und PC stehen zur Verfügung und chatten vom heimischen Sofa aus ersetzt das Treffen mit den Freunden. So betrachtet ist die Idee von Niantic, das Handy zu nutzen, um die Jugend aus dem Haus und zu gemeinschaftlichen Aktivitäten zu bringen, eigentlich genial. Wenn die jungen Leute in ihrem Jagdfieber nicht gerade gegen den Laternenmast oder verkehrsblind über die Straße laufen, ist der Spaß auch relativ harmlos. Lustig ist es allemal. Die Familie der zu fangenden Pokémons wächst von Update zu Update, so dass die Jagd immer lohnenswert bleibt. Manche Großstädte haben das Spiel für ihr Stadtmarketing entdeckt und veranstalten Touren, bei denen beliebte Plätze besucht werden, an denen häufig seltene Pokémons erscheinen. Da dies oft Sehenswürdigkeiten oder historische Plätze und Gebäude sind, lassen sich auf diesem Wege auch junge Leute schon mal zu einer Stadtbesichtigung überreden. In Königstein ist natürlich die Burgruine ein beliebter Platz für die Jagd. Gerade im Umfeld von Burgen und Ruinen finden sich die seltenen Feuerpokémons, wie z.B. Glumanda oder gar Glutexo. Bedauerlicherweise ist die Burgruine nur zeitweise geöffnet, so dass mancher Pokémonfan unverrichteter Dinge wieder von dannen ziehen muss – leider ohne das in der Burg beheimatete seltene Pokémon. Allerdings ist der Hype um das Spiel seit dem Release im letzten Jahr doch merklich abgeflacht.

Mittlerweile spielen noch ca. fünf Millionen Menschen täglich. Obwohl sich noch immer viele junge Leute begeistert auf den Weg machen, haben viele auch aufgegeben, da die Fortschritte im Spiel von der Intensität der Nutzung und natürlich dem Jagderfolg abhängen. Wer nur selten spielt, der kommt auch nur langsam im Spiel voran. Das ließ Viele den Spaß verlieren, allerdings sind über 300 verschiedene Pokémons auch nicht in ein paar Wochen zu fangen – hier ist Durchhaltevermögen gefragt, was gerade in Bezug auf die Mediennutzung nicht zu den hervorstechendsten Eigenschaften der Jugend gehört. Wie dem auch sei – Sommerzeit ist Jagdsaison! Bei bestem Wetter und Sonnenschein fällt das Verlassen des heimischen Sofas etwas leichter und die Pokémonjäger sind vermehrt aktiv. Nehmen Sie Rücksicht – bitte nicht schimpfen, wenn Sie ein Jugendlicher mit gesenktem Kopf und mit starrem Blick auf sein Handy fast umrennt. Ein kühner Sprung zur Seite kann hier hilfreich sein und ermöglicht dem „Jäger“ vielleicht den Fang des Tages! Auch wenn der „Knuddelfaktor“ der kleinen Monster Ihnen verborgen bleiben wird – der Spieler wird Ihnen dankbar sein!



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