Steigende Chancen für Flüchtlinge auf dem Arbeitsmarkt

Unternehmer eher Mangelware beim Unternehmensforum (v.l.n.r):. Dr. Dietmar Kirchner und Anna Basse, Freundeskreis Asyl Königstein, Jens Peter Hensel, Dr. Vogler Mercedes-Benz, Gabriele Wörner, Integrationsberaterin, Khalil Ibrahim Chiadmi und Doris Kirbach, Bundesagentur für Arbeit. Foto: Sura

Königstein/Kronberg (aks) – Reges Interesse sieht anders aus. Beim Unternehmensforum, organisiert vom Freundeskreis Asyl Königstein, mit dem Thema „Flüchtlinge in Arbeit in Königstein und Kronberg“ waren Unternehmer Mangelware, sowohl auf dem Podium als auch im Publikum. Einige Unternehmer hatten kurzfristig abgesagt. Auch sonst war das Interesse bei Kronbergern und Königsteinern eher spärlich, außer zehn Flüchtlingen, einigen Paten und Vertretern der Flüchtlingshilfe Kronberg, unter ihnen Ralph Maier und Hans Willi Schmitdt, fanden nicht viele den Weg in die Villa Winter in Kronberg.

Einziger Unternehmer im Publikum war Dieter Heist, der aus eigener leidiger Erfahrung berichtete, dass er sein Geschäft Elektro Heist schließen musste, weil er keinen Nachfolger gefunden hatte: „Von 150 Kandidaten des Jobcenters hat kein einziger angerufen.“ Für ihn ist es eine gute Sache, den Fachkräftemangel mit Flüchtlingen auszugleichen. Dass man die Flüchtlinge bei diesen Prozessen an die Hand nehmen muss, das ist für Jens Peter Hensel, Geschäftsführer von Dr. Vogler Mercedes-Benz, selbstverständlich, der auf dem Podium sein persönliches Engagement bekräftigte. Er bietet nicht nur Flüchtlingen Ausbildungsplätze an, sondern auch „Joblingen“, um der Jugendarbeitslosigkeit vorzubeugen. Hensel: „Man muss wollen, es zu tun.“

Vereinfachte Einstellungsprozesse

Dabei wünscht sich Hensel als Unternehmer vom Staat vereinfachte Informationen und Hilfe bei den Einstellungsprozessen. „Die gibt es!“, ruft Gabriele Wörner, Integrationsberaterin vom Bildungswerk der Hessischen Wirtschaft, spontan in die Runde. Auch Dr. Dietmar Kirchner vom Freundeskreis Asyl Königstein befasst sich in seinem Alltag mit Ausbildungs- und Arbeitsverträgen – „das sind viele Formulare“ – und mit Anträgen für Mini-Jobs, die er allen Flüchtlingen – und auch Privathaushalten – nur empfehlen kann. Planung tut not: „Wer im Winter Schneeräumer einstellen möchte, sollte das jetzt bereits beantragen“, so Kirchner. Gabriele Wörner kennt die Sorgen und Nöte der Wirtschaft. Ihren Job des Willkommenslotsen gibt es 130 Mal in Deutschland, wie sie erklärt. Sie möchte Unternehmen und Flüchtlinge zusammenbringen und begegnet bei allem Engagement auch viel Schwerfälligkeit auf Unternehmerseite, bei den Kammern und Innungen. Dabei könnten beide Seiten profitieren. Hensel schlägt in diesem Kontext spontan ein Unternehmer-Frühstück vor, zu dem er nach Bad Homburg in die Dr. Vogler Mercedes-Zentrale einlädt. Khalil Chiadmi und Doris Kirbach von der Bundesagentur für Arbeit nicken begeistert. Man glaubt ihnen ihre persönliche Sympathie und ihr vorbildliches Engagement. Die Hilfsbereitschaft von Seiten der Behörden sei da, das bestätigen alle Anwesenden, die sich tagtäglich für Flüchtlinge einsetzen.

Integration durch Sprache

Die Beherrschung der deutschen Sprache sei die Grundvoraussetzung für jede Ausbildung und jede Arbeit, da sind sich alle einig. Deshalb haben die angebotenen Integrationskurse für Flüchtlinge oberste Priorität und sind Pflichtveranstaltungen. Als Unternehmer wünscht sich Hensel, dass die deutsche Sprache noch pragmatischer gelehrt wird und technisches Deutsch als Arbeitssprache schnellstmöglich vermittelt wird. Ralph Maier von der Flüchtlingshilfe Kronberg weist auf ein Sprach-Programm hin, das parallel zur Ausbildung als fachspezifischer Sprachunterricht vom Jobcenter angeboten wird. Anna Basse vom Freundeskreis Asyl und Integrationscoach betont, wie wichtig der Einsatz der ehrenamtlichen Mitarbeiter und Paten ist. Sie bereiten die Einzelnen auf den „Kulturschock“ vor und helfen in fast allen Lebenslagen.

Flüchtlinge in Ausbildung und Arbeit

Dass Integration nicht nur ein frommer Wunsch bleibt, sondern tatsächlich stattfindet, dafür setzen sich die Podiumsteilnehmer Khalil Chiadmi und Doris Kirbach von der Bundesagentur für Arbeit in Bad Homburg ein – „mit Herzblut“, wie sie beide betonen! Sie lernten in kurzer Zeit sehr viel, denn jeder Fall sei anders. Die Bitte von Doris Kirbach klingt ehrlich: „Bringen sie uns Geduld entgegen.“ Die beiden versprechen, immer erreichbar zu sein und garantieren, dass sie „in 48 Stunden jemanden in Arbeit bringen können“. Zur Information: Die Bundesagentur für Arbeit ist für Asylbewerber zuständig, das Jobcenter dagegen vermittelt anerkannte Flüchtlinge. Das war auch vielen Ehrenamtlichen an diesem Abend nicht so ganz klar, daher immer wieder Aha-Erlebnisse, was Fachbegriffe wie Einstiegsqualifikation und EGZ (Eingliederungszuschuss) betraf. Grundsätzlich sollen Flüchtlinge als Arbeitskräfte für Unternehmer attraktiv werden. Der Eingliederungszuschuss, bei dem bis zu 50 Prozent des Bruttolohns von der Bundesagentur für Arbeit gezahlt werden, soll Arbeitgeber motivieren und unterstützen. Er zeige in der Praxis „gute Erfahrungswerte“, so Kirbach. Weiteren Anreiz bietet die Einstiegsqualifikation im Job als Vorbereitung für die Ausbildung in Kombination mit der Berufsschule. Deutsch könnte „on the job“ am besten gelernt werden: Lernen beim Tun. Eine große Chance für viele Unternehmer, die keinen Nachwuchs finden.

Wie sehr die Bundesagentur für Arbeit um die Integration von Asylbewerbern bemüht ist, zeigt die Möglichkeit, dass nicht anerkannte Flüchtlinge die Chance erhalten, mit einer Ausbildung eine Abschiebung zu verhindern und bis zu zwei Jahre danach in Deutschland zu arbeiten.

Praktikum oder Ausbeutung

Ein Praktikum ist für Flüchtlinge empfehlenswert, um in Berufe hineinzuschnuppern und um für beide Seiten die Passgenauigkeit, das sogenannte Matching, zu prüfen. Sechs Wochen seien unbezahlt, danach erfolge die Arbeit gegen Bezahlung, so Chiadmi und Kirbach. Im Publikum allerdings herrschte Verwirrung, denn zwei Flüchtlinge hatten ein mehrmonatiges Praktikum absolviert – ohne Bezahlung. Die meisten können von ihrem Taschengeld von 400 Euro nicht leben und sind auf bezahlte Arbeit angewiesen. Gabriele Wörner nannte es beim Wort: „Das ist Ausbeutung.“ Das sei die Kehrseite der Medaille, davor müssten Flüchtlinge geschützt werden.

Schwarze Schafe gebe es genug, das bestätigte Kirdorf, die in ihrem Berufsalltag auch Anrufe von Arbeitgebern erhält, die eine günstige Arbeitskraft suchen nach dem Motto „Ich hätte gern einen Flüchtling“. Die Ein-Euro-Jobs dürfen nur von karitativen Organisationen angeboten werden. Auch wenn hier der Mindestlohn von 8,50 Euro nicht gezahlt wird, ist es für viele Flüchtlinge eine Chance, der Langeweile in den Unterkünften zu entfliehen und eine sinnvolle Aufgabe zu erledigen, darauf wies Kirchner noch einmal explizit hin. Der Kontakt mit Menschen, ein Hineinschnuppern in eine Tätigkeit seien nicht zu unterschätzen und ein wichtiger Schritt bei der Integration.

Deutschland wird im Frühjahr 2017 bei der Vermittlung von Arbeit an Flüchtlinge an Fahrt gewinnen, da sind sich die beiden Mitarbeiter der Bundesagentur für Arbeit ganz sicher. Dabei ist ihnen jede Unterstützung willkommen!

Weitere Informationen bei Anna Basse per E-Mail an kontakt[at]anna-basse-consulting[dot]de.



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