Warum wir den Stress in den Griff bekommen müssen

Königstein (el) – „Wie das Gehirn Seele macht“…was formt unsere Psyche und was macht sie anfällig für Krankheiten? Dem hat Prof. Dr. Dr. Gerhard Roth, Neurobiologe und Professor für Verhaltensphysiologie und Entwicklungsneurobiologie am Institut für Hirnforschung der Universität Bremen, nicht nur ein Buch gewidmet. Vielmehr enthalte diese Aussage jede Menge Sprengstoff, verriet Roth als Gastredner anlässlich des 60-jährigen Bestehens der Klinik Dr. Steib. Schließlich gebe es eine ganze Reihe von Menschen, die sich einig seien, dass Gehirn und Seele nicht zusammen gehen. Und doch bestehe eine Wechselwirkung und um dies zu verstehen und zu ergründen, warum jemand psychisch krank werde, müsse man nach innen schauen und sich dabei darauf konzentrieren, was im Gehirn für die Psyche wichtig sei.

Der Hypothalamus reguliert das vegetative Nervensystem. „Hier sitzen auch die Persönlichkeitsmerkmale“, sagt Prof. Roth, was auch erklären würde, weshalb selbst Zwillinge schon bei der Geburt sehr verschieden seien. Um die damit zusammenhängenden Prozesse zu erklären, verweist der Gastreferent auf die Epigenetik als Wissenschaft des 21. Jahrhunderts, die besagt, dass wir sehr wohl in der Lage sind, unsere Gene zu steuern und ihnen nicht ausgeliefert sind. Diese Wissenschaft lehrt, dass der Mensch weitaus mehr ist als die Summe seiner Gene. Schon unser Temperament sei epigenetisch bedingt. Dazu müsse man sich das limbische System anschauen. Von der Geburt bis zirka vier Jahre nach der Geburt erfolge die Bindungserfahrung und ein großer Teil der Persönlichkeit werde geprägt und es werde immer schwieriger, das im späteren Leben zu verändern. Im Alter von vier bis fünf Jahren finde die Sozialisierung statt. Kinder lernen unbewusst, wie sie sich verhalten müssen, damit andere sie mögen.

Soweit die Prägungen und das Heranreifen der Persönlichkeit. Sind diese Prozesse erst einmal abgeschlossen, gebe es laut Roth sechs verschiedene Systeme, die die Psyche festlegen. Das wichtigste mentale-psychoneurale System sei dabei jenes, das Stress verarbeitet. Das in der Nebennierenrinde produzierte Stresshorm Cortisol rüste uns für die Auseinandersetzung. Aber auch hier komme es auf die richtige Dosierung an, damit der Mensch situationsbedingt reagieren kann, sich jedoch nicht erschöpft. „Stress muss sein, es darf aber nicht zu viel werden“, so der Neurobiologe, der die Entstehung von Angststörungen und Depressionen in erster Linie darauf zurückführt, dass eine Rückkoppelung zum Hippocampus nicht funktioniert. Dem Gehirn wird permanenter Stress signalisiert und der Körper kommt aufgrunddessen überhaupt nicht mehr zur Ruhe, was einen schlimmen Kreislauf zur Folge haben kann. Gegenspieler des Cortisols ist der Neurotransmitter Serotonin sowie das Oxytocin, die auch protektive Faktoren sein können, so dass Glücks- und nicht etwa Angstgefühle entstehen.

Man könne aufgrund der neuesten Erkenntnisse also nicht sagen, dass psychische Störungen nur eine Ursache hätten, so der Professor. Wie sieht also eine gute und erfolgreiche Psychotherapie aus, nach der laut dem „Drittelgesetz“ in 30 Prozent der Fälle eine echte Besserung eintrete? Hier spricht der Wissenschaftler von dem „Common-Faktor“, dem gemeinsamen Nenner aller erfolgreichen Therapien. Im Vordergrund steht der Glaube des Patienten daran, dass er alles hat, was er braucht, um gesund zu werden.

„Dieser Glaube erhöht das Oxytocin in uns“, beschreibt Roth die erste Ebene der Therapie, die jedoch von einer zweiten, schwierigeren abgelöst wird. Hier gelte es, alte Muster, die mitunter sehr tief eingegraben seien, zu lösen und durch neue zu ersetzen. Dies gelinge durchs Üben. Auch das Vertrauen zum Therapeuten müsse bleiben. Erwiesenermaßen lassen sich neue Muster auch dadurch erkennen, indem neue Zellen in den Basalganglien gebildet werden. Ergo, die Stressachse bricht zusammen.



X