Königstein (sk) – „Gemeinsam Denkmale erhalten“ lautete das Motto des diesjährigen Tags des offenen Denkmals am 11. September. Bei dieser, von der Deutschen Stiftung Denkmalschutz koordinierten Kulturveranstaltung ging es in diesem Jahr nicht darum, gewisse kunsthistorische Epochen oder bestimmte Denkmalgattungen zu beleuchten, sondern vornehmlich die Menschen in den Fokus zu stellen, durch deren Engagement ein Denkmal erhalten werden kann. All diesen Denkmalschützern – ob ehrenamtlich, in Privatinitiativen, Vereinen oder hauptberuflich – wurde dieser Tag des offenen Denkmals symbolisch gewidmet.
Was bedeutet eigentlich „Denkmal“? Der Begriff Denkmal lässt sich laut Wikipedia erstmals in den Schriften Martin Luthers nachweisen, wo er die Bedeutung „Gedächtnisstütze“ oder „Erinnerungshilfe“ hat. Heute versteht man unter einem Denkmal im allgemeinen Sprachgebrauch entweder eine zum Gedächtnis an eine Person oder ein Ereignis errichtete, größere plastische Darstellung oder ein erhaltenes Kunstwerk, das für eine frühere Kultur Zeugnis ablegt.
Als Zeugnis der kulturellen Entwicklung der Menschheit versteht sich auch das Handwerk der Buchbindekunst in künstlerischer, historischer und technischer Sicht. Deshalb lag es für die Kur- und Stadtinformation Königstein nahe, die in Königstein ansässige Buchbinderei Halbach & Viel für den Tag des offenen Denkmals zu gewinnen, erklärte Christian Bandy, Mitarbeiter der Kur- und Stadtinformation Königstein, und tatkräftiger Helfer an der Prägepresse in der Buchbinder-Werkstatt. Dort arbeitet die Buchbindermeisterin Claudia Viel noch heute entsprechend der alten Techniken des Buchbindereihandwerks, das bereits im Mittelalter als Gewerbe ausgeübt wurde.
Die Buchbinderei Halbach & Viel besteht bereits seit 1965. Der Begründer, Helmuth Halbach, hatte über die Jahrzehnte einen enormen Erfahrungsschatz gesammelt bei der Fertigung, Verarbeitung und Restauration von Buchwerken, den er seit 2002 mit der Buchbindermeisterin Claudia Viel teilte. Das Leistungsspektrum der Werkstatt umfasst die unterschiedlichsten Einbandarbeiten, Schmuckkassetten, Restaurierungen von alten Drucken und Büchern, Reparaturen, Erstellung von Gäste-, Städte- und Gemeindebüchern sowie personifizierten Fotoalben. Im Sommer dieses Jahres verstarb Helmuth Halbach. Sein Lebenswerk führt Claudia Viel fort mit der gleichen dem Begründer der Werkstatt zeitlebens innewohnenden Begeisterung und Freude an dem Kunsthandwerk der Buchbinderei.
Am Tag des offenen Denkmals kamen viele Interessierte, um sich die Werkstatt der Buchbinderei einmal anzusehen und Näheres über das immer seltener werdende Berufsbild zu erfahren. Nicht wenige staunten über die Prägepresse, mit Hilfe derer Stempel unterschiedlichster Form auf Bucheinbände gepresst werden. Wer wollte, durfte selbst Hand anlegen und konnte ein hübsches Exemplar von hochwertigstem Oasen-Ziegenleder mit einer goldgeprägten Blüte mit nach Hause nehmen. Ein Ehepaar reiste aus Frankfurt an und stellte fest: „Sie waren am Freitag in der Hessenschau, stimmt‘s? Wir haben Sie im Fernsehen gesehen.“ Das bestätigte Claudia Viel, die aus Anlass des Tags des offenen Denkmals in der Fernsehshow „Hallo Hessen“ einige ihrer Fertigkeiten wie das Handvergolden vorgestellt hatte.
Die Besucher der Werkstatt konnten selbst ausprobieren, wie man mittels spezieller Werkzeuge, den Fileten, goldene Zierlinien auf Ledereinbände prägt. „Wir vergolden noch heute Bucheinbände so wie man das früher gemacht hat“, erklärte Claudia Viel die von ihr angewandten restaurativen Techniken. „Die Prägepresse beispielsweise arbeitet nach dem Prinzip der Letternpresse, die Johannes Gutenberg im 15. Jahrhundert erfunden hat“, lernten die Besucher. Und anhand einer alten Bibel mit Messingbeschlägen und Schließen aus dem Jahr 1725, erfuhren die interessierten Zuhörer, worauf die Redewendung „ein Buch aufschlagen“ zurückzuführen ist. Mit einem kräftigen Schlag auf den Buchdeckel springen die Schließen auf und das Werk bietet dem geneigten Leser seinen Inhalt an. Viele der Besucher gaben erstaunt zu, dass sie das bisher nicht gewusst hätten.
Ebenso überraschte Claudia Viel anhand eines Lutherbuchs aus dem Jahr 1663 ihre Zuhörer mit der Herkunft des Ausdrucks „bis die Schwarte kracht“. Jeder kennt den Ausdruck und meint darin die Bedeutung für exzessive Tätigkeiten zu erkennen, aber nur die wenigsten wissen, dass die „Schwarte“ den früher mit Schweinsleder eingebundenen Buchrücken bezeichnet, der bei übermäßiger Nutzung „kracht“ und kaputt geht. Passend zum Tag des Denkmals lassen sich auch diese Redewendungen als Denkmäler der deutschen Sprache einordnen, da auch sie Zeugnisse unserer früheren Kultur sind und spannende Kulturgeschichte erzählen.
Das Handwerk der Buchbinderei wird leider immer weniger nachgefragt, was den zahlenmäßigen Rückgang der aktiven Buchbinder erklärt. Gegenwärtig gibt es nur noch ca. 1.200 Handwerksbetriebe in Deutschland. Davon arbeiten höchsten zehn Buchbindereien im Großraum Frankfurt. Den Großteil der Aufträge vergeben Museen, Antiquariate und Rechtsanwaltssozietäten. Aber immer häufiger bestellten auch Privatleute besonders ausgefallene Buchexemplare für außergewöhnliche Ereignisse wie beispielsweise Hochzeiten, beschreibt Claudia Viel ihr abwechslungsreiches Aufgabengebiet, zu dem auch moderne Einbände für die Hotel- broschüren oder Zimmermappen der Hotelkette „25hours“ gehörten.
„Wir gestalten Bücher jeglicher Facetten“, erläutert die Buchbinderin ihr vielfältiges Angebotsspektrum getreu dem Motto ihres Mentors, Helmuth Halbach, dessen Credo lautete: „Die Dinge sollen gefallen. Die Haptik soll stimmen!“