Königstein – Zwei Einakter brachte die Theater-AG des Taunusgymnasiums bei ihrem jüngsten Projekt auf die Bühne des Theatersaals: die Jugendtheaterstücke „Die Luft ist raus!“ von Thomas Gehring und „Creeps“ von Lutz Hübner. Ersteres spielt im Sportlermilieu. Die Aktivitäten der Frauenfußballtruppe der Spielvereinigung – in der Inszenierung von Corinna Spatz-Moritz und Wolfram Holdt heißt sie TGK 1890 – stehen unter keinem guten Stern. Ein Spiel steht unmittelbar bevor, aber noch sind nicht alle Spielerinnen anwesend. Ein Streit zwischen der Spielführerin, Toni, und der Topstürmerin, Bea, schwelt vor sich hin. Mit der Nachricht, dass jemand Trikots beschädigt und die beiden Spielbälle zerstochen hat, ist aus der Sicht der Spielführerin, die schon mal tüchtig die Meisterschaft vorgefeiert hat, der Schuldige schnell ausgemacht. Mit fadenscheinigen Argumenten und konstruierten Beweisen versucht sie in einer Art Gerichtsverhandlung, in deren Verlauf allerdings immer klarer wird, wer der tatsächliche Übeltäter ist, die Topstürmerin aus der Mannschaft zu kicken. Unvermittelt taucht der Trainer auf und ergreift Partei – leider für die Falsche. Durch einen verlorenen Schuh kommt schließlich die Wahrheit ans Tageslicht: Toni ist die eigentlich Schuldige – und schlagartig ist alles ganz anders: Plötzlich sind alle auf Beas Seite. Niklas Kuchenbrandt (Doppelbesetzung mit Alexander Gallus), Karoline-Sophie Klenke, Lisa Engel, Tara Urbach (Doppelbesetzung mit Veronica Lee), Laura-Maria Loch, Tessa Klein, Natalie Saloch, Isabelle Gallus und Marlene Winkler waren die Akteure im Frauenfußball des „TGK 1898“.
Eine ähnliche Wendung vollzieht sich in Lutz Hübners Stück „Creeps“. Lilly, Maren und Petra trudeln nacheinander in einem mit Sitzgruppe und Hausbar wohnlich eingerichteten Warteraum eines Studios ein. Den Hintergrund dominiert der knallig-pinke Graffiti-Schriftzug „Creeps“. Die drei jungen Damen verbindet, dass jede von ihnen glaubt, mit ihrer Video-Bewerbung einen Moderatoren-Superjob bei einer „Trendfashionmusicshow“ namens „Creeps“ ergattert zu haben. Allmählich erst stellt sich heraus, dass dies offenbar ein Irrtum ist und sie sich in Wirklichkeit noch in der letzten Casting-Runde befinden.
Es kommt, wie es kommen muss, wenn drei Konkurrentinnen sich auf engstem Raum für denselben Job profilieren müssen: Der Zickenkrieg lässt nicht lange auf sich warten. Der nur als Lautsprecherstimme („Offvoice“) präsente, in jugendsprachliche Anglizismen geradezu verliebte Regisseur lässt die drei zudem in jeder Hinsicht „vortanzen“, hetzt sie buchstäblich gegeneinander auf. Die Fassade bröckelt, der Konkurrenzkampf eskaliert – bis klar wird, dass ohne Wissen der Bewerberinnen während der gerade entstandenen Probeaufnahmen bereits die notwendigen Elemente für die Produktion eines Trailers entnommen wurden. Plötzlich dämmert den drei jungen Damen, dass man sie hinters Licht geführt und ausgenutzt hat. Die spalterischen Energien sind enttarnt und – was zuvor niemand gedacht hätte – man verträgt sich.
Großartig gelang in der Inszenierung von Corinna Spatz-Moritz und Wolfram Holdt die Charakterisierung der drei Konkurrentinnen. Verblüffend authentisch verkörperte Julia Menigat die Rolle der Lilly, der aggressiven Zicke aus gutem Hause – an Dreistigkeit, affektiertem Gehabe, Arroganz und Besserwisserei wohl kaum zu übertreffen. Eindrucksvoll spielte Gina Linnert die ökologisch engagierte Maren, die „etwas bewegen“ will, allerdings in der Schule gescheitert ist und glaubt, sich im Falle eines Misserfolgs zu Hause nicht mehr blicken lassen zu können – weil Mami schon allen erzählt hat, dass ihre Tochter bald ein Fernsehstar ist. Die aus „K.-M.-Stadt“ stammende Petra weiß nicht so recht, wie sie sich geben soll, als der Regisseur von ihr verlangt, mal so richtig „die Sau rauszulassen“ – in ihrer Heimat gebe es keine Gelegenheit dazu, dort gehe man beizeiten schlafen. In der Zurückhaltung dieses schlichten, aufrichtigen Charakters gelang Jasmin Seimetz eine anspruchsvolle darstellerische Leistung. Nicht zuletzt freilich war es die gleichsam faunesk timbrierte „Offvoice“ Wolfram Holdts, die dem unsichtbaren Regie-Erlkönig etwas nur scheinbar Freundliches, eigentlich aber eher beklemmend Bedrohliches verlieh, das den Druck auf die Casting-Opfer immer weiter steigerte. Hier erlebte man eine wirkungsvolle dramaturgische Annäherung an den Titel des Stücks, „Creeps“, im Englischen ein umgangssprachlicher Ausdruck für widerliche Menschen. Der begeisterte Applaus bei der Premiere galt neben den brillanten schauspielerischen Leistungen sicher auch der Inspizienz (Amina Zorgani) und der Technik (Jan Berg, Dennis Botta, Arno Schulze), die einen erheblichen Teil zum Gelingen des Abends beitrugen.
Weitere Aufführungen folgen am Donnerstag, 20., und Freitag, 21. November, jeweils um 19.30 Uhr im Theatersaal des Taunusgymnasiums.