Königstein (aks) – Um es vorweg zu sagen: Sabine Fischmann ist eine Vollblutkünstlerin, die singen kann wie eine Diva, tanzen wie ein Derwisch, Klavier spielen, wie eine Konzertpianistin und Melodica flöten wie eine Eins. Sie kann lachen und schluchzen, mit den Augen rollen und grinsen, dass es eine wahre Freude ist. Die Zuschauer in der Werkstatt der Firma Haub, einem Familienbetrieb für Dachabdeckungen in der 4. Generation seit 1902 in Königstein ansässig, sind vom ersten Augenblick ihres Auftritts begeistert. Auf der schwarz verhangenen Bühne zwischen Ziegeln und Dämmmaterial und allerlei Maschinen herrscht eine ganz besondere Atmosphäre – Industriekultur im wahrsten Sinne. „Geben Sie acht!“ heißt das höchst unterhaltsame Programm, bei dem Sabine Fischmann und Markus Neumeyer alle Herzen zufliegen. Auf die üblichen Chansons hätte sie keine Lust gehabt, sagt die gelernte Chansonsängerin, deshalb hätten sie Georg Kreislers Kompositionen, mit seinen „bitterbösen“ Liedern und „schönen Melodien“, ausgesucht. Im Geiste dabei ist auch die im Mai verstorbene Maria Mucke, die berühmte Sängerin und Fischmanns Lehrerin in Frankfurt. Bei ihrem Lied „LaLeLu“ kullert so manche Träne ....
Wieso macht Ihr das eigentlich?
Obwohl sie schon fast alles ausprobiert hat, hätte sie in einer Werkstatt noch nie gespielt, schmunzelt sie: „Wieso macht Ihr das eigentlich?“ Die Frage gilt Almut Boller und Rainer Kowald von der Kulturgesellschaft Königstein, die jeden Sommer die Haubsche Werkstatt mit Kultur füllen – und nicht nur die. Das gute Niveau hat sich bei den Königsteinern herumgesprochen und so ist auch am Freitagabend die Halle voll besetzt. Voller Vorfreude und begeistertem Applaus wird die bekannte Gesangskünstlerin Sabine Fischmann aus Frankfurt mit ihrem Partner am Klavier Markus Neumeyer, seines Zeichens Diplom-Kapellmeister, willkommen geheißen. Als Trio mit Michael Quast werden sie demnächst in Höchst zu sehen sein.
Beim ersten Thema „Im Theater ist nichts los“ trällert die Fischmann in vielen Dialekten, auf Wienerisch mit dem „Mascherl im Tascherl“, auf Pariserisch à la Edith Piaf, auch auf Ungarisch „Denk ich an Gulasch in der Nacht“, kokett und verführerisch, immer mit der bangen Frage beim Vorsprechen vor dem „Herrn Direktor“, „welche Masche denn jetzt?“. Und heftig berlinernd endet ihre Attacke auf den Theaterbetrieb: „Lass den Schmäh von eh und je ..… vielleicht ist das Kabarett besser“. Sie hat die Liebe im Koffer und der ist in Berlin. Denn: „In Berlin spricht man nur von Berlin“. Fischmann schöpft aus dem Vollen. Ihre Stimme schafft fast das hohe C und so schmettert sie Evergreens aus dem Opernrepertoire ebenso leidenschaftlich wie ihre Balladen zu Lola Blau, Kreislers Geschichte vom tragischen Ende einer Künstlerin, oder die von Friedrich Holländer, der von der Liebe einer „zersägten Jungfrau“ zu „ihrem“ Zauberkünstler handelt: „Er kam, sah und sägte“. Sie schmettert die Habanera ebenso klangrein wie den Czardas von Monti, dabei juchzt sie, stampft mit den Füßen, wiegt sich zur Melodie. Da bleibt schon nach kurzer Zeit kein Auge trocken. Jiddisch kann sie auch: ihr Vortrag über ein „herrliches Weib, das sonst leider nichts kann, nicht kochen, nicht lesen, nicht schreiben und leider auch nicht denken“ ist wirklich herrlich „meschugge“. Dann rechnet sie mit den Männern ab: „Die Wahrheit vertragen sie nicht!“, wollten die Männer doch immer nur als Held gefeiert werden. Dabei ginge es ihnen an den Kragen, denn „das viele Lügen bringt kein Vergnügen.“
Solo
Ihr Partner Markus Neumeyer verlässt daraufhin beleidigt die Bühne. Sie hat schon damit gerechnet, will sich in der Pause wieder mit ihm versöhnen und unterhält nun – allein am Klavier – in einer umwerfenden Solopartie mit ihrer selbst komponierten Kurz-Oper. Jetzt gibt es kein Halten mehr, Fischmann greift nach den Sternen der Opernwelt, die doch so recht „keiner versteht“. Sie klimpert das Leitmotiv der Zauberflöte, „Versteht doch keiner warum Pamina Tamino liebt!“, und auch nicht das tragische Ende von Romeo und Julia. Faust hätte Margarete lieber mal ins Kino eingeladen, und warum bitteschön liebt Carmen den José, den „blöden Kerl“ und Aida ist ein „Sklavengirl“? Sie begleitet sich selbst am Klavier, und singt voller Lust die Kurzmelodien bekannter Opern. Sie hat kurzentschlossen eine eigene „logische Oper“ komponiert in drei Akten, die nach gefühlten fünf Minuten schon wieder vorbei ist. Sie zündet ein Feuerwerk in verteilten Rollen, Ritter und Ritterinnen, die lieben und sterben, so die Kurzversion. Sie singt alles von Sopran bis Bass, sogar das Pausengeplänkel bekommt sie lebhaft hin, auf dem Klavier wilde und laute Fingerspiele - und dann ist alles vorbei. Sie wundert sich allerdings doch, dass ihre Oper nirgendwo gespielt wird. Was für ein Spaß!
Nach der Pause träumt sie – wieder vereint mit Markus Neumeyer, der nicht nur großartig Klavier spielt, sondern auch selbst singt, von einem „Neandertaler“ mit seiner hinreißenden Männlichkeit. Ob er nicht zu dumm sei? „Hinter mancher Denkerstirn ist doch oft ein Vakuum“, Sabine Fischmann grinst verschmitzt.
Ihr Herz hängt an Maria Mucke, ihre große Lehrerin in Frankfurt, wo an der Hochschule für Musik und Darstellende Kunst, das Fach Chansongesang eigens für Sabine Fischmann geschaffen wurde. Die Erinnerung und die Wehmut holen Fischmann ein und sie erzählt von der alten Dame, die ihr für ihren Lebensweg folgenden Rat gab: „Bleib immer zehn Zentimeter über dem Boden und leg ab und zu einen richtigen Heulabend ein!“ Beim anschließenden Liebeslied, das viele unter den Zuschauern noch von der Grande Dame selbst kennen, kämpft nicht nur die Sängerin mit den Tränen. Die „Polterabendsinfonie“, die sie anschließend zum Besten gibt, zur Musik der Nussknackersuite von Tschaikowsky, und die sie für ihren Abschlussabend an der Hochschule komponiert hat, sorgt ganz schnell für Heiterkeit und herzhafte Lachsalven im Saal. Fischmann parodiert ihre fünf Ehemänner, der eine verteilt immer nur „Butzili“, der andere pfeift und einer lacht immer wie ein Kind – kurzum: allen Männern ist das Lachen vergangen. Das Publikum klatscht amüsiert Beifall. Die Künstlerin, die vor praller Spielfreude nur so strotzt, legt noch einen Zahn zu und gibt „Stroganoff“ zum Besten mit russischem Akzent und wirbelnden Tanzeinlagen – das ist wirklich zum Brüllen komisch, auch wenn man danach durch allzu viel russische Derbheit das berühmte Fleischgericht mit saurer Sahne wegen zu viel Gemetzels statt Geschnetzeltem von der Liste der persönlichen Lieblingsgerichte streicht, wie Fischmann schon vorher warnte.
Der grell schillernde Abend endet besinnlich mit „LaLeLu“ und alle singen mit. Bravo Fischmann und Neumeyer! Bravo Kulturgesellschaft Königstein! Solche Programme mit großartigen Künstlern sind wirklich einen Ausflug in die Welt des Theaters wert, ob nun in der Werkstatt oder in Burgruinen.
Das Duo Markus Neumeyer und Sabine Fischmann sorgten für pralle Unterhaltung in der Haubschen Werkstatt.
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Sura