Virtuelle Welt mit emotionalem Zugang

Dr. Kai-Michael Sprenger (v. li.), Magdalena Zeller, Dr. Ulrich Adolphs, Prof. Dr. Andreas Fahrmeir und Karl Weber diskutierten über die Orte deutscher Demokratiegeschichte, wie die Festung Königstein einer ist.

Königstein – Die fünfte Königsteiner Soiree des Königsteiner Vereins Terra Incognita stand unter dem Motto „Nation – Demokratiegeschichte – Königstein – RheinMain“. Diesem anspruchsvollen und nur scheinbar theoretischem Thema waren doch knapp 50 Zuhörer in das Auktionshaus Königstein am vergangenen Donnerstag gefolgt. Dort sahen sie sich einer illustren Runde an Diskutanten gegenüber: Dr. Ulrich Adolphs vom Hessischen Ministerium für Wissenschaft und Kunst, Prof. Dr. Andreas Fahrmeir, Inhaber des Lehrstuhls für Neuere Geschichte an der Goethe-Universität Frankfurt, Dr. Kai-Michael Sprenger vom Rheinland-Pfälzischen Ministerium für Wissenschaft, Weiterbildung und Kultur und Karl Weber, Direktor der Staatlichen Verwaltung hessischer Schlösser und Gärten vertraten sozusagen ihre Bundesländer. Magdalena Zeller saß für die KulturRegion FrankfurtRheinMain in der Runde, dort zuständig für das Projekt „Geist der Freiheit – Freiheit des Geistes“.

Christoph Schlott als Moderator der Expertenrunde berichtete zunächst über die Entwicklung des Projektes „Festung Königstein – Ort europäischer Demokratiegeschichte“, das im Rahmen des Königsteiner Neujahrskonzertes Ende Januar 2016 begonnen hatte, sich also diese Tage zum ersten Mal jährt. Seine Bilanz lautete nüchtern: Zwei Konzerte zum Thema, zwei Königsteiner Soireen, drei handfeste Publikationen, ein Info-Flyer für die Königsteiner Bürger, eine süße „Königsteiner Demokratensohle 1793“, gemeinsam kreiert mit dem Café Kreiner und ein Kuratorium kompetenter Mitstreiter aus Königsteiner Vereinen und Parteien: „Dabei greifen wir eigentlich nur auf, was die Stadt selbst schon vor mehr als 20 Jahren auf der Burg hat in Bronze gießen lassen“, betonte Schlott. Dort wiederum steht geschrieben, dass es sich bei der Festung um das „Gefängnis der Mainzer Demokraten“ handelt.

Im Verlauf der Diskussion mit Dr. Kai-Michael Sprenger wurde klar, dass auch das Land Rheinland-Pfalz in Zukunft seine rheinische Demokratie mit der Geschichte der „Mainzer Republik“ mehr in den Mittelpunkt rücken will: „Wir richten schließlich für die Bundesrepublik in diesem Jahr den ‚Tag der Deutschen Einheit‘ aus“, meinte Dr. Sprenger: „Da ist es klar, dass der erste Demokratieversuch der deutschen Geschichte eine Rolle spielen wird.“ Einig waren sich Schlott und Dr. Sprenger auch darüber, dass die rheinische Demokratie als „historischer Vorgang“ sicherlich nicht in Königstein stattfand, sondern westlich des Rheins.

Mit der Festung Königstein habe man aber das „Gefängnis der ersten Demokraten“ als beeindruckende Kulisse und damit als emotional und faktisch hoch attraktiven Einstieg in das Thema, betonte vor allem Karl Weber von der Verwaltung hessischer Schlösser und Gärten: „Sie haben da etwas ganz Besonderes und Einzigartiges, das auch nach einer neuen Form der Vermittlung ruft“, ergänzte Weber und spielte damit Schlotts Ankündigung einer ersten Demo-Version einer „Königstein-App“ in die Hände: Am 26. Januar, so Schlott, werde im Rahmen des Empfangs ab 18 Uhr vor dem „Königsteiner Neujahrskonzert“, diese App vorgestellt: „Und dann steigen wir mit einem 80-Mann-Orchester in ein Demokratiekonzert ein“, vermeldete er sichtlich mit Stolz. „Königstein ist ein fester Punkt auf unserer Landkarte des Projektes ‚Geist der Freiheit‘“, erklärte Magdalena Zeller von der KulturRegion: „Schauen Sie in unsere Publikationen.“ Mit dem für Ende 2017 geplanten neuen Themenschwerpunkt „Presse- und Meinungsfreiheit“ liegt die KulturRegion genau auf der Linie des Königsteiner Projektes: „Hier können wir bestimmt Gemeinsames entwickeln“.

Konkrete finanzielle Zusagen zur Unterstützung des Königsteiner Projektes kamen aus der Runde zwar nicht, waren vom veranstaltenden Verein Terra Incognita e.V. aber offenbar auch nicht erwartet worden. Moralische Unterstützung bzw. die Bestätigung der Chancen, die sich damit für Königstein auftun, konnte man den Ausführungen der fünf Podiumsteilnehmer aber sehr wohl entnehmen.

„Natürlich ist aufgrund der förderalen Struktur Deutschlands ein solches Projekt nur sehr schwer auf den Weg zu bringen“, meinte Schlott: „Das hat ja auch das Netzwerktreffen der demokratiehistorischen Institutionen und Vertreter von Stiftungen und Kommunen im Herbst auf dem Hambacher Schloss gezeigt, an dem wir teilgenommen haben.“ Dennoch habe Königstein nicht nur mit der Festung, sondern auch mit dem Thema „Villa Rothschild/Haus der Länder 1948/49 eine bemerkenswert gute Chance, sich in Deutschland mit einem höchst attraktiven und der Wertediskussion in Europa verpflichteten Image zu positionieren: „Welche Stätten in Deutschland haben schon zwei Eckdaten in ihrer Geschichte, die mit der Demokratie unserer Nation zu tun haben?“ fragte Schlott in die Runde. Bezüge aus dem historischen Faktum in die Fragen und Probleme unseres Demokratie-Alltags heute betonte vor allem noch einmal Karl Weber: „Königstein könnte der Ort sein, an dem man den Wert von Demokratie erklärt und über das rein Geschichtliche hinaus bewusst macht, was verloren gehen könnte.“ „Ich glaube, wir können mit diesen Soireen neue Verbindungen schaffen“, resumierte Schlott: „Unser nächstes Ziel heißt nun: Die Erstellung eines Entwicklungskonzeptes für unser Vorhaben“.



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