Weihnachtsgeschichte als Brücke zwischen den Menschen

Weihnachten fühlt sich in diesem Jahr anders an. Das Fest fällt in eine Zeit großer politischer Spannungen. Der schreckliche Krieg in Syrien, die anhaltende islamistische Gewalt in Afghanistan und unmenschliche Verhältnisse in Somalia und Eritrea haben unzählige Menschen zu Flüchtlingen gemacht. Ihr Schicksal war in diesem Jahr für uns das vorherrschende Thema. Auch in Königstein beschäftigt viele Menschen, was aus den Flüchtlingen wird, wie sie integriert werden können und welche Aussichten es für ein gutes Zusammenleben mit ihnen gibt.

Wie passen diese ernsten Fragen, unsere Bemühungen um das Gelingen der Integration und die Befürchtungen, die Stimmung könne sich in Richtung Abschottung und Fremdenfeindlichkeit negativ wandeln, zu Weihnachten? Hat das christliche Weihnachtsfest überhaupt etwas zu tun mit dem Schicksal der überwiegend muslimischen Flüchtlinge, die jetzt bei uns leben?

Gewiss: Man kann Weihnachten verstehen als ein Fest mit gemütlicher Atmosphäre, Festessen und Geschenken. Das bedeutet jedoch, die biblische Ursprungsgeschichte dieses wunderschönen Festes zu übergehen. Wer sich für sie interessiert, stößt auf überraschend aktuelle Verbindungen zwischen dem Weihnachtsevangelium nach Lukas (Kapitel 2) und unserer Gegenwart.

Es beginnt damit, dass die große Weltpolitik des römischen Kaisers Augustus ein junges Paar in Judäa kurz vor der Geburt des ersten Kindes zum Aufbruch zwingt: Maria und Josef müssen von Nazareth nach Bethlehem ziehen, um sich registrieren zu lassen. Auch die meisten unserer Flüchtlinge haben sich keineswegs freiwillig auf die beschwerliche Reise nach Europa gemacht, veranlasst durch politische Entwicklungen, auf die sie meist keinen Einfluss hatten.

Die Herbergssuche in Bethlehem endet in einem Stall. Ein Stall ist besser als gar nichts! Eine Turnhalle, ja sogar ein beheiztes Zelt, ist besser als unter freiem Himmel kampieren zu müssen! Die biblische Krippe, die als Wiege für das Jesuskind dienen muss: Ein sprechendes Symbol für das Provisorium, mit dem viele Flüchtlinge und Helfer vorerst vorlieb nehmen müssen. Die Helfer wünschen zwar jedem Flüchtling eine menschenwürdige Bleibe, aber manchmal hilft nur der Kompromiss, die vorläufige Übergangslösung.

Doch in der Weihnachtsgeschichte steckt noch mehr. Sie spricht ja von Gott, der in Jesus Mensch wird und bei uns Menschen wohnen und leben will. Darum erzählt das Weihnachtsevangelium, dass sich einfache Hirten aus der Nähe und scharfsinnige Sterndeuter aus dem Orient gleichermaßen an der Krippe einfinden und dort etwas Neues, Überwältigendes entdecken. In der Nähe des Jesuskindes wird die Dunkelheit hell, die großen sozialen Unterschiede verlieren ihr Gewicht, Himmel und Erde sind in Einklang miteinander. Man könnte sagen: Das Leben gewinnt Glanz und Tiefe, die nicht menschengemacht sind.

Wenn man sie so versteht und wenn man sie sich zu Herzen nimmt, kann die Weihnachtsgeschichte in diesem Jahr zur Überwindung unserer Sorgen um die Integration der Flüchtlinge beitragen. Sie soll uns helfen, die Veränderungen in unserer Welt und unserem Land mutig anzunehmen und menschenfreundlich zu gestalten. Und sie möge uns zeigen, dass wir im Trubel der Festtage selbst innerlich einen guten Platz an der Krippe Jesu finden können um Licht, Klarheit und Wärme in uns aufzunehmen.

Allen Leserinnen und Lesern der Königsteiner Woche wünschen wir ein gesegnetes und erfülltes Weihnachtsfest!

Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer

und Pfarrer Dr. Neuschäfer



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