Zauberhaftes Flattern mit Happy-End

Schlussbild mit Blumen: Erschöpft und glücklich nach der wunderschönen Aufführung des Schwanensee: Andreea Radu (v. li.) als Zauberer, Louisa Keck als weißer und Zwillingsschwester Sarah Keck als schwarzer Schwan und Cornel Bercea als Prinz Siegfried.

Foto: Sura

Königstein (aks) – Der große Andrang im Haus der Begegnung am späten Samstagnachmittag kündigte eine besondere Vorstellung an: Das Ballett „Schwanensee“, getanzt von Schülerinnen und Schülern der Ballettschule Königstein, nach der Musik von Tschaikowski, uraufgeführt vom Bolschoi-Theater in Moskau 1877. Im ausverkauften großen Saal des HdB fieberten viele Eltern, Geschwister, Freunde, Verwandte, Ballettfans und Gäste von nah und fern dem Ereignis entgegen – noch aufgeregter als die 183 Tänzerinnen und Tänzer selbst. Schon bevor die Gäste alle da waren, herrschte in der Lobby aufgeregtes Treiben. Wunderschöne achtjährige Prinzessinnen plapperten aufgeregt, Hofdamen posierten mit ihrer Königin fürs Gruppenfoto und entzückende kleine „Schwäne“ mit weißen Tütüs wurden kurz vor der Vorstellung von ihren Müttern in den Gemeinschaftsraum geführt.

Da die Kleinsten erst drei Jahre alt sind, standen die Leiterin der Königsteiner Ballettschule und ehemalige Solistinnen der Staatsoper Temeswar (Rumänien), Andreea Radu und ihr Kollege Cornel Bercea vor der Herausforderung, dieses technisch und künstlerisch sehr anspruchsvolle Ballett für ihre Elevinnen und Eleven choreografisch und musikalisch so umzusetzen, so dass alle Darsteller nach ihren jeweiligen tänzerischen Möglichkeiten in Szene gesetzt werden konnten. 

Als der Vorhang aufging, war schnell klar: Was zählte, war die Freude am Tanz, auch wenn es manche kleine Elevin dann doch große Überwindung kostete, die Bühne mit sicheren Schritten zu betreten und jedes Detail der Choreografie umzusetzen. Das Lampenfieber war zu spüren. Doch souveränen Schrittes beeindruckten zunächst die Hofdamen des Damenballetts, angeführt von der königlich agierenden Katja Diel, die huldvoll Hof hielt anlässlich des Geburtstags des Prinzen Siegfried, getanzt von Cornel Bercea.

Die facettenreiche Musik Tschaikowskis mit folkloristischen, rhythmischen Elementen, unterbrochen vom Leitmotiv, das bei aller Unbeschwertheit und festlicher Ausgelassenheit vor dem tragischen Ende warnt, war die feierliche Untermalung dieses besonderen Wiegenfestes. Es tippelten und tänzelten viele kleine Füße herbei, um Geburtstag zu feiern: viele, viele Freunde kamen in den buntesten Farben und prächtigsten Gewändern, polnische, spanische und neapolitanische Prinzessinnen mit Tambourin, kleine und große Gäste in glitzernden Gewändern in Pink, Rot, Gelb und Pfirsichfarben, mit hochgesteckten Haaren – ein Augenschmaus, auch wenn ab und zu ein glitzerndes Kämmchen aus den Haaren fiel und sich die Federn aus der Boa lösten. Sogar ein paar Hip-Hop-Girlies hatten sich aufs Fest verirrt und legten eine coole Nummer aufs Parkett! Die Überraschung war gelungen, weiter ging es klassisch mit dem russischen Komponisten.

Traumhaft schön die weißen Schwäne, verzauberte Mädchen, um die es in diesem getanzten Märchen ja eigentlich geht. Einfach entzückend die Kleinsten in weißem Tütü und einem weiß gefederten Haarkranz. Auf der Bühne wussten sie dann manchmal nicht weiter und winkten fröhlich den Eltern im Publikum zu. Dafür brillierte umso mehr Odette, der weiße Schwan, anmutig und herausragend getanzt von Louisa Keck: Jedes Piqueé saß, die Arabesques traumhaft schön und ihre Posen voller Grazie. An ihrer Seite Prinz Siegfried alias Cornel Bercea, ihr Lehrer und ehemals Solotänzer an der Staatsoper Temeswar, der ihr zu sicheren Drehungen und vielen gelungenen Posen und Liftings verhalf. Welch schönes Paar! Doch das Glück ist ihnen nur kurz vergönnt, denn der Zauberer Rothbart, sehr ausdrucksstark und technisch perfekt getanzt von Andreea Radu, will den Prinzen mit seinem Geschöpf, den schwarzen Schwan verheiraten. Odile muss ihre ganze Verführungskunst im berühmten und fast im Original getanzten Entreé des schwarzen Schwans sowie im anschließenden technisch sehr anspruchsvollen Pas-de-deux beweisen. Und das gelingt Sarah Keck brillant. Ihr Auftritt ist voller Anmut und – wie es die Rolle des bösen Schwans verlangt – auch aggressiv, listig und verführerisch, um ihrer weißen Rivalin den Prinzen abspenstig zu machen. Auch hier ist Bercea der Partner, der sie hält und trägt. Die Rolle des weißen und des schwarzen Schwans wird im klassischen Ballett von ein und derselben Ballerina getanzt und erfordert Höchstleisung, da zwei Charaktere (gut und listig) in größter Schönheit völlig unterschiedlich getanzt werden. Was für ein Glück, dass die Ballettschule die hochbegabten Zwillinge Louisa und Sarah Keck zu ihren Schülerinnen zählt. So war schnell die Idee geboren, diese Rolle für eine Ballerina an diese zwei fast bis aufs Haar ähnlichen, gerade 14 Jahre alt gewordenen Elevinnen zu übertragen. Ihnen gebührte ein Extra-Applaus, so bezaubernd und von höchster Anmut war ihr Auftritt. In der finalen Szene gibt es ein Happy-End am Schwanensee und so kann Odette durch die wahre Liebe Siegfrieds von ihrem Zauber erlöst werden. Wahrlich verzaubernd waren die Szenen am See mit den vielen kleinen und großen Schwänen. Beim „Tanz der kleinen Schwäne“ (Pas-de-Quatre) – hier die großen Schwäne, die kleinen waren zu klein! – ging einem das Herz auf. So waren die fünf Tänzerinnen, die ihr Bestes gaben, zwar nicht immer synchron, aber voller Freude über ihren Tanz. Der Funke sprang über und so genoss das Publikum diese mitreißende Musik ebenso sehr wie die sorglose Fröhlichkeit der vielen Ballerinas. Mit Cornel standen auch vier männliche Tänzer, unter anderem der kleine Sohn von Andreea Radu, David, auf der Bühne, denen ein extra-großes Lob gebührte, schließlich mussten sie teilweise Schwerstarbeit leisten und die Ballerinas drehen und wenden und sogar auf Händen tragen. Cornel Bercea, der Profi-Tänzer, leistete hier großen Einsatz, seine Mimik war so voller Sehnsucht, wie man es von einem liebenden Prinzen erwartet. Besonders anrührend war die Szene, als er einen der kleinen Schwäne (eine sechsjähriges Mädchen) hoch in die Luft hob. Das kleine Mädchen hielt ganz still und hatte Hände und Füße so graziös gestreckt – dass einem die Tränen kamen vor Rührung! Stimmung und Frohsinn dagegen verbreitete der Harlekin als Unterhaltungs-Joker, leuchtend in Schwarz-Gelb gekleidet, alias Marie-Pierre Minten, die nicht nur Grimassen schnitt und ausdrucksstark tanzte, sondern auch mehrmals ein Rad schlug und das Publikum damit erstaunte und entzückte.

Sie wies den vielen Kleinen, die manchmal auf der Bühne die Orientierung verloren, den richtigen Weg und verbreitete viel Unbeschwertheit. Ihr Auftritt gehörte zu den Höhepunkten und es sei noch angemerkt, dass die Abiturientin am Montag eine schriftliche Abi-Prüfung zu absolvieren hatte und sogar hinter der Bühne ab und zu einen kurzen Blick in ihre Bücher warf. Andreea Radu gab nicht nur als Zauberer Rothbart alles – es war eine Wonne, der früheren Primaballerina zuzusehen –, sondern hatte auch hinter der Bühne mit ihren vielen kleinen Schwanenküken und glitzernden Prinzessinnen alle Hände voll zu tun. Den zahlreichen Tänzern und der ambitionierten Radu hätte man eine größere Bühne als die des HdB gewünscht sowie die technischen Möglichkeiten für ein Bühnenbild. Der wenige Platz musste noch mit dem Konzertflügel des HdB geteilt werden, der in einer Ecke stand.

Ein großes Dankeschön sprach zum Schluss die Moderatorin Sabine Single allen Müttern und Helfern aus, ohne deren Einsatz der berühmt-berüchtigte Sack mit vielen bunten Flöhen wohl nicht zu hüten gewesen wäre. Alle großen und kleinen Mitwirkenden hatten über Monate für diesen Auftritt geprobt. Am Samstag mussten dann alle noch in Windeseile geschminkt und frisiert werden – eine großartige Leistung aller Beteiligten, die der Initiative und der grenzenlosen Energie der Inhaberin der Ballettschule zu verdanken ist, die man in jeder Probe immer als ruhig und konzentriert erlebte. Das muss wahre Liebe für den Tanz sein – und für die Kinder!



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