Mammolshain (pit) – Kastanie ist nicht gleich Kastanie. Und Rosskastanie hat mit Edelkastanie schon mal überhaupt nichts zu tun! Die sind noch nicht einmal verwandt miteinander. Karl-Friedrich Reimer von der AG Edelkastanien vom Obst- und Gartenbauverein in Mammolshain wusste während einer entsprechenden Wanderung mit viel Wissenswertem rund um die Bäume und deren Früchte zu berichten, die dem Königsteiner Ortsteil den Spitznamen „Edelkastanien-Dorf“ eingebracht haben.
Denn Tatsache ist, dass die Edelkastanie ein Obstbaum ist – und zwar der am spätesten im Jahr blühende. Daher war die Edelkastanienblüten-Wanderung erst für Ende Juni angesetzt worden. Wie die Walnuss gehört sie zum Schalenobst mit einer festen äußeren und einer weicheren inneren Schale. Importiert wurde sie einst von den Römern und gedeiht am besten in Gegenden, die auch für Weinbau geeignet sind. „Hier im Taunus ist die Edelkastanie veredelt worden und es gab verschiedene Sorten“, berichtete Karl-Friedrich Reimer noch am Treffpunkt Kelterhalle den rund 20 versammelten Wanderern. Doch davon gebe es heute keine Aufzeichnungen mehr und daher ließen sich diese Züchtungen nicht mehr nachverfolgen. Erste schriftliche Erwähnungen dieser Bäume in Mammolshain existierten aus dem Jahr 1756.
Dann hieß es, sich auf den Weg zu begeben, der vom Startpunkt zur Wasserroll, dann am Friedhof vorüber zum Ginzig führen sollte, um dann weiter über den Ochsenweg durch die Ortsmitte, „Am Heideplacken“, Vorderstraße, Borngasse, „Im Kleinfeld“ und Badbachtal fortgesetzt zu werden. Immer wieder ein Zwischenstopp, um auf einzelne Bäume oder ganze Baumgruppen hinzuweisen und auch mal Geschichtliches zu erwähnen.
Zum Beispiel, dass die Blüte der Edelkastanie einhäusig ist und immer zwei dieser Bäume beeinander stehen müssen, damit die eine die andere befruchten kann. Aber auch, dass unter anderem dieser Spätblüher aus Mammolshain ein regelrechtes Honig-Paradies erzeugt habe, weswegen dort an vielen Stellen Bienenvölker leben.
Wie jeder andere Obstbaum auch muss die Edelkastanie regelmäßig beschnitten werden, damit sie gute Früchte trägt: „Die besten Kastanien kommen aus frischem Holz.“ Doch es gibt auch Probleme, wie die Stockfäule, die bei einem Baum am Wegesrand zugeschlagen haben könnte. „Im vergangenen Jahr war er voller Früchte, doch in diesem Jahr scheint gar nichts zu kommen“, so Reimer.
Viele der Freiflächen Mammolshains sind wohl in den 20er-Jahren des vergangenen Jahrhunderts entstanden. Damals, als es viele Arbeitslose gab, wurde ihnen zugesagt, dass sie die Flächen, die sie roden – und zwar mitsamt der Wurzeln – für den Anbau von Erdbeeren nutzen dürften, die wesentlich mehr einbrachten als die Esskastanien. Denn früher seien die Erträge von den Kastanien vor allem als „Brot der armen Leute“ bezeichnet worden.
Heute wiederum sei die Edelkastanie in der Forstwirtschaft sehr gefragt, da ihr Holz mehr einbringe als zum Beispiel das von Buche oder Eiche. Daher ist er als Waldbaum wieder häufiger zu sehen.
Am Badbach dann der Hinweis auf einen umgestürzten Baum und dessen Wurzelwerk: „Beim richtigen Boden entwickelt die Kastanie auch Tiefwurzeln, aber niemals Pfahlwurzeln.“ Rechter Hand lässt sich schließlich ein Prachtexemplar entdecken, das besonders groß und schön gewachsen ist. „Das ist der stärkste Baum auf unserer Gemarkung, den wir auf etwa 200 Jahre schätzen“, erläuterte Reimer. Daher ist die AG Edelkastanie bestrebt, ihn als Naturdenkmal schützen zu lassen. Wieder an der Kelterhalle angelangt, nutzten viele der Teilnehmer die Möglichkeit, sich bei Schmalzbroten, Apfelwein und -saft mit Karl-Friedrich Reimer, der auch gerne einige der Ziele der AG erläuterte, noch einmal zusammenzusetzen und sich über das Erfahrene auszutauschen: „Wir setzen uns für den Erhalt dieses Kulturlandschaftsbaums ein und möchten gerne alte Haine wiederherstellen.“ Wer auch einmal eine derart kundige Entdeckungstour erleben möchte, kann sich schon einmal den 28. September notieren. Dann begibt sich Karl-Friedrich Reimer um 14 Uhr mit lauffreudigen Teilnehmern auf die Wanderung zur Edelkastanienerntezeit.
Karl-Friedrich Reimer (links) führte Interessierte in die Geschichte der Kastanie ein, denn in Mammolshain stehen viele Prachtexemplare dieser Baumart.
Foto: Pfeifer