Vom Bauernmädchen zum Burgfräulein: Málva I. lebt den Traum

Entspannt vor dem großen Auftritt: Junker Paul, Hofdame Victoria, Burgfräulein Málva I. , Vater Larsjan van der Heijden und Hofdame Alessia (v.l.). Foto: Schramm

Königstein (as) – Die Familie van der Heijden besteht aus echten Vereinsmenschen. Mutter Ela gehört aktuell als Co-Sitzungspräsidentin zu den treibenden Kräften beim Königsteiner Narrenclub „Die Plaschis“, Vater Larsjan ist Teil der Historischen Festungsgarde Königstein und seit diesem Jahr sogar ihr Kommandeur. Und gemeinsam mit Sohn Paul, der auch in der MuShoBa des Fanfarencorps Königstein spielt, hat er vor ein paar Jahren den Eintracht Frankfurt-Fanclub EFC Taunus Allianz gegründet, der heute fast 50 Mitglieder hat.

Da verwundert es nicht, dass die Jüngste im Familienbund, Tochter Málva, auch eine ordentliche Vereinsvita hat. Mit zarten drei Jahren wurde sie Mitglied der Plaschis, tanzt heute in der großen Showtanzgruppe „Die Goldstücke“ und hat in diesem Jahr dem Vereinsleben der Familie im wahrsten Sinne die Krone aufgesetzt. Als Burgfräulein Ihre Lieblichkeit Málva I. wird die 21-Jährige an diesem Wochenende als Hoheit über Burg und Stadt die weltliche Macht über Königstein übernehmen – und es werden sehr viele Blicke auf sie gerichtet sein.

Daran hat sich die groß gewachsene junge Frau, die nur auf den ersten Blick zurückhaltend wirkt, bei ihren unzähligen Auftritten in den vergangenen sieben Monaten als Repräsentantin der Stadt längst gewöhnt. Bei der Inthronisierung im Januar sei sie noch „irre nervös“ gewesen, gibt sie zu. „Ich hatte Angst vor öffentlichen Reden, in der Schule hatte ich Referate nicht gerne.“ Doch offenbar verflog die Nervosität am Krönungstag bereits beim Betreten des Hauses der Begegnung, in diesem wunderschönen dunkelblaue Samtkleid, das ihr Mutter Ela auch vom Stil her förmlich auf den Leib geschneidert hatte – denn bereits der erste Auftritt als Málva I. gelang der neuen Hoheit äußerst eloquent, aber auch bescheiden, einfach souverän und würdevoll. Auch wenn sie sich selbst der Sache immer noch nicht so ganz sicher zu sein scheint …

Sicherheit geben ihr ihre beiden Hofdamen Victoria Meser aus Steinbach (mit Falkensteiner Großeltern) und Alessia Biebus, seit mehr als 15 Jahren eine enge Freundin der Familie van der Heijden, sowie ihre beiden Junker, ihr englischer Freund Nicholas „Nic“ Lohlein, der beim Pressetermin nicht dabei sein konnte, aber natürlich zum Burgfest kommt, sowie Bruder Paul. Der verzichtet als Dauerkarteninhaber für das Burgfest sogar auf den Bundesliga-Auftakt seiner SGE, was die Schwester – kein Fußballfan – dem fünf Jahre älteren Bruder hoch anrechnet.

Und meist – denn man weiß ja, dass das Burgfräulein nie unbewacht sein darf – sind auch der enge Kreis der Festungsgarde mit Vater Larsjan, Nachbar Stefan Kilb und Udo Weihe, manchmal auch einige Marketenderinnen und natürlich auch Mitglieder des Burgvereins an ihrer Seite. Nicht zu vergessen Mutter Ela, die bei Einladungen viel mit der Organisation abstimmt und dann auch die – oft nicht wenigen – Geschenke tragen darf. „Sie gibt uns Sicherheit“, lobt Alessia. Málva vergisst auch nicht die Ritter von Königstein und die Hohen Burgfrauen, die immer „sehr hilfreich sind und guten Input geben“. Ein Burgfräulein braucht schon seine Gefolgschaft … und die gründet auf dem Zusammenhalt der Königsteiner Vereine.

Mit Victoria verbindet sie der Kindheitstraum, Burgfräulein zu werden. „Vici und ich sind mit den Landfrauen mitgegangen und haben Bauernmädchenkleider bekommen“, erzählt Málva. „Es waren noch nicht Samtkleider, aber wir hatten es schon etwas im Kopf.“ Und Victoria ergänzt: „Wir wollten Burgfräulein und Hofdame werden“, wobei die Rollenverteilung von Anfang feststand, denn als Nicht-Königsteinerin hatte die zwei Jahre jüngere Victoria, die in diesem Jahr ihr Abi machte, das Nachsehen. Konkret wurde das Projekt im Corona-Jahr 2020, als Ela ihre Tochter beim Burgverein auf die Long List setzen ließ, doch nach der Schule ging es für die erstmal nach Japan und England, ehe es mit dem Zuschlag klappte.

„Málva ist ein tolles Burgfräulein“, sagt Victoria, deren nicht zu unterschätzende Hauptaufgabe darin besteht, die Krone auf dem Haupt ihrer Freundin zurechtzurücken, wenn diese doch mal verrutschen sollte. „In der Tat ist die Krone die größte Herausforderung, vor allem, damit ins Auto einzusteigen“, bestätigt Málva. Ihr „Autohimmel“ habe schon einige Kratzer abbekommen. Und Alessia, die einige Jahre älter ist und ihre Rolle sogar als „Sechser im Lotto“ sieht, bringt neben den „normalen“ Aufgaben einer Hofdame noch einmal eine ganz neue Kompetenz mit ein. Die Dolmetscherin für Gebärdensprache wird die Rede von Málva I. beim Burgfestempfang am Samstag (16 Uhr) auf dem Rathausvorplatz gebärden. Natürlich kenne keiner den Bedarf im Publikum, aber echte Barrierefreiheit fange damit an, dass sie angeboten werde und nicht erst angefordert werden müsse, so Alessia Biebus.

Viele Erlebnisse als Burgfräulein

Gemeinsam haben sie schon viel erlebt. Málva kommt aus dem Erzählen von den besonderen Erlebnissen gar nicht mehr heraus. Ganz besonders hat ihr das Blütenfest in Rosbach gefallen. „Es war super organisiert und das Publikum richtig interessiert“, sagt sie. Ein besonderes Erlebnis sei dort auch die Jux-Fahrt im freien Fall am Freefall-Tower im Samtkleid und zusammen mit allen anderen anwesenden Hoheiten der Region gewesen, deren Zusammenhalt untereinander im Übrigen „super“ sei. Auch bei diesem besonderen Kick blieb die Krone auf dem Haupt …

Ein Highlight in Königstein waren für das Burgfräulein der Spieletag „Kinder im Park“, wo Ihre Lieblichkeit eine „Station“ für die Kleinen war. „Die Kinder freuen sich einfach, wenn man als Burgfräulein da ist“, sagt Málva. Vermutlich vor allem die Mädchen, die so wie sie früher von einer ebensolchen glorreichen Zukunft träumen.

Auch das Ritterturnier fand sie „cool“, obwohl dort bei weitem nicht alles klappte. Sie konnte nicht hoch zu Ross in die Burg einreiten, wahrscheinlich habe sie die Württemberger Ritter einfach zu spät angeschrieben, meinte sie. „Ich bin ein Pferdemädchen, das wäre das Highlight gewesen“, sagt die 21-Jährige, die eine Reitbeteiligung im Hof Häusel in Eppstein hat. Und dann wurde sie mit ihrem Hofstaat beim zwischenzeitlichen Unwetter auch noch patschnass. Ein Wunder, dass das edle Kleid nicht schmutzig geworden ist. Nur eine offene Naht, durch die ein paar Perlen verloren gegangen sind, musste Mama Ela bisher nähen.

Und alle schwärmen noch immer von Kórnik und der Gastfreundschaft der Menschen aus Königsteins Partnerstadt beim „Fest der Weißen Dame“ im Juni. Für die Mitglieder des Hofstaats war es der erste Besuch in Polen überhaupt. „Wir haben dort in kurzer Zeit Beziehungen aufgebaut“, erzählt Larsjan. Und der Königsteiner Partnerschaftsverein freute sich im Nachgang auch über vier neue Mitglieder: die komplette Familie van der Heijden.

Und manchmal muss ein Burgfräulein auch ein bisschen leidensfähig sein. So war es beim Hessentag, als die erste Sommerhitzewelle das Land im Griff hatte. Drei Stunden habe der Umzug in den sehr warmen und schweren Roben gedauert und immer wieder gab es lange Standpausen in der prallen Sonne, wenn gerade wieder eine Tanzgruppe einen Auftritt hatte. Immerhin erhielt sie viele Nachrichten, dass sie ausführlich im HR-Fernsehen zu sehen war. Deswegen hat sie – eine Woche vor dem Burgfest bei wieder weit über 30 Grad – „ein bisschen Respekt vor dem Wetter“. Sie und der ganze Hofstaat wünschen sich 25 Grad, natürlich keinen Regen und eine frische Brise auf der Burg. So ähnlich mit ein paar Grad weniger sehen im Moment die Prognosen für das Wochenende aus. Es wäre ein Segen, auch für alle Besucher und vor allem die Macher im Burgverein, die im vergangenen Jahr so sehr vom Wetter gebeutelt worden waren.

Und dann heißt es für Málva einfach, das Burgfest richtig kennenzulernen – denn sie war durch Corona und Auslandszeiten seit vielen Jahren nicht mehr da – und es zu genießen. Es werde ein Treffen mit ganz vielen Freunden geben und sie möchte „präsent sein“, was so viel heißt wie mit dem Alkohol, der ihr permanent angeboten werden wird, vorsichtig zu sein. Und vor allem freut sie sich wie einst als Kind auf den Umzug am Sonntag, bei dem auf dem natürlich noch geheimen Wagen des Burgfräuleins auch das geliebte Pferd – allerdings aus Holz – nicht fehlen wird.

Die nähere Zukunft der dann wieder bürgerlichen Málva steht auch schon fest. Sie studiert in Frankfurt Archäologie – ein Studium in den privaten Universitäten in England sei wahnsinnig teuer. Zudem hält sie die Goethe-Universität, an der auch Bruder Paul Musikwissenschaften studiert, für eine „top Uni“. Auch Freund Nicholas wird fest zum Studieren nach Deutschland kommen. Durch seinen deutschen Vater habe er als Kind auch noch gut Deutsch gesprochen, aber das sei mit der Zeit eingeschlafen, obwohl er noch immer das meiste verstehe und auch schon wieder am Lernen sei. Und ihrem Sport Muay Thai, eine Art Kick­boxen, wird Málva gemeinsam mit Paul dann auch wieder intensiver betreiben. Auch wenn es dabei nur selten zum Vollkontakt kommt – ein blaues Auge vor dem Burgfest wird auch die taffe Málva nicht riskieren wollen.



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