Schülervertretungen diskutieren über die aktuelle Flüchtlingssituation

Schülervertreter Helen Dawson (v. li.), Alexandra von Müller, Julia Gellert, Lukas Weyde, Nathalie Mago, Semira Bernnat und Alexander Schott bewerteten die Flüchtlingssituation aus ihrer Sicht. Foto: Krüger

Schneidhain (sk) – Im Rahmen der Vortragsreihe des „Offenen Treffs für jedermann“ (OTj) referierten die Schülersprecher der drei Königsteiner Gymnasien im Evangelischen Gemeindehaus in Schneidhain über das Thema, wie die Jugend die Flüchtlingssituation in Königstein beurteilt. Im Vordergrund der Diskussionsrunde stand die Frage, ob unsere Jugend, also die Generation, die in zehn bis 20 Jahren die Hauptlast unserer Gesellschaft tragen muss, ihre Chancen auf eine lebenswerte Zukunft verliert.

Insgesamt sechs hervorragend vorbereitete und hoch motivierte Schülervertreter/innen der drei Königsteiner Gymnasien sowie eine 19-jährige, ehemalige Schülerin und aktive Helferin im Freundeskreis Asyl stellten sich diesem komplexen Themengebiet und erarbeiteten im Verlaufe ihres Vortrags ein durchweg nachvollziehbares Plädoyer für mehr Mitmenschlichkeit, mehr soziales Engagement und weniger Angst den fremden und hilfesuchenden Flüchtlingen gegenüber.

Dr. Wolfgang Scheiding, Organisator der Vortragsreihe im Offenen Treff für jedermann, erläuterte eingangs die aktuelle Flüchtlingssituation in Königstein anhand von Zahlen und Fakten. Von den 155 (Stand 2015) in Königstein erfassten Asylbewerbern erhielten bis 2015 lediglich acht die Zuerkennung der Flüchtlingseigenschaft im Sinne der Genfer Flüchtlingskonvention.

Wie viele Asylbewerber Familienzusammenführungen beantragt haben und wie viele davon tatsächlich vollzogen wurden, ist noch unbekannt. Laut einer Erhebung des Hochtaunuskreises (Stand 09.02.2016) kommen 31 % der Flüchtlinge aus Syrien, 18 % aus Afghanistan, 16 % stammen aus einem ungeklärten Herkunftsland und der Rest verteilt sich auf die Herkunftsländer Pakistan, Irak, Albanien, Eritrea, Somalia, Iran, Äthiopien und Sonstige. Aktuell liegen kaum noch Zuweisungen für Königstein vor, so Dr. Scheiding, der das Rednerpult gerne den sieben engagierten Schülervertretern überließ.

Die 19-jährige Helen Dawson erklärte ihr Engagement für den Freundeskreis Asyl. Ihr Anliegen sei es, die Situation der Flüchtlinge den Schülern greifbar und verständlich zu machen sowie den Flüchtlingen zu zeigen, was es bedeute, in Freiheit aufzuwachsen. „Wir sind privilegiert! Unsere Zukunft ist gesichert!“, so das freimütige Statement der Schülerin. Helen Dawson berichtete von der Idee, einen Abend gemeinsam mit Flüchtlingen zu verbringen, gemeinsam zu kochen und Zeit miteinander zu verbringen. Alexandra von Müller, die 16-jährige Schülersprecherin des Taunusgymnasiums, beschrieb das erste Treffen mit Bürgermeister Leonhard Helm zwecks Ideensammlung als sehr produktiv. Man verständigte sich auf die Planung des Bunten Abends, eines Fußballturniers sowie einer Podiumsdiskussion.

Verantwortlich für die Organisation und Durchführung der geplanten Aktivitäten waren die Schüler. Nathalie Mago, die 18-jährige stellvertretende Schülersprecherin der Sankt Angela-Schule (SAS), schilderte die Vorbereitungen des Bunten Abends. Die Schüler seien direkt in die Flüchtlingsunterkünfte gegangen, um die Flüchtlinge einzuladen und dort auch abzuholen. „Überall sind wir auf positive Resonanz gestoßen“, so Nathalie Mago. „Ein Großteil der jungen Männer konnte hervorragend kochen“, erzählte die 17-jährige Schulsprecherin der SAS, Semira Bernnat. Ein umfangreiches Büfett aus den verschiedensten interkulturellen Gerichten sei für die rund 100 erschienenen Personen entstanden. Dafür bedankten sich die Flüchtlinge mit einer geselligen Tanzeinlage. Die Verständigung klappte in der Regel sehr gut mit Englisch und auch in Deutsch.

Julia Gellert, die 17-jährige stellvertretende Schulsprecherin und Oberstufensprecherin des Taunusgymnasiums, berichtete von einem durchgeführten Schülerkongress im Haus der Begegnung mit elf Referenten und etwa 300 teilnehmenden Schülern, die sich im Rahmen von Podiumsdiskussionen und Workshops aktiv mit dem Flüchtlingsthema auseinandersetzen konnten. „Die Organisation eines solchen Kongresses für rund 300 Leute war schon eine große Herausforderung“, bestätigte die Schülerin. Aber die durchweg positive Resonanz der Schüler und auch der Referenten sei die Mühen und Arbeit zweifellos wert gewesen, so Julia Gellert.

Die beiden SAS-Schülervertreterinnen, Semira Bernnat und Nathalie Mago, beleuchteten die Flüchtlingssituation aus einem positiven Blickwinkel. Ihrer Meinung nach machten vielfältige kulturelle Ströme die Bundesrepublik lebendiger und wandlungsbereiter. Aufgrund erhöhten Konsums sei außerdem ein Wirtschaftswachstum zu verzeichnen. Und mit Blick auf den demografischen Wandel in unserer Gesellschaft sei die steigende Anzahl von Flüchtlingen keine Belastung unserer Gesellschaft, sondern eine Chance, die Folgen der demografischen Entwicklung zu reduzieren. Gleiches gelte für den Arbeitsmarkt, dem sich neue Ressourcen mit den Flüchtlingen öffneten.

Alexander Schott, 17 Jahre, und Lukas Weyde, 18 Jahre, beide Schülersprecher der Bischof-Neumann-Schule (BNS), setzten sich mit den wirtschaftlichen Aspekten des Flüchtlingsstroms auseinander und stellten beherzt die Frage: „Können wir uns 1,5 bis 2 Millionen Flüchtlinge überhaupt leisten?“. Bis zum Jahr 2020 rechne die Bundesregierung mit Ausgaben von etwa 94 Mrd. Euro für die Unterbringung von Flüchtlingen und ihre Integration.

Als besondere Probleme nannten die Schülervertreter die teilweise mangelnde Bildung der Flüchtlinge, ihre teils vorhandenen antisemitischen Tendenzen und ihr Mangel an Akzeptanz von westlicher Liberalität. Beispielsweise empfänden die meisten Flüchtlinge das westlich geprägte Frauenbild als schockierend und unmoralisch. Unsere Liberalität im Umgang mit Minderheiten – zum Beispiel mit Homosexuellen – sei für viele Flüchtlinge nicht nachvollziehbar. Und der Antisemitismus sei in vielen Herkunftsländern kultureller Bestandteil der dortigen Lebensumstände. Ein zentrales Problem sehen die Schülervertreter in der „Ghettoisierung“, die die Bildung von Subkulturen unterstütze und Integration fast unmöglich mache.

Ein aufmerksamer Zuhörer wollte von den Schülern wissen, auf welcher Skala der Wichtigkeit sie die Flüchtlingsthematik mittlerweile einstufen. Überraschenderweise gaben alle Referenten an, dass sie zwar in der Flüchtlingsintegration eine große Herausforderung für Deutschland und speziell für Königstein sehen, ihre persönlichen Ziele und deren Verwirklichung davon aber nicht beeinträchtigt würden. Viel wichtiger sei die Frage, wie wir mit den Flüchtlingen umgingen und wie wir verantwortungsbewusst als liberale und gefestigte Deutsche für unser Land handeln. Ein Brennpunktthema seien die Flüchtlinge inzwischen nicht mehr, da sie schon „mittendrin“ seien.

Auf die Frage, was sich die Schülervertreter von der Stadt Königstein und ihren Bürgern wünschen, folgte die einstimmige Antwort: „Vorurteile vermeiden und mit den Flüchtlingen kommunizieren sowie die strengen bürokratischen Hürden reduzieren, damit die Flüchtlinge schneller arbeiten können.“ Als Fazit dieser Vortragsveranstaltung konnten alle Zuhörer festhalten, dass keiner der jungen Referenten in der aktuellen Flüchtlingssituation eine Gefährdung seiner Chancen auf eine lebenswerte Zukunft sieht.



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