Falkenstein (kw) – Es war der 22. Januar 1971, als vereinzelte Spaziergänger und Anwohner von Falkenstein im dichten Nebel gegen 15.25 Uhr die Geräusche eines ungewöhnlich tief fliegenden Flugzeuges und kurz darauf einen dumpfen Schlag vernahmen, den man jedoch zunächst nicht genau ein- und räumlich zuordnen konnte. Im Laufe des Nachmittages mehrten sich dann die Anzeichen eines Flugzeugabsturzes, sodass eine riesige Rettungsaktion in Gang gesetzt wurde.
„Es war sehr neblig, noch dazu war es bereits dunkel und die steilen Berghänge am Altkönig waren völlig vereist und es lag teils recht hoher Schnee“, erinnerte der 82-jährige Falkensteiner Gerhard Meser, der seinerzeit mit seinen Kameraden der Falkensteiner Feuerwehr aufbrach, im Rahmen einer am 22. Januar stattgefundenen Gedenkminute an der Absturzstelle. Gemeinsam mit anderen Feuerwehren aus der Umgebung und Rettungsdiensten sei es unter schwersten Bedingungen erstmal nicht möglich gewesen, die Absturzstelle etwa 500 Meter nordwestlich der sogenannten „Opel-Jagdhäuser“ oberhalb Falkensteins zu lokalisieren, zumal keiner genau wusste, wo im weitläufigen Wald- und Berggebiet rund um den Altkönig das Flugzeug zu suchen war. Kameraden der Falkensteiner und der Königsteiner Wehr gelang es dann auch erst gegen 21.30 Uhr, das zerschellte Wrack anhand des in der Luft liegenden Brand- und Kerosingeruchs zu finden. „Die Entdeckung war aufgrund des überwiegend weißfarbigen Flugzeugrumpfes auf dem schneebedeckten Steilhang alles andere als einfach, zumal der Schnee bei unserem Eintreffen in der Dunkelheit bereits die Flammen des Flugzeuges weitgehend gelöscht hatte“, berichtete Meser. Zu retten sei hier jedoch nichts und niemand mehr gewesen, alle sechs Insassen waren am Döngesberg, einem vorgelagerten Sporn des Altkönigmassivs, auf 660 Höhenmetern ums Leben gekommen. Den in der Nacht und am anderen Morgen eintreffenden weiteren Rettungskräften, THW, Polizei, Experten vom Luftfahrtbundesamt und Abgesandten der Baufirma und der Stadt Wattenscheid bot sich ein schreckliches Bild der explodierten zweimotorigen Beechcraft King Air, nachdem sie die Baumwipfel gestreift hatte. Alle sechs Insassen starben auf der Stelle, fünf davon verbrannten teils bis zur Unkenntlichkeit. Meser zufolge lagen die Trümmerteile im unwegsamen Gebiet über hunderte Meter verstreut, das Flugzeug hatte eine auch gut 20 Jahre danach noch deutlich sichtbare Schneise von gut 200 Metern in den dicht bewaldeten Berghang geschlagen. „Die Königsteiner Wehr konnte damals erstmals anhand eines kurz zuvor angeschafften großen Notstromaggregats die Unglücksstelle noch in der Nacht weiträumig ausleuchten“, fügte der 87-jährige damalige Königsteiner Wehrführer Hans-Joachim Decani hinzu.
Bald schon stellte sich heraus, dass die Stadt Wattenscheid an diesem Tag mit Oberbürgermeister Erwin Topp, Oberstadtdirektor Georg Schmitz und Baudirektor Kurt Wille ihre gesamte Stadtspitze verloren hatte. Sie hatten in Frankfurt einen Fachvortrag zum U-Bahn-Bau angehört und eine Baustelle besichtigt und waren um 15.12 Uhr vom Frankfurter Flughafen zum Rückflug aufgebrochen, der sie zu einem weiteren Besichtigungstermin mit anschließender Übernachtung auf den Heeresflughafen Fritzlar bringen sollte. Mit Josef Peckelsen, dem Generalbevollmächtigten der Baufirma Heitkamp, und den beiden Piloten, Alfred Krummlauf und Rolf Brennholt, starben weitere drei Menschen bei dem Unglück.
Die Nachricht löste im damals noch selbstständigen Wattenscheid, das 1975 Bochum angegliedert wurde, tiefe Bestürzung aus. Mit den tödlich verunglückten Politikern verlor die Stadt Wattenscheid sehr beliebte und allseits anerkannte Persönlichkeiten, die maßgeblich und unkonventionell die Bergbaukrise der 1960er Jahre in der Stadt mit ihrem politischen Wirken gemeistert hatten. Sie sorgten für über 100 neue Firmenansiedlungen in Wattenscheid, die den Verlust der Arbeitsplätze im Bergbau mehr als ausgeglichen hatten. Auch heute spielt das Ereignis im historischen Gedächtnis der Wattenscheider durchaus noch eine Rolle.
Als sich das Unglück im Jahre 1972 zum ersten Mal jährte, wurde an der Absturzstelle ein circa drei Meter großer Gedenkstein aufgestellt. Anfangs kamen regelmäßig zu den Jahrestagen noch Delegationen aus Wattenscheid in den Wald bei Falkenstein. Dies sei jedoch in den vergangenen Jahren weniger geworden und teils etwas eingeschlafen, schilderten die Zeitzeugen von damals.
Obwohl die Absturzstelle formal im „Grenzgebiet“ zwischen Kronberg und Falkenstein bereits knapp auf Kronberger Gemarkung liegt, so ist das Unglück im wesentlich näher gelegenen Falkenstein auch heute noch in den Erinnerungen der älteren Generation wesentlich präsenter und es gibt nach wie vor eine Reihe von lokalen Zeitzeugen, die seinerzeit bei der Suche und Bergung im Einsatz waren. So erinnert sich Falkensteins Ortsvorsteherin Lieselotte Majer-Leonhard, dass ihr Mann Peter als Angehöriger der Wehr seinerzeit als Fahrer des Unimog im bergigen Gelände ebenfalls nach dem Wrack suchte.
Initiative
Im Oktober des vergangenen Jahres ergriff Königsteins Erster Stadtrat Jörg Pöschl von sich aus die Initiative, zum bevorstehenden 50. Jahrestag am 22. Januar 2021 gemeinsam mit der Stadt Bochum eine würdige Gedenkfeier zu planen. Pöschl selbst hat trotz seiner verhältnismäßig jungen Jahre eine gewisse emotionale Affinität zu diesem Unglück. „Ich selbst habe am 22. Januar Geburtstag und bin am Absturztag vier Jahre alt geworden. Mein Vater arbeitete damals als Verwaltungsangestellter im kleinen Rathaus der Gemeinde Falkenstein und war aktives Mitglied der Feuerwehr. Ich kann mich noch vage erinnern, wie er damals von meinem Kindergeburtstag weg in den Einsatz musste und wir Kinder in unserer kindlichen Naivität glaubten, von unserem Hausfenster aus das vermisste Flugzeug im Waldhang entdecken zu können“, so der gebürtige Falkensteiner.
Ergo kontaktierte Pöschl in seiner heutigen politischen Funktion das Büro des Oberbürgermeisters der Stadt Bochum, Thomas Eiskirch, und fragte an, ob man gemeinsam des 50. Jahrestages vor Ort gedenken wolle. Die Reaktion aus der Ruhrgebietsstadt war überaus positiv, da man sich dieses besonderen Jahrestages gar nicht sofort bewusst und somit sehr dankbar für den Hinweis war. Zunächst einmal verständigten sich beide Städte darauf, die von der Natur zwischenzeitlich „übermannte“ Absturzstelle wieder in einen würdevollen Zustand zu versetzen. So traf sich Jörg Pöschl gemeinsam mit dem Forstamt, dem Naturpark Taunus und Gerd Böhmig vom städtischen Bauamt, um die Gedenkstätte in bescheidenem und mit dem Naturschutz zu vereinbarenden Rahmen zu versetzen. Der Betriebshof der Stadt Königstein fasste mit Natursteinen den Platz um den Gedenkstein wieder neu, richtete die dazugehörige kleine Felsentreppe wieder ein und säuberte den grünspanüberzogenen Gedenkstein. Der Naturpark unter der Leitung von Carolin Pfaff schnitt den Gedenkstein frei und brachte dort wieder eine neue Bank mit Gravur an, die von der Stadt Bochum gespendet wurde.
Ein von Bürgermeister Leonhard Helm gemeinsam mit Pöschl vorbereitetes Besuchsprogramm für die erwartete Delegation aus der Ruhrstadt mit Bochums Oberbürgermeister Thomas Eiskirch und Bürgermeisterin Gabriela Schäfer sowie Wattenscheids Bezirksbürgermeister Hans-Peter Herzog an der Spitze war bereits ebenso wie eine mit Musik umrahmte Gedenkfeier vor Ort bis ins Detail organisiert, bevor die Corona-Pandemie diese Planungen zunichte machte, sodass sich beide Städte in Absprache dazu entschlossen, dass eine Königsteiner Abordnung in einem reinen „Arbeitsakt“ die Kranzniederlegung vollziehen solle. Die Niederlegung der beiden Kränze der Stadt Bochum und der Stadt Königstein mit einem kurzen Augenblick des stillen Verharrens nahmen dann am 22. Januar Königsteins Stadtverordnetenvorsteher Michael-Klaus Otto, Königsteins Erster Stadtrat Jörg Pöschl und Falkensteins Ortsvorsteherin Lieselotte Majer-Leonhard ohne jegliche weitere Trauergäste bei wahrlich unwirtlichem Schneesturm und dichtem Nebel am Berghang des Altkönigs vor. Die Witterung mit dem teils 50 Zentimeter hohen Schnee im Gebiet des Altkönigs sorgte für kaum anfahrbare Verhältnisse, sodass die beschwerliche Anfahrt nur mit einem kettenbereiften Allrad-Unimog möglich war, der jedoch selbst größere Schwierigkeiten hatte, die Gedenkstätte zu erreichen.
Einsame Gedenkminute in 660 Metern Höhe an der Absturzstelle. Von links: Stadtverordnetenvorsteher Michael-Klaus Otto, Falkensteins Ortsvorsteherin Lieselotte Majer-Leonhard und Erster Stadtrat Jörg Pöschl
Foto: Stadt Königstein
Genau ein Jahr nach dem Absturz wird 1972 ein Gedenkstein mit den Namen der Opfer an der Absturzstelle eingeweiht. Im Bild Wattenscheids damaliger OB Herbert Schwirtz (heute 91 Jahre alt) bei der Gedenkansprache.
Foto: Alfred Winter, Bochum-Wattenscheid