75 Jahre – AWO Kronberg-Königstein feierte „im kleinen Kreis“

Königstein
(mk) – Bei höchst sommerlichen Temperaturen füllte sich vergangenen Sonntagnachmittag ein Teil der Terrasse bei der Villa Borgnis im schönen Kurpark mit einigen erschienenen Mitgliedern der Arbeiterwohlfahrt (AWO) aus Frankfurt, Kronberg, Königstein und Umgebung. Gründe für das langersehnte Wiedersehen gab es viele: Zunächst natürlich – dem Anlass entsprechend – der 75. Geburtstag des Ortsvereins Kronberg-Königstein, (überstandene) „Krisenzeiten“ und damit verbunden auch die Mitgliederehrungen, die coronabedingt zuvor ausfallen mussten. Geschichtlich gab es ebenfalls Einiges zu bestaunen: Zum einen das denkwürdige Protokollbuch aus dem Jahre 1947, zum anderen die gesamte Geschichte der Arbeiterwohlfahrt in Form eines Buches.

Die Vorstandsvorsitzende der AWO Hochtaunus, Dr. Ilja-Kristin Seewald (SPD), eröffnete die gesellige Runde mit einer herzlichen Begrüßung aller Anwesenden, wenngleich nicht alle Eingeladenen erscheinen konnten – sei es aus Pandemie-, Zeit-, oder Urlaubsgründen.

Petra Rossbrey, die stellvertretende Vorsitzende der AWO Hessen-Süd, konnte glücklicherweise aus Frankfurt anreisen neben Ulrich Bauch, Geschäftsführer der AWO Hessen Süd. So vertrat auch der erste Stadtrat von Königstein, Jörg Pöschl (CDU), den noch an diesem Tag „urlaubenden“ Bürgermeister Leonhard Helm. Einige Ehrengäste, darunter Liesl Kurz, deren Mutter zu damaligen AWO-Zeiten einen Nähverein in Königstein betrieb, sowie Brigitte und Werner Friedel wie auch Prof. Wilma Aden-Grossmann mit ihrem Mann Heinz Grossmann, erinnerten durch ihr langjähriges Wirken an die denkwürdige Geschichte der AWO und insbesondere an die mutigen Frauen zur damaligen Zeit.

Entstanden „aus der Not heraus“

Am 13. Dezember 1919 auf Initiative von Marie Juchacz und anderen engagierten Frauen gegründet, ist die AWO aus den Ideen der sozialdemokratischen Arbeiterbewegung entstanden. Damals war sie die erste Frau, die in einem deutschen Parlament, der Weimarer Nationalversammlung, das Wort ergriffen hatte. Reichspräsident Friedrich Ebert beschrieb es mit dem Motto „Arbeiterwohlfahrt ist die Selbsthilfe der Arbeiterschaft“. Nach dem Ersten Weltkrieg galt es, die Not der Bedürftigen zu lindern, indem sie Nähstuben, Mittagstische, Werkstätten zur Selbsthilfe und Beratungsstellen einrichtete. Später entwickelte sie sich zu einer Hilfsorganisation für alle sozial bedürftigen Menschen. Marie Juchacz hatte also bereits als 17-jährige Arbeiterin während des Ersten Weltkrieges die Härten des damaligen Arbeitslebens und die Not vieler Familien erkannt.

„Marie Juchacz ist mein Vorbild, aber genauso auch die Mutter von Liesl Kurz und alle Frauen, die sich zur damaligen Zeit für eine Wohlfahrtsorganisation eingesetzt haben, sei es für Kleidung, Lebensmittel o.ä.“, betonte Dr. Seewald ihre Beweggründe für die AWO. Auch der Zusammenschluss aus Kronberg und Königstein laufe jetzt schon einige Jahre (seit April 2014) gut: „Ehrlicherweise muss man gestehen: Wir stemmen das hier alles ehrenamtlich – das ist die Basis, und wir hoffen auf neuen Schwung, dass wir gemeinsam die AWO wieder stärker ins Leben der Menschen zurückbringen können.“ Die AWO hat ihre Wurzeln in der SPD, und „wenn man früher in der SPD war, war man auch in der AWO“ – dies sei heutzutage aber nicht mehr selbstverständlich. Nichtsdestotrotz seien die Leitsätze dieselben: Freiheit, Gerechtigkeit, Solidarität und vor allem Toleranz. „Ich nehme mal Fairness noch mit dazu“, so Dr. Seewald.

Die Stiftung

Erinnert wurde auch an Katharina Mauch, die langjährige Vorsitzende in Kronberg, die leider viel zu früh verstorben war. Gemeinsam mit dem anwesenden Cousin Josef Eberhardt wurde viel erreicht. Liebevoll „Jupp“ genannt, habe er maßgeblich dazu beigetragen, dass Dank einer Kronberger Erbschaftsspende die eigene Stiftung gegründet werden konnte. Die Stiftung unterstützt u.a. Kindergärten, bedürftige Familien – jetzt besonders spürbar zu Corona-Zeiten – und Seniorenwohnheime und möchte auch wieder Busfahrten für Seniorinnen und Senioren mindestens einmal im Jahr und soweit es die Pandemie zulässt anbieten.

Appell an die Menschlichkeit

Dafür appellierten auch Petra Rossbrey und Ulrich Bauch der AWO Hessen-Süd. Es gehe in erster Linie um das, was die AWO aufgebaut und schon immer ausgemacht habe: um soziales Engagement der Menschen – nicht bloß um finanzielle Hintergründe.

„Es fiel das Stichwort ‚starke Frauen‘ und es sind wieder starke Frauen, die sich der Probleme der Zeit annehmen und diese lösen werden“, betonte Ulrich Bauch. Neben Frau Rossbrey unterstützt nun seit Mitte Juni 2021 auch Frau Stephanie Becker-Bösch als Bezirksvorsitzende AWO Hessen-Süd ihre Mitstreiterinnen und Mitstreiter im Vorstand.

Es gibt also noch viel zu tun – die tatkräftige Arbeit und das soziale Engagement der AWO sind wohl wichtiger denn je geworden, gerade zu diesen Zeiten. Denn wenn es auch nicht immer den Anschein mache, im Taunus gebe es ebenso finanzielle Nöte, betonte der erste Stadtrat von Königstein, Jörg Pöschl. Schon vor Corona stieg die Vereinsamung von Jung und Alt. Genau hier setzt die AWO an, um Abwechslung zu schaffen und weiterhin Kontakte unter Bürgerinnen und Bürgern auf unterschiedlichste Art und Weise zu schaffen.

Die Geschichte der Arbeiterwohlfahrt ist noch lange nicht zu Ende erzählt.

Die „AWO-Familie“: Ulrich Bauch (Geschäftsführer AWO Hessen Süd), Petra Rossbrey (stv. Vorsitzende AWO Hessen Süd), Dr. Ilja-Kristin Seewald (Vorstandsvorsitzende AWO Hochtaunus), Bernhard Schneider (stv. Vorsitzender AWO Hochtaunus), Liesl Kurz, Birgit Müller-Isselhorst (stv. Vorsitzende AWO Hochtaunus) und Astrid Schatta (Geschäftsführerin AWO Hochtaunus) (von links)
Foto: Kuschel



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