Königstein (pf) – Es hat schon Tradition – Mitte November lädt Childaid Network zum Projektabend ins Katholische Gemeindezentrum Georg-Pingler-Straße ein: Freunde, Sponsoren, ehrenamtliche Helfer und viele Teammitglieder, die die Projektgebiete in Südasien besucht oder dort gearbeitet haben, berichten über das zurückliegende Jahr. Die lebendigen Schilderungen ihrer Erlebnisse und Erfahrungen sind anrührend und bewegend, machen aus persönlicher Anschauung die Situation vor Ort deutlich, lassen alle Gäste unmittelbar an den Herausforderungen, aber auch an den Erfolgen und dem Erreichten, teilhaben.
Diesjähriger Ehrengast war Pater Jerry Thomas, Gründer und Präsident des Bosco Instituts, einer kleinen Universität für Soziale Arbeit in Jorhat im indischen Bundesstaat Assam. Dort leitet er auch die Gruppe für Koordination und Evaluierung zahlreicher Projekte von Childaid Network. „Wir sind die größte Hilfsorganisation in der Region, aber wir haben verlässliche Partner vor Ort“, so hatte ihn Dr. Martin Kasper, Stiftungsgründer und unermüdlicher Kämpfer für Kinderrechte und Bildungschancen, in seinen Begrüßungsworten vorgestellt. „Wir schaffen Lichtblicke in einer vergessenen, vernachlässigten, ausgebeuteten Region.“
30. Reise
Erst vor wenigen Tagen war Dr. Kasper von seiner dreißigsten Reise nach Nordost-Indien zurückgekehrt. In den zwölf Jahren seit Stiftungsgründung hat er, wie er ausrechnete, mehr als eineinhalb Jahre dort zugebracht, um die Projekte persönlich zu begleiten und sich von ihren Fortschritten zu überzeugen. Einer seiner Mitreisenden war dieses Mal Hermann Henrich Holtermann aus Kronberg, der sieben Jahre lang als ehrenamtliches Vorstandsmitglied mit ihm gemeinsam die Stiftung aufbaute und sich seitdem im Stiftungsrat engagiert. 2009, zwei Jahre nach Beginn seiner Arbeit für die Stiftung, besuchte er das erste Mal die Projektregionen. Jetzt, zehn Jahre später, hat er die Gebiete erneut bereist, erfreut viele Fortschritte entdeckt, aber auch wieder erfahren, wie schwierig und herausfordernd die Arbeit vor Ort ist.
Wo 2009 im Dschungel sieben Schulen ihre Arbeit aufgenommen hatten, gibt es heute große, moderne Gebäude und ein blühendes Schulleben. Er berichtete von fröhlichen selbstbewussten Kindern, die dort streng, aber liebevoll betreut werden, aber auch von Bedrohungen, denen Menschen dort ausgesetzt sind. Nicht nur durch Naturgewalten, sondern auch durch den Staat, der gerade jetzt viele zu Staatenlosen macht, und durch feindliche Nachbarn, die ihre Häuser und Dörfer anzünden und ihre Brunnen vergiften.
Childaid-Botschafter und Radiomoderator Daniel Fischer, der erneut professionell durch den Abend führte, fragte Henrich Holtermann nach seinen Wünschen für die Zukunft: „Ein Guwahati ohne Straßenkinder, ein unbedrohtes Volk der Santali und Perspektiven für die Kinder, denn sie haben dieselben Rechte wie alle Kinder dieser Welt. Und, dass das Team dort neue Partner findet, um die Begleitung der Projekte sicherzustellen“, fügte er hinzu.
Große Ziele hat sich auch Pater Jerry Thomas mit seinem Bosco Institut und dem mit Hilfe von Childaid Network neu entstehenden Innovation Hub gesteckt. Ihm ist wichtig, wie junge Menschen sein Institut nach der Ausbildung wieder verlassen: als selbstbewusste Bürger, die bereit und fähig sind, die Gesellschaft zu verändern. Er nimmt die Träume der jungen Menschen ernst, schafft ihnen Möglichkeiten, dies zu erreichen. Er setzt sich dafür ein, dass sie ihre Rechte einfordern, die staatlichen Systeme überzeugen und Verantwortung in ihren oft unterprivilegierten Gruppen übernehmen.
Jonas Pfäffinger vom Childaid-Team, der in Kürze für drei Jahre nach Nordost-Indien gehen wird, um die Projekte dort zu begleiten und zu überwachen, wird eng mit Pater Thomas zusammenarbeiten. Auch ihm liegt, wie er sagte, eine gerechtere Gesellschaft am Herzen, will Kinder und ihre Rechte ernst nehmen, dafür sorgen, dass sie gut ausgebildet sich mit ihren Fähigkeiten entfalten können und will ihnen Respekt verschaffen. „Unser Ziel ist es, uns eines Tages überflüssig zu machen“, sagte er. „Aber das wird noch eine ganze Weile dauern.“
Innovationszentrum
Eigens aus der Schweiz reisten Franco Bühlmann und Maike Pohl zum Projektabend an. Drei Monate arbeiteten sie im Sommer unter teils abenteuerlichen Bedingungen in Jorhat, um am Bosco Institut ein Innovationszentrum auf den Weg zu bringen. Beide sind Unternehmensberater bei Accenture, die ihren Indienaufenthalt ermöglichten, und konnten ihr Fachwissen bei dem vielversprechenden Projekt einbringen. Ziel des Innovationszentrums ist es, unternehmerische Talente in ganz Assam zu ermutigen, zu vernetzen und zu fördern.
Von ihren Erfahrungen und Erlebnissen in Nepal berichtete Silke Geissert, die von Januar bis Juli von Kathmandu aus die dortige Projektregion betreute und besuchte. Anhand von mitgebrachten Fotos erzählte sie vom einfachen und harten Leben der Menschen in der rauen, aber wunderschönen Region Bhandar am Fuße des Mount Everest. Nach der verheerenden Erdbebenkatastrophe 2015 wurden dank Childaid Network zehn Schulen in der Region wiederaufgebaut. Auch das Kinderhaus ist wieder voll in Betrieb und beherbergt inzwischen einen kostenlosen Kindergarten, in dem Vorschulkinder von lokalen Erzieherinnen betreut und nach Montessoriprinzipien gezielt gefördert werden.
Erschreckende Gesundheitssituation
In Nepal war in diesem Jahr auch Svenja Appuhn aus Kronberg unterwegs. Die junge Medizinstudentin, die mittlerweile in Hannover lebt und sich bereits als Schülerin des Taunusgymnasiums in der Amguri AG für Childaid Network engagierte, war mit einer Kinderärztin und einem Mathematiker vor Ort, um den Gesundheitszustand der Kinder und Jugendlichen zu untersuchen. In einer Videobotschaft berichtete sie über ihre Erlebnisse und Erkenntnisse – und die erschreckende Gesundheitssituation der Kinder, die dringend präventive und medizinische Hilfe brauchen.
Zum Abschluss des Projektabends ging es wieder zurück nach Nordost-Indien, wo in Amguri sieben junge Artisten des Darmstädter Circus Waldoni gemeinsam mit 130 Internatsschülern Akrobatik und Artistik-Kunststücke einstudierten und in einem spektakulären Auftritt vor 2.000 Zuschauern vorführten. „Wir hatten so viel Spaß“, berichteten Emilia Sophie Ganzel, Mareile Sophie Schall und Rhea Friederike Rivka Spahr in ihrem mit Fotos unterlegten Vortrag. Gemeinsam mit Avelina Baumann, Jan Martin, Joana Leiter und Manuel Baumann hatten sie nicht nur die Kinder unterrichtet, sondern auch Kostüme, Requisiten und eine Balancierstange aus Bambus gefertigt, den sie selbst im Wald schlagen und zur Schule transportieren mussten. Des Weiteren präsentierten sie den beeindruckenden Drohnenfilm des ehrenamtlichen Mediateams zur Situation und ihrem Einsatz vor Ort.
„Die drei konnten sehr gut rüberbringen, dass die wirklich wesentlichen Dinge bei den Menschen passierten – die Kinder erfuhren Liebe, erwarben Selbstvertrauen und Anerkennung – und auch das Team kam verändert zurück“, zog Dr. Kasper Bilanz, der gemeinsam mit Hermann Henrich Holtermann in Amguri an der Abschlussveranstaltung teilnahm. Bei Gesprächen und einem kleinen Imbiss mit Getränken, die von Mitgliedern der Amguri AG kredenzt wurden, ließen die mehr als 150 Besucher des Projektabends den spannenden und informativen Abend mit seinem bunten, abwechslungsreichen Programm ausklingen.