Bildung als Schlüssel für ein selbstbestimmtes Leben Zahlreiche Projekte

Die Hoffnung auf eine bessere Zukunft lebt: Sandra Hörbelt (4. v.l.) und Kollegin Nicole Weiler (dahinter) von Childaid Network im Frühjahr 2025 beim Besuch eines Kinderheims in Assam in Nordostindien. Foto: Childaid Network

Königstein (as) – Wenn es um Lebenschancen geht, dann ist immer von der Bildung als wichtigstem Grundstein die Rede – das ist in westlichen Gesellschaften genauso wie in Weltregionen und Ländern, die noch Entwicklungsbedarf haben. Schulbildung zu ermöglichen und auch in abgelegenen Regionen Nordostindiens, Nepals, Bangladeschs und Myanmars zu den Menschen zu bringen, ist das zentrale Anliegen der Königsteiner Hilfsorganisation Childaid Network.

Ende April ist Childaid Network volljährig geworden, seit 18 Jahren leisten Gründer Dr. Martin Kasper und sein Team in Südostasien gemeinsam mit den lokalen Partnern „Hilfe zur Selbsthilfe“. Soll heißen: Die Gelder fließen nicht in den Schulbau und damit zu einem großen Teil in Bürokratie, sondern kleinteilig auch in weit abgelegenen Orten in diesen riesigen Regionen in Schulprogramme, die Lehrerausbildung, die Berufsausbildung und mit kleineren Anteilen auch in die Vermittlung und den Schutz von Kinderrechten und die Gesundheit.

28 Millionen Euro hat das Childaid-Netzwerk aus privaten und öffentlichen Förderern seither in Projekte investiert, 500.000 Kinder und Jugendliche hat die Organisation direkt erreichen können, von denen 60 Prozent Mädchen und Frauen sind, die in den Zielgesellschaften zumeist noch schlechtere Bildungschancen vorfinden. 4,4 Millionen Euro waren es im vergangenen Jahr, immer mehr Projekte werden vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) aufgestockt. Wie groß der Hebel ist, mit den Geldern viel zu erreichen, verdeutlicht eine eindrucksvolle Zahl: Ganze 60 Euro seien nötig, um einem Kind ein Jahr lang Schulbildung zu ermöglichen, sagt Childaid-Öffentlichkeitsarbeiterin Stefanie Henkel.

Volljährig sind mittlerweile auch viele der geförderten jungen Menschen geworden. Und die Unterstützer von Childaid wie Sandra Hörbelt, die sie vom ersten Tag im Kinderheim oder in der Schule begleitet haben, sind glücklich über die „Erfolgsgeschichten“, die diese jungen Menschen mit Childaid als Katalysator schreiben konnten. Die Wiesbadenerin Hörbelt ist eine Frau der fast ersten Stunde in Assam in Nordostindien – jener ersten Zielregion, die Martin Kasper für Childaid identifizieren konnte – und bildet mittlerweile zusammen mit den Königsteinern Kasper und Michael Legeland im ehrenamtlichen Vorstand der Hilfsorganisation. Durch einen „unheimlichen Zufall“, wie die 55-Jährige sagt, fiel ihr im Jahr 2008 in einem Hofheimer Wartezimmer eine Broschüre von Childaid Network in die Hand. „Das hat mich damals unheimlich angesprochen, ich wollte etwas Bleibendes machen“, sagt die Kreditanalystin bei der DZ-Bank in Frankfurt. Drei Tage später traf sie Kasper – und 2009, da war ihr Sohn gerade ein Jahr alt, hat sie erstmals „Assam aufgesogen“, wie sie ihre Begegnung mit dem abgelegenen, vom Rest des indischen Subkontinents fast abgetrennten Bundesstaat zwischen Bangladesch, Bhutan und Myanmar mit einem Leuchten in den Augen beschreibt.

Erfolgsgeschichten

Sie hat die Kinder in den sechs Kinderheimen, die Childaid in der Region Meghalaya betreut, aufwachsen sehen. Erst im Februar dieses Jahres war sie wieder vor Ort: „Ich hatte mir vorgenommen, die jungen Leute zu sehen, die ich seit 2009 kenne“, sagt sie – und musste zum Teil weit reisen, um ihre Schützlinge von einst zu treffen. Da ist Moina, die als sechsjährige Vollwaise ins Kinderheim kam und die heute im Krankenhaus als ausgebildete Krankenschwester arbeitet. Der junge Mann, der im Labor einer Milchfabrik arbeitet und Eis und Joghurt herstellt. Und der ehrenamtlich in einer Organisation arbeitet, die Jugendlichen ihre Rechte beibringt und Möglichkeiten aufzeigt – also die Idee von Childaid weiterträgt. Und da ist einer, der richtig Karriere gemacht hat: der Chartered Consultant, der jung ins Heim kam als Schuhputzer auf der Straße und heute Wirtschaftsprüfer ist. Das sind die Erfolgsgeschichten!

„Alle wollten, dass wir sie als Arbeitnehmer treffen. Ich sehe junge Menschen, die es schwer im Leben hatten, die etwas erreicht haben und die stolz darauf sind“, sagt Sandra Hörbelt. Und die Arbeitgeber empfingen die Childaid-Leute gerne und lobten die jungen Menschen für ihre gute Ausbildung, für ihren Leistungswillen. „Das ist genau das, was wir wollen. Wir haben richtig was gerissen, es ist richtig was passiert“, sieht Sandra Hörbelt die ganze Entwicklungsarbeit bestätigt.

Das „wirtschaftliche“ Modell von Martin Kasper ruht in jeder Region auf dem gleichen Ansatz: Die Eltern, die teilweise Analphabeten sind, aber sich grundsätzlich eine gute Bildung für ihre Kinder wünschen, weil sie die Chancen durchaus sehen, werden über die Rechtslage in ihrem Land aufgeklärt und bekommen Wege und Kontakte aufgezeigt, wie sie dieses Recht auf Bildung für ihre Kinder einfordern können. „Das System unterstützt die Eltern nicht“, sagt Stefanie Hörbelt. Childaid unterstützt hier mit Gemeindearbeitern und im nächsten Schritt mit der Lehrerausbildung. In einem Land, in dem 100 Sprachen gesprochen werden, ist es wichtig, nicht irgendwelche Lehrer, sondern Lehrer der gleichen Sprachgruppe zu den Kindern zu bringen. Es gebe durchaus auch in Assam Eltern, die ihre Kinder in Privatschulen schicken, wissen die Childaid-Repräsentantinnen, doch die sind trotz im Vergleich zu westlichen Ländern geringer Gebühren von rund 350 Euro im Jahr für die breite Bevölkerung schlicht unerschwinglich. Childaid Network setzt auf den Aufbau eines kostenlosen staatlichen Schulsystems mit Schulleitern, die Gelder beim Staat einfordern, bis sich das System im lokalen Kontext selbst trägt. „Wir lösen eine kleine Explosion aus, was machbar ist mit Bildung“, beschreibt Hörbelt den „Impact“ der Organisation. Wenn sie etabliert sind und skaliert werden können, dann zieht sich die Organisation zurück und macht in einer anderen Region weiter.

Große Herausforderungen

Überall gebe es Herausforderungen. Während es in Indien eher die Slumbildung, die Stadtarmut und Korruption sind, so ist es in Nepal die Entlegenheit der Dörfer fast ohne ärztliche Versorgung, wo Frauen oft schon einen Tag nach der Entbindung mit dem umgebundenen Baby direkt wieder arbeiten. Auch die lokalen Behörden spielen mit – oder eben nicht. In Indien arbeitet man mit lokalen Partnern zusammen, der Staat schaut grob über die Projekte, aber NGO’s, die kritische Bilder zeigen, werden schnell ausgeschlossen. Auch dauert es bisweilen lange, bis Visa erteilt werden und eine Einreise überhaupt möglich ist. Letzteres ist in Nepal kein Problem, aber hier schaut der Staat sehr genau auf die Mittelverwendung. Über jeden Euro werde ein Vertrag gemacht, vergleicht Hörbelt die Bedingungen, auf die Childaid trifft, das in manchen Regionen fast die einzige Hilfsorganisation ist, während von Unicef wenig zu sehen sei. Man versteht: Auch Unterstützer von außen erhalten keinen Freibrief, sondern müssen sich durch Instanzen kämpfen und kooperieren, wenn sie etwas erreichen wollen. Immer wichtiger werde das lokale Partnernetzwerk, das auch selbst Projekte initiieren kann, ergänzt Martin Kasper, der kurz beim Pressegespräch vorbeischaut.

Sandra Hörbelt stellt das Thema Bildung in einen großen Kontext: „Der globale Süden hat immer mehr Gewicht. Wir in Deutschland sind mit verantwortlich, was mit unserer Welt geschieht.“ Es gehe darum, Entwicklung richtig anzupacken und Fehler, die in der sogenannten Ersten Welt gemacht wurden, zu vermeiden. Ihre bewusst überspitzt formulierte Hoffnung: „In der Region hocken vielleicht die Genies, die uns mal vor dem Hitzetod retten.“

Was würde ohne Bildung passieren? Die Kinder würden entweder weiter in den Familien arbeiten, vielleicht als „Mägde oder Bergwerksarbeiter verschifft“. Oder sie würden in arabischen Ländern als Zwangsarbeiter – man kennt das Thema mit den abgenommenen Reisepässen auf den Stadionbaustellen im WM-Ausrichterland Katar. Unter vorgehaltener Hand wird darüber gesprochen, dass sie als „Wegwerfsoldaten“ auch für Russland kämpfen.

Mit ihrer Begeisterung steckt Sandra Hörbelt viele an. Bei ihrem Arbeitgeber, der DZ-Bank, veranstaltet sie jedes Jahr zusammen mit ihrer Kollegin Nicole Weiler, die sich ebenfalls für Childaid engagiert, zwei Wochen ganz offiziell eine Sammlung, für die sie sogar plakatieren darf im Haus. „Die Leute vertrauen mir, die Bank spendet selbst einen Teil“, erzählt die 55-Jährige. Und Stefanie Henkel pflichtet bei: „Charity-Projekte wie unseres zu unterstützen, ist für alle Firmen ein wichtiger Teil der Kommunikation.“ Wichtig sei in diesem Zusammenhang die direkte und transparente Mittelverwendung. Der organisatorische Kostenaufwand liegt bei nur 5,9 Prozent, umgekehrt fließen also fast 95 Prozent der Gelder direkt in die Hilfsprojekte. Das deutsche Childaid-Kernteam hat nur neun Festangestellte, darum gruppiert sich ein großes Team von mehr als 150 Ehrenamtlichen und Freiwilligen. Vor kurzem wurde der Kreis durch drei Oberstufenschülerinnen des Taunusgymnasiums, das Childaid in mehrfacher Hinsicht verbunden ist, erweitert, die sich um den Social-Media-Auftritt kümmern. Von dieser Unterstützung der lokalen Multiplikatoren sind Henkel und Hörbelt begeistert.

Selbst für das schicke Büro muss Childaid nichts zahlen. Die Büroräume im fünften Stockwerk des Campus Kronberg stellt Sven Dammberger mit seiner Firma MVC Mobile Video Communication GmbH unentgeltlich zur Verfügung. Von hier oben hat das Team von Childaid Network einen unverstellten Blick auf Frankfurt und den Taunus – und einen freien Kopf, um viel viel weiter zu denken.

Childaid ist auch in der Heimat sehr präsent. Zweimal im Jahr findet der Königsteiner Salon, der nächste am 12. Juni, 19 Uhr, im Haus der Begegnung statt. Dr. Thomas Prinz stellt die politische Situation in Bangladesch in den Mittelpunkt. Anmeldung unter https://www.childaid.net/veranstaltungen

Ein besonderes Event verspricht der Schülerlauf 2.0 „für Kinderrechte in Nepal“ am 2. September auf den Feldberg zu werden. Er knüpft als Parallelaktion an den Spendenlauf eine Woche zuvor nach Santiago de Compostela an. Schüler des Königsteiner Taunusgymnasiums und der Kronberger Altkönigschule wandern gemeinsam auf den Gipfel. Dort wird es eine Bühne geben, die Schüler sammeln vorher schon in ihren Familien und ihrem privaten Umfeld.

Charity-Sale

Jeden Donnerstagabend von 18 bis 20.30 Uhr gibt es zudem den Charity-Sale zugunsten der Childaid-Projekte in der Adelheidstraße 10 in Königstein. Ein Team von rund zehn engagierten Frauen verkauft dann Kleidung und Accessoires von Marken-Hestellern, Neuware wie auch gute Second-Hand-Ware.

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