Ergreifender Abschied – Engagierter Einstieg

Die Amtsübergabe (v.l.): Beatrice Schenk-Motzko mit ihrer Ernennungsurkunde, die die neue Bürgermeisterin aus der Hand von Dr. Michael Hesse erhielt. Erster Stadtrat Jörg Pöschl hält Blumen parat, der scheidende Bürgermeister Leonhard Helm gratuliert.  Foto: Schramm

 

Königstein (as) – Das, was am vergangenen Freitagabend formell so unspektakulär als 27. Sitzung der Stadtverordnetenversammlung daherkam, wurde in der Realität zu einem der feierlichsten und bedeutungsvollsten Ereignisse der jüngeren Königsteiner Stadtgeschichte. Zur großen Amtsübergabe, zur Verabschiedung von Bürgermeister Leonhard Helm (CDU) nach 18 Jahren Amtszeit und zur Einführung seiner im Februar gewählten Parteikollegin Beatrice Schenk-Motzko als erster Frau in der 711-jährigen Stadtgeschichte ins höchste Verwaltungsamt war das Haus der Begegnung bis auf den letzten Platz gefüllt. Neben der Königsteiner Politik waren Honoratioren aus dem Land, dem Kreis und den umliegenden Kommunen erschienen, dazu Vertreter sämtlicher Partnerstädte und natürlich viele Bürgerinnen und Bürger, die sich das geschichtsträchtige Ereignis nicht entgehen lassen und die beiden Hauptpersonen des Abends natürlich mit besten Wünschen ins Amt und aus dem Amt begleiten wollten.

Nach der vom Mandolinenclub Falkenstein gespielten „Festlichen Quvertüre“ von Stefano Squarzina eröffnete der bestens aufgelegte Stadtverordnetenvorsteher Dr. Michael Hesse (ALK), der als Erster Bürger der Stadt auch diese außerordentliche Stadtverordnetenversammlung leitete, mit dem Satz „Es gibt keine Anträge zur Tagesordnung und wir sind beschlussfähig“ – ein humorvoller politische Appetithaben, bei dem es aber auch bleiben sollte. Denn Beschlüsse waren an dem Abend gewiss nicht mehr zu treffen. Die Tagesordnung war ohnehin schon perfekt geplant und choreografiert durch die Stadtverwaltung mit launigen Reden, herzlichen Gratulationen und passenden musikalischen Zwischenspielen – obendrauf gab es im Verlauf des Abends noch die echten Emotionen, die bei Aufbruch und Abschied eben auch dazugehören.

Erster formaler Akt des Abends war die Einführung der neuen Bürgermeisterin mit Amtseid und Ernennung, danach konnten sich alle Gäste bei Beethovens Klavierstück „Allergro ma non troppo“, das die jugendliche Jeannette Reiter von der Musikschule Königstein ohne Noten auswendig spielte, noch einmal sammeln für den ersten großen Moment: die Abschiedsrede Leonhard Helms. „Ich muss mein übervolles Herz ein wenig bremsen“, schickte der scheidende Bürgermeister gleich vorweg. Im Résumé seiner Amtszeit mit umfangreichen Dankesworten an alle Wegbegleiter und Freiwilligen der Stadt spürte jeder, wie nahe Helm die letzten Monate im Privaten und die vergangenen 18 Jahre im Beruflichen gegangen waren. „Ohne Euch hätte ich es nicht geschafft“, richtete er an seine Familie, die sich in diesem Jahr durch zwei sehr nahe Trauerfälle für ihn „schmerzlich verkleinert“ hatte. Und zu „seinem“ Geburtsort Königstein, für das er als praktizierender Anwalt 2006 eine Kampfkandidatur gegen die offizielle CDU-Kandidatin Karin Weikamp riskiert hatte: „Ich bin überzeugt, meiner Nachfolgerin ein geordnetes Haus übergeben zu können.“ Er endete mit einem Appell an die Stadtverordneten mit brüchiger Stimme: „Nutzen Sie den Wechsel für ein neues Miteinander (…), dann wird Königstein auch künftig blühen und gedeihen.“

Lang anhaltender, stehender Applaus. Ein Wunsch Helms ging auch noch in Erfüllung: Pianist Dr. Mohin Jan Fariod, den der scheidende Bürgermeister schon als Jungen im HdB erlebt hatte, spielte, obwohl er als Arzt kaum noch am Flügel sitzen kann, zum Abschied Chopins „Polonaise As-Dur Héroique“.

Französisch ging es weiter mit den Gratulantinnen aus den Partnerstädten: Aus Le Cannet übermittelte die kürzlich von den Königsteiner Stadtverordneten zur Ehrenbürgerin gewählte Michèle Tabarot, Mitglied der Nationalversammlung, die Grüße. Und für Le Mêle sagte die Zweite Vorsitzende des Partnerschaftsvereins Catherine Collin auf Deutsch: „Freundschaft ist nicht überholt. Sich zuzuhören, bleibt wichtig.“ Geschenke aus ihrer jeweiligen Heimat und Einladungen zu Gegenbesuchen an das alte und das neue Königsteiner Stadtoberhaupt hatten auch Alan Ford aus Faringdon und der zweite neue Ehrenbürger, Jerzy Lechnerowski aus Kórnik, im Gepäck.

Ehe es dann nach mehr als drei Stunden und dem musikalischen Ausklang mit den Falkensteiner Mandolinern ans Grillbuffet gehen konnte, sollte aber noch der zweite Höhepunkt dieses erinnerungswürdigen Abends geben: die Antrittsrede der neuen Bürgermeisterin, die sogleich – in den Fußspuren ihres Vorgängers – einer Liebeserklärung gleichkam. „Königstein ist eine wunderschöne Stadt, die ich vor 16 Jahren kennen- und lieben gelernt habe.“ Ihre Dankesrede enthielt auch einen besonderen Hinweis an die ehemalige Staatsministerin Lucia Puttrich, die ebenfalls im Publikum war und wie Schenk-Motzko aus der Wetterau stammt. Als persönliche Referentin durfte sie unter Puttrich in der Hessischen Staatskanzlei arbeiten, das habe ihr „den Weg geebnet“. Ein Weg, der die 38-Jährige nach 20 Jahren Erfahrung in der Kommunal- und Landespolitik nun in verantwortliche Rolle in Königstein geführt hat. In ihrer engagierten Rede, in der sie auch alle wichtigen politischen Themen und Projekte Königsteins streifte, reichte sie der Opposition die Hand: „Als Bürgermeisterin verstehe ich mich als Ansprechpartnerin für alle. (…) Ich möchte in den kommenden Jahren auch diejenigen überzeugen, die mich nicht gewählt haben. Und zwar auf meine Weise: Mit mehr Transparenz, mit mehr Information, mit mehr Austausch, mit mehr Beteiligung und kreativen, praktischen Ergebnissen, die daraus resultieren.“ Ziel sei, die „Lebens- und Freizeitqualität aller Menschen in Königstein kontinuierlich und nachhaltig auszubauen“.

Und noch etwas verriet Beatrice Schenk-Motzko am Ende ihrer Rede: Der fällige Umzug aus Bad Vilbel nach Königstein wird sie und ihre Familie ab Mitte Juli in ein neues Zuhause in Schneidhain führen. Die Stadtteile dürften das als Signal für ihre Bedeutung verstehen – und alle Kritiker, die im Wahlkampf noch meinten, Schenk-Motzko befinde sich auf einem Auswärtsspiel, können sich dann auf die Taten der neuen Bürgermeisterin konzentrieren.

Großer Anlass – große Worte:

Michael Hesse (Stadtverordnetenvorsteher): „Vielen, vielen Dank für die gute Zusammenarbeit. Wir haben Seite an Seite gekämpft für ein lebenswertes Königstein.“

Jörg Pöschl (Erster Stadtrat): „Herzlichen Dank für alles, das Du 18 Jahre lang für diese Stadt getan hast – auch unter Erbringung persönlicher und zeitlicher Opfer. Ich wünsche Dir, dass Du einfach mal frei bist für alles, das Du gerne tun möchtest.“ Als Geschenk übergab der Erste Stadtrat eine Abschrift der Seite des Goldenen Buchs der Stadt Königstein, in das sich Helm dann eintragen durfte.

Ulrich Krebs (Landrat Hochtaunuskreis), der sich 2006 parallel mit Helm in seinem ersten Landrats-Wahlkampf befunden hatte: „Es hat bei mir eine Zeit gedauert zu verstehen, was Dich damals angetrieben hat. Es ist deine Verbundenheit und Liebe zu Königstein. Du warst hartnäckig und hast an dieses Haus (Renovierung des HdB, d. Red.) geglaubt, als auch ich nicht mehr daran geglaubt habe. Und Du warst innovativ, verlässlich, kompetent und loyal. In der Zwischenzeit sind wir auch gute Freunde geworden.“ Für den scheidenden Bürgermeister hatte Krebs eine Radierung Königsteins aus dem 19. Jahrhundert mitgebracht. Für Helms Nachfolgerin hatte der Landrat einen Taunus-Rucksack als Geschenk: „Sie muss den Taunus noch besteigen. Ich bitte um einen Vertrauensvorschuss, denn der Berg in Königstein ist anspruchsvoll.“

Steffen Bonk (Bürgermeister Steinbach): „Leonhard Helm war ein überaus guter Bürgermeister seiner Stadt – und immer einer, der für die kommunale Familie das Wort ergriffen hat.“ Als Geschenk hatte der Stellvertretende Sprecher der Kreisversammlung im Hessischen Städte- und Gemeindebund einen Genusskorb dabei und für Beatrice Schenk-Motzko, die er als dritte Frau im Kreis der „Wilden 13“ Hochtaunus-Kommunen begrüßte, ein „Bürgermeisterin-Erste-Hilfe-Set“ mit einigem Nützlichen.

Stephan Gieseler (Geschäftsführender Direktor Hessischer Städtetag) hielt eine launige Rede: „Dich haben die 3 F’s – wie wir südlich des Mains sagen, ausgezeichnet: freundlich, fröhlich, f(pf)lichtbewusst“, sagte er zu Helm. Und zu seiner Nachfolgerin: „Es ist das schönste, aber auch das schwerste Amt in der Stadt, denn sie können sich nicht verstecken. Gehen Sie einkaufen, da treffen Sie die Menschen.“

Johannes Heger (Geschäftsführender Direktor Hessischer Städte- und Gemeindebund) zu Beatrice Schenk-Motzko: „Ich wünsche Ihnen Integrationskraft. Ohne Magistrat und Stadtverordnetenversammlung geht es nicht.“

Tobias Kummer (Bürgermeister Königstein/Sachsen) zu Helm: „Du hast nach 18 Jahren den perfekten Zeitpunkt gefunden, ich freue mich für dich.“ Und zu Schenk-Motzko: „Danke für Ihr Engagement. In der heutigen Zeit ist es wichtig, das Handeln nicht extremen Kräften zu überlassen.“

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