Mit der Eröffnung des „Babbel-Pub“ endet die Durststrecke in Mammolshain

1. Stadtrat Jörg Pöschl (links) und Mammolshains Ortsvorsteher Hans-Dieter Hartwich (rechts) übergaben als öffentliche Hausherren am vergangenen Donnerstag das „Babbel-Pub“ im Dorfgemeinschaftshaus an die Pächter Sylvia und Christian Bordzio. Fotos: Friedel

Mammolshain (hhf) – „Auferstanden aus Ruinen“ nannte die DDR ihre Variante des Wirtschaftswunders – in Mammolshain nannte man die einzig im Ort verbliebene Wirtschaft „das Loch“. Tief unten im Dorfgemeinschaftshaus versteckt und nur über eine steile Außentreppe erreichbar knäulten sich die meist rauchenden Gäste seit 1956 in einer schummrigen Kneipe mit wenigen kleinen Fenstern. Dennoch waren sie so dankbar, dass Busfahrer Milan Vukovic im Nebenberuf die „Dorfschänke“ bis zum letzten Moment im Oktober 2018 führte, dass der ganze Ort ihm eine große Verabschiedungsfeier ausrichtete (siehe KöWo vom 8. November 2018).

Die Pläne zur Sanierung und Neugestaltung des „Lochs“ glommen wie ein Licht am Ende des Tunnels schon Jahre vor dessen Schließung, und vermutlich hat Christian Bordzio genau hier zum ersten Mal die Idee gehabt, den Betrieb selbst einmal in die Hand zu nehmen – aber das ist heute nicht mehr zu 100 Prozent nachvollziehbar.

Hohe Kosten gut erklärbar

Sehr genau nachzuvollziehen ist dagegen die auch politisch bisweilen misstrauisch beäugte Entwicklung der Baumaßnahmen, die mit Plänen für eine sechsmonatige Sanierung um 2015 begonnen hatte und nun ihr Ende gefunden hat, freilich mit verdoppelten Kosten. Im Zuge der Bewerbung Mammolshains um das „Dolle Dorf“ der Hessenschau und vor dem Hintergrund ständiger Instandhaltungsarbeiten wurde klar: „Wir mussten was tun“, so Ortsvorsteher Hans-Dieter Hartwich (CDU). Nach Aussagen ehemaliger Heimwerker fiel in der Toilette die gegenüberliegende Fliese ab, wenn man auf der anderen Seite der Wand eine erneuerte...

Als man 2016 den Antrag stellte, durch eine große Fensterfront und eine davor balkonartig hochgezogene Terrasse mehr Licht hinein- und den Blick auf ein großartiges Panorama herauszulassen, ging man noch immer davon aus, dass eine Serie einzelner Baustellen zum Ziel führen würde, doch änderte sich diese Einstellung 2017 endgültig. Nachdem bei ersten Arbeiten weitere Schäden in der Bausubstanz von 1956 zutage traten bzw. absehbar war, dass Rohre und Leitungen nicht mehr lange halten würden, entschloss man sich zur Kernsanierung inklusive Heizung. Spätestens damit dehnte sich die Sanierung auf das gesamte Doppelhaus, in dem auch die Feuerwehr residiert, aus, allerdings sind die Kosten in getrennten Haushaltsposten aufgeführt. Dennoch ist leicht zu verstehen, dass dadurch die Arbeiten insgesamt etwas günstiger wurden, als wenn jedes Rohr einzeln ausgetauscht worden wäre.

Stadtparlament einstimmig

Zuletzt von allen Politikern im Stadtparlament einstimmig abgesegnet, zeigte sich Stefan Bouillon auch nach 35 Jahren als Architekt von den Kostenexplosionen „immer wieder überrascht“ – diesmal stehen knapp 640.000 Euro auf der Rechnung – brutto, es darf noch Steuer abgezogen werden, dann liegt man wohl bei 550.000 Euro. Übrigens ohne Geschenke an die neuen Wirtsleute, die haben für die Inneneinrichtung noch einmal runde 100.000 Euro draufgelegt.

Eine teure Gabe für Gehbehinderte wie auch Kinderwagenfahrer, so erläuterte der Leiter des Fachbereichs Planen und Bauen, war auch die nach Ansicht des Autors dieser Zeilen geniale Idee, die Terrasse in Form eines weiterführenden Ganges um das gesamte Gebäude herum nun ebenerdig und barrierefrei anzubinden. Selbstverständlich wurden die Toilettenanlage auch um ein behindertengerechtes WC erweitert (der Zugang von der Terrasse ins „Babbel-Pub“ erfolgt ebenerdig durch die Tür in der Fensterfront) und die Nachbarn mit einer doppelten Schallschutzwand von eventuellem Trubel auf der Terrasse abgeschirmt.

Politiker halten Versprechen

„Wie man sieht, hat sich das wirklich gelohnt. Das aus den 50er Jahren stammende Lokal ist nach heutigen Standards kernsaniert worden. Die Stadt hat in die Zukunft Mammolshains investiert“, bestätigte auch der 1. Stadtrat Jörg Pöschl (CDU). Nach allerlei Anfeindungen in der Vergangenheit unterstrich er an dieser Stelle noch einmal, dass die Stadtverwaltung sehr wohl auf die Stärkung der Stadtteile „erpicht“ sei, nur müssten sie, da sie zusammen so viele Einwohner wie die Kernstadt haben, eben ihre Hälfte an Steuergeldern rechnerisch korrekt noch einmal durch drei geteilt sehen.

Pöschl vertrat Bürgermeister Leonhard Helm (CDU), der aber später als Privatmann noch zur Eröffnung kommen wollte, und nutzte diese Abwesenheit, um auch noch einmal klarzustellen, dass der Bürgermeister hier eines seiner Wahlversprechen eingelöst hat, was ihm seinerzeit abgesprochen worden war.

Nach dem Waschen schmutziger Wäsche gelüstete es aber an diesem Freudentag niemanden, vielmehr schaute man ob der hellen, neuen Räume (mit mobiler Trennwand für Vereins- oder Familienfeiern) lieber in eine sonnige Zukunft. „Mammolshain hat danach gelechzt, endlich wieder ein Bier hier zu trinken“, war dem 1. Stadtrat bis in seine Residenz in Falkenstein spürbar gewesen. „Nun kommt, Mammolshainer, damit der Pächter leben kann“, erinnerte der Ortsvorsteher und kündigte gleich an, dass der nächste Seniorenausflug hier enden werde.

„Sie können es und kennen den Ort“

Aber das „Babbel-Pub“ ist auch für Gäste aus den Nachbarorten und Ausflügler offen, obwohl schon die Bierdeckel erkennen lassen, dass man hier „Mammolshain first“ auf der Flagge trägt. Da hat nämlich jeder Gast die Möglichkeit, einen Verein anzukreuzen, der dann 5 Prozent der Zeche gutgeschrieben bekommt.

Am liebsten wird Christian Bordzio, der das „Babbel-Pub“ gemeinsam mit Ehefrau Sylvia betreibt, sicher die Kreuze beim FC 1910 zählen, denn dort sitzt er mit im Vorstand. Die Vereinsschiene an sich hat den Zuschlag unter mehreren Bewerbern aber nicht erklüngelt, sondern die damit verbundene Verwurzelung im Ort.

Erst vor elf Jahren waren die Bordzios nach Frankfurt gekommen, um dort als Teilhaber in ein großes gastronomisches Unternehmen einzusteigen. Auf der Suche nach Kindergartenplätzen landeten sie dabei eher zufällig in Mammolshain, wo sie sich schnell „herzlich aufgenommen“ fühlten. Im Gegenzug haben sie sich dann auch in die Ortsgemeinschaft integriert, mit aller Kraft und auch aller Freude. „Weil die es können und viel Ortserfahrung haben“, wurden die aus der „gehobenen Hotellerie“ stammenden Neubürger also ausgewählt.

Treffpunkt für alle Generationen

Aus eigener Erfahrung setzt Christian Bordzio dann auch Neuzugezogene auf die Liste jener, für die man vorrangig da sein wolle, wie Ortsvorsteher Hans-Dieter Hartwich etwa so wiedergibt: „Der ‚Babbel-Pub‘ wird der neue Mittelpunkt im Dorf. Es ist ein Treffpunkt und Versammlungsort für die Bürger im Ort, für die Vereine und für Gäste von außerhalb. So etwas hat hier seit Jahren gefehlt.“ Das sieht auch Wirt Bordzio so, der sich freilich privat auch mit dem „Loch“ angefreundet hatte. Ein besonderes Kompliment macht er seiner Frau Sylvia, die er der Kinder wegen erst ein wenig überreden musste, bevor sie zustimmte, den Dorfmittelpunkt gemeinsam zu betreiben.

Nun aber startet das „Babbel-Pub“ optisch wie geistig offen in eine Zukunft, die hoffentlich bald auch ohne Corona-Bestimmungen weitere Ideen und Gäste in die ansprechend eingerichtete Wirtsstube mit dem großen, schiefen Spirituosenregal schickt. Anblick und Ausblick alleine sind schon einen Besuch wert, dazu kommt natürlich dann noch der gastronomische Aspekt, der Alltag und Wochenende voneinander trennt.

Kuchen und hessische Tapas ...

Während die Getränke natürlich ständig verfügbar sind, stehen unter der Woche zur abendlichen Öffnung kleine, aber hochwertige, handgemachte „Snacks“ auf der Karte, wobei die Tapas durchaus auch einen hessischen Einschlag haben können. Am Wochenende lockt der Treffpunkt dann mit Schnitzeln oder Hamburgern aus der warmen Küche und hausgemachten Kuchen zur Kaffeestunde.

Das „Babbel-Pub“ im Dorfgemeinschaftshaus, Oberstraße 4, ist Montag, Mittwoch, Donnerstag und Freitag ab 17.30 Uhr geöffnet, Samstag und Sonntag ab 11.30 Uhr. Als Feierabend wird 0 Uhr angestrebt, darüber wird man im „Babbel-Pub“ von Tag zu Tag aber auch reden können.

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