Königstein (as) – Beatrice Schenk-Motzko fühlt sich wohl an ihrem Arbeitsplatz, den sie jetzt seit gut vier Monaten innehat: den der Verwaltungschefin der Stadt Königstein im Taunus. „Ich freue mich jeden Tag aufs Rathaus, es ist ein sehr schönes Rathaus“, sagt die im Februar gewählte und am 1. Juni im Amt angetretene Bürgermeisterin. Die Präsenz und die Offenheit, die die 38-Jährige ausstrahlt, spürt auch der Redakteur der Königsteiner Woche beim Betreten des offenen Dienstzimmers, das so langsam die Handschrift der ersten Frau auf dem Chefsessel im Rathaus annimmt. Die Bücherwand – hauptsächlich mit Ordnern, Gesetzestexten und Verwaltungslektüre bestückt – sieht noch so aus wie unter ihrem Vorgänger Leonhard Helm. Neu hinzugekommen sind einige Geschenke, die sie zu ihrer Amtseinführung bekommen hat, und ein paar persönliche Stücke – unter anderem ein farbenfrohes Graffito, das ihr ein Mädchen nach einem Workshop bei „JUZ im Park“ in den Sommerferien geschenkt hat. Die andere Wand, die einst Bilder und Gemälde zierten, ist aber noch fast nackt, wodurch ein Bild besonders ins Auge fällt: „Goethe in der Campagna“, das berühmte Tischbein-Gemälde mit den zwei linken Füßen des Dichterfürsten, hat ihre Oma Hedwig im Alter von über 80 Jahren sehr akkurat nachgemalt. Es durfte gleich mit einziehen ins Bürgermeisterzimmer.
Der ruhende Goethe auf seiner Italienreise ist jedoch das genaue Gegenteil von Beatrice Schenk-Motzkos Alltag rund 240 Jahre später. Zum Durchschnaufen ist die Bürgermeisterin noch nicht gekommen. „Ich habe eine 70- bis 80-Stunden-Woche“, sagt die Christdemokratin. Meistens ist sie schon um 7 Uhr im Büro. Besonders der Montag mit seiner Magistratssitzung am Abend wird auch mal zum 15-Stunden-Tag, fast jeden Tag hat sie einen Abendtermin. Was sehr „sportlich“ oder auch anstrengend klingt, macht Beatrice Schenk-Motzko augenscheinlich Spaß. „Es ist ein Traumjob!“, sagt sie ohne jeden Vorbehalt – und das, obwohl ihr erster großer Verwaltungsakt, die Einbringung des Haushalts verbunden mit einem Defizit und einer satten Erhöhung der Grundsteuern für die Bürger, sicher nicht vergnügungssteuerpflichtig war. „Die Mischung aus Politik und Verwaltung, der ständige Austausch und die Vielfältigkeit, morgens nicht zu wissen, was bis abends passiert“, sind die Dinge, die der gelernten Verwaltungsfachangestellten einfach Spaß machen. Und es ist der Austausch mit den Menschen, der ihr wegen der Mammutaufgabe Haushalt und trotz ihrer vielen Termine bisher noch zu kurz gekommen ist. Sie berichtet – Stichwort „offene Tür“ – von der ersten Bürgermeisterin-Sprechstunde, die sie ob des großen Interesses auf zwei Tage gestreckt hat und die künftig quartalsweise stattfinden soll.
Transparenz als Leitbild
Transparenz will die 38-Jährige auch nach innen üben. Als Verwaltungsexpertin und frühere Inhaberin einer Stabsstelle in der hessischen Staatskanzlei weiß sie, wie wichtig und herausfordernd es ist, eine funktionierende Verwaltung unter sich zu wissen. In Königstein sind das rund 210 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Deswegen berichtet sie in ihrer „100-Tage-Bilanz“ auch sofort von der Personalversammlung an ihrem vierten Arbeitstag. „Ich wollte, dass wir uns bei Kaffee und Kuchen alle gegenseitig zu Gesicht bekommen.“ Dort habe sie vermitteln können, wie sie sich die Arbeit vorstellt: „Ich möchte einen kollegialen Arbeitsstil pflegen und Freiheiten walten lassen – jeder soll seine Kompetenzen ausleben können.“ Natürlich gebe es wöchentlich eine Fachbereichsleiterrunde, in der sie sich auf den Stand der Dinge bringen lässt, aber grundsätzlich verlasse sie sich auf die Arbeit der Fachleute im Haus. „Ich habe mich sehr intensiv mit dem Haus und den Kollegen beschäftigt, um die Prozesse, wie gearbeitet wird, zu verstehen. Und ich habe alle Außenstellen und auch die Feuerwehren besucht“. Und ihre Tür – wir hatten dieses Bild bereits – sei immer offen, was auch rege genutzt werde. „Die Stimmung in der Verwaltung ist gut“, sagt die Chefin im Brustton der Überzeugung.
Den Magistrat – also die parteilich unterschiedlich gefärbte Verwaltungsspitze – bezieht sie in diese Betrachtung ausdrücklich ein. „Die Zusammenarbeit klappt ganz gut, man kennt sich mittlerweile besser, beim Thema Haushalt (der von allen Magistratsmitgliedern mitgetragen wurde, Anm. d. Red.) haben wir lang und gut diskutiert.“ 13 Stunden waren es genau, wie die Bürgermeisterin schon bei der Vorstellung des Haushalts berichtet hatte. Und fügt jetzt gerne hinzu: „Es macht in diesem Klima Spaß. Bis zur nächsten Kommunalwahl werde ich nichts umstrukturieren.“
Letztlich hat sie auch die Fraktionsvorsitzenden der Parteien in der Stadtverordnetenversammlung, in der die Bürgermeisterin auf die Unterstützung wechselnder Mehrheiten angewiesen ist, zu einem gemeinsamen Frühstück eingeladen. Auch hier das Thema: sich in einem anderen Rahmen menschlich besser kennenlernen, auch mal Fragen außerhalb der Tagesordnung stellen. Auch dieses Treffen verbucht sie als Erfolg.
Zwei Partnergemeinden Königsteins hat Beatrice Schenk-Motzko ebenfalls bereits besucht. Im Sommer machte sie ihren Antrittsbesuch in Le Mêle-sur-Sarthe und vergangenen Freitag ist sie in die noch neue englische Partnerstadt Faringdon geflogen. Alles, was sich zwischenmenschlich steuern lässt, die weichen Faktoren, scheint die Bürgermeisterin auf einen guten Weg gebracht zu haben. Doch die harten Fakten, sprich die Finanzen, verlangen ihr auch einiges ab.
Betreuung und Jugendarbeit
Ein Thema, das die Mutter eines fünfjährigen Jungen sehr beschäftigt, ist die Kinderbetreuung, in der sie Königstein einerseits durch die mangelnde Zahl an Plätzen, andererseits als einzige Hochtaunus-Kommune ohne U3-Bezuschussung schlecht aufgestellt sieht. Das sei auch das Thema gewesen, das ihr bei der ersten Bürgersprechstunde am häufigsten gespiegelt wurde. „Für mich ist klar, dass Familien mit Kindern mehr Möglichkeiten finden müssen“, sagt sie. Und auch bei den älteren Kindern und Jugendlichen möchte sie gemeinsam mit Fachbereichsleiterin Manja Winkler-Hesse neue Akzente setzen. Ein erster war bereits, das Sommerprogramm im JUZ von der etwas abgelegenen Wiesbadener Straße in den beiden letzten Ferienwochen in die Konrad-Adenauer-Anlage in der Innenstadt zu verlegen, was auf eine sehr gute Resonanz bei Kindern und Eltern stieß. Schenk-Motzko spricht von „aufsuchender Jugendarbeit“, die sich auch an Ältere richte und in die Stadtteile komme. „Wir sind an einem Konzept dran!“, verspricht sie. In die gleiche Richtung führt der Runde Tisch zur U3-Bezuschussung, der demnächst eingerichtet werden wird.
„Es wird die große Aufgabe, bei den Haushaltsberatungen zu priorisieren“, wiederholt Schenk-Motzko gerne ihre Aussage gegenüber den Stadtverordneten, weil sie weiß, dass hier harte Runden – und vielleicht nicht immer so spaßige wie beim Kennenlernen – ins Haus stehen. Man müsse als Kommune den Bürgern für ihre Grundsteuer auch eine Infrastruktur bieten, stellt die Bürgermeisterin klar. Wozu für sie auch unbedingt die Stadtmitte zählt. Die Konrad-Adenauer-Anlage, der Kapuzinerplatz und die derzeitigen Parkplätze P1 und P2 sieht sie als „Herz der Stadt, als Visitenkarte“. Die Bürgermeisterin: „Ich denke, dass eine Neugestaltung wirklich nötig ist, aber man braucht an dieser Stelle Mut.“ Was die politischen Gremien durchaus als Aufforderung verstehen dürfen. „Ich muss weiterplanen, es gibt einen Beschluss der Stadtverordnetenversammlung, da kann man nicht lockerlassen.“ Bis Ende 2027 muss die Umsetzung der Grünanlage abgerechnet sein, um kein Geld aus der 5-Millionen-Euro-Bundesförderung zu verlieren.
Die geplante Zisterne vom Kurbad in die Stadtmitte und den Kurpark sei im Übrigen nicht unabdingbar an den Betrieb des Kurbades gekoppelt. Es gebe im Bereich des Kurbades genug Bachläufe und Oberflächenwasser, mit denen eine Zisterne für die Innenstadtbewässerung betrieben werden könne. Die Planungsbüros würden deshalb alle Varianten mit einbeziehen.
Dies sei allerdings nicht als Hinweis auf die Zukunft des Kurbades zu verstehen – das den bei weitem größten Batzen bildet innerhalb des Investitionsstaus von rund 200 Millionen Euro, den die Stadt vor sich herschiebt. „Für mich geht es darum zu bewerten, welche Punkte ein Zurückschieben im Zeitplan verkraften. „Ich will nicht davon sprechen, dass wir irgendwas gar nicht machen, sondern wann wir es machen“, so die Bürgermeisterin.
Wie Gewerbesteuereinnahmen mehr zur Entlastung des Haushalts beitragen könnten, steht auf ihrer Agenda weit oben. „Wir hoffen, schnell wieder eine Person für die Wirtschaftsförderung und das Stadtmarketing einstellen zu können, die sich um dieses wichtige Thema kümmert“, sagt die Verwaltungschefin. Also einen Nachfolger für den allzu schnell ausgeschiedenen Jörg Hormann zu finden. Diese Aufgabe sei „Chefsache“, deswegen werde diese Position als Stabsstelle auch direkt bei ihr angekoppelt. Bei dieser Aufgabe gehe es neben Leerstandsmanagement (wozu auch die Nutzung für Pop-up-Stores zählt) und Neuansiedlungen auch darum, wie man das bestehende Gewerbe fördern könne. In diesem Zusammenhang gelte es, ein – schon lange als nötig erachtetes – Leitbild für die Stadt zu entwickeln.
Neue Heimat Schneidhain
Und wie sind sie, ihr Ehemann Jannik und Sohn Paul nach dem Umzug aus der Burgstadt Bad Vilbel in der Stadt mit den zwei Burgen angekommen? Von ihrem neuen Zuhause in Schneidhain genießt sie ja quasi einen freien Blick auf die Königsteiner Burg. „Wir sind sehr gut in Schneidhain angekommen und fühlen uns dort sehr wohl“, sagt die Bürgermeisterin. Viele hätten ja nicht gedacht, dass das so schnell gehen würde, erinnert sie – mehr mit einem Augenzwinkern und zwischen den Zeilen – an die Vorbehalte, die ihr mancher als Bürgermeisterkandidatin von außerhalb entgegengebracht hatte.
Ihr Sohn gehe mit fünf Jahren bereits in die E1 der Schneidhainer Grundschule. „Er fühlt sich da sehr wohl, stolziert mit dem Ranzen in die Schule, das ist für mich als Mutter eine Erleichterung“. Das ist gewiss auch der Rückhalt der Familie durch ihre in Königstein lebenden Schwiegereltern, und auch die eigenen Eltern hätten es ja nicht allzu weit. Um persönlich trotz des fordernden Jobs der Mutterrolle gerecht werden zu können, ist sie „wenn möglich nachmittags zwei bis drei Stunden daheim“. Ihren Mann trifft sie dann meist erst abends nach ihren späten Terminen im Wohnzimmer. „Aber es gibt ja auch gremienfreie Zeiten, dann ist alles etwas entspannter.“ Ja, wenn der Haushalt und die weiteren Aufgaben in den zweiten hundert Tagen geschafft sind, ist auch für eine Bürgermeisterin irgendwann einmal Weihnachten.