„Fassenacht vom Feinsten“: Der Utschebebbes lockte in der Villa Borgnis wieder vom Hocker

Königstein
(hhf) –Von allen Therapien, die je im Kurhaus zur Anwendung kamen, ist die geballte Ladung Frohsinn, die bei „Locker vom Hocker“ gleich in der Familienpackung verabreicht wird, sicherlich die angenehmste – und die erfolgreichste, die Veranstaltung ist nämlich beinahe seit ihrer Gründung traditionell ausgebucht.

Auch in diesem Jahr hat sich das Veranstalterteam um Heinz Eichhorn wieder die größten Sahnehäubchen gesichert, um sein Programm am Fassenachtsdienstag abzurunden, mit dem die Fassenachter auf der Bühne und davor auch gleichzeitig das Ende ihrer Saison feiern. Pünktlich um 24 Uhr ist nämlich Aschermittwoch angesagt und damit Schluss mit lustig, zumindest auf der Bühne – rund um die Theke wird die Uhr freilich meist noch etwas angehalten.

Königsteiner Sinfonieorchester

Sport, Spaß, Musik und Kokolores kündigte das Moderatorenpaar Klaus Rätz und Lothar Vogt schon zur Begrüßung an, dazu tuschte Generalmusikdirektor Heinz Eichhorn („das Königsteiner Sinfonieorchester“) kräftig. Er hatte bereits zuvor das Publikum warmgespielt, überließ das Feld der Stimmungsmusik nun aber erst einmal den „Ochsenbachraben“. Die sechs Rheingauer Herren mit digitalem Schlagzeug luden im Namen des „Engel der Nacht“ vollmundig zum Tanzen ein, was aus Platzmangel aber eher in Schunkelei ausartete. Von „Y.M.C.A.“ bis „Fiesta Mexicana“ hatten sie – Hossa, Helau – reichlich bekanntes Liedgut mit eigenen Texten versehen und brachten so zum ersten Mal Bewegung in den Saal. Nur das mit dem Rhein, an dem die Feier angeblich stattfand, war nicht recht nachvollziehbar – die Probleme beim Austausch des einsilbigen Flussnamens gegen „Liederbach“ hingegen schon.

Sodener Prinzenpaar

Deutlich ortskundiger, da in Königstein wohnhaft, zeigte sich das Prinzenpaar Franziska und Florian, die auch privat den Lebensweg miteinander gehen. Samt Gefolge überbrachten sie die Grüße der Sodener Karnevals Gesellschaft 1948 e.V. (SKG) und versteigerten den letzten ihrer Ordens-Pins dieser Saison live für 111 Euro – kein schlechter Stundenlohn nach etwa zehn Minuten Feilschen, aber es ging natürlich um einen guten Zweck, nämlich die Ausbildung von Assistenzhunden.

Deutlich weniger von tierischen Produkten hielt Gerd Brömser, der seinem Publikum als Regional-Ökologe das Leben als Veganer nachhaltig nahelegte – oder wenigstens den Genuss von Fleischwurst aus Bodenhaltung („Nachts im Kühlschrank brennt noch Licht...“). Selbst beim Streiten mit seiner Frau verzichtet er nun nach 37 Jahren auf tierische Schimpfworte, „Silberdistel“ und „Erbsenzähler“ tun es ja auch. „Früher hatte ein Ehepaar zwölf Kinder, heute hat ein Kind zwölf Eltern“, wechselte er die Generationen seines Interesses um und machte sich Sorgen um die Zukunft der verhätschelten Abiturienten: „Dann warten 50 arbeitslose Akademiker acht Jahre auf einen Handwerker!“ Was soll man aber auch von Typen erwarten, die John-Wayne-Filme statt auf 12 Meter Leinwand im Handyfensterchen angucken?

Verkleiden als Indianer ist zu Fassenacht übrigens auch tabu, damit die sich nicht diskriminiert fühlen („dabei haben die ganz andere Probleme – sie müssen Donald Trump loswerden“) und an Halloween fragt man bald nicht mehr nach Süßem oder Saurem, sondern nach „vegan oder lactosefrei“.

Oberreifenberger Zombies

Die „Fragolinas Family“, beliebte Latino-Tanzformation aus Oberreifenberg um Trainerin Daniela Deyhle, zeigte sich inhaltlich mit eher rückwärts gewandtem Blick, nämlich auf runde zehn Jahre, die sie nun schon auf der Bühne stehen. Karibisch korrekt erschienen sie daher – erstmalig in männlicher Begleitung – zunächst als Zombies und ließen dann die Tänze der Vergangenheit wieder auferstehen.

Von Zombies wandelten sich die Fragolinas alsbald in rosa gekleidete Tänzerinnen, die unter anderem den rosaroten Panther (rund um Dr. Frankensteins Monster), vor allem aber alles Feurige zwischen Tango und Salsa präsentierten – mit bis zu zehn Personen auf der kleinen Bühne wahrlich eine Meisterleistung.

Zur allgemeinen Verwunderung ganz allein folgte Hansy Vogt, der eigentlich als Bauchredner mit Hase Felix angekündigt worden war. Das lag daran, dass er zunächst seine harte Jugend im Schwarzwald schilderte, die ihn dank Zwiebelkuchen zum ersten Schultag schnell zum Außenseiter gemacht hatte. Also hatte er sich auf dem Land daran gewöhnt, sich mit Haustieren anzufreunden und so kam Hase Felix ins Spiel, der sich freilich eher als aktiver Rammler sah und alle „Ledigen und anderen armen Teufel“ herzlich begrüßte. Für seinen Berufswunsch Osterhase hatte er schon gelernt: „Alles, was Federn hat, legt Eier“, wobei die Indianer etwas falsch eingeordnet wurden. Auch im Französischen haperte es bei dem eher schlitz- als langohrigen Showstar („Ehefrau heißt malheur, Schwiegermutter dann grand malheur...“) aber im Rechnen schoss er den Vogel ab: „Ich bin der Schnellste“ war nicht gelogen, denn er hatte nie behauptet, dass seine Ergebnisse auch richtig wären.

Abgerissene Hütte

Nachdem der nun wieder hasenlose Bauchredner als Zugabe einer Zuschauerin noch den BH aus dem Kostüm gezaubert hatte, räumte er unter Mitnahme des essbaren Hausordens aus der Konditorei Kreiner das Feld für Schlagerstar Patrick Himmel, der das Publikum auch sofort aufforderte, die Hände eben dort hin zu strecken. Unter dem Motto „Reiß die Hütte ab“ sprintete er über die Bühne und sicherte sich gleich den einzigen freien Stuhl im Saal, den er von „Eine neue Liebe ist wie ein neues Leben“ bis „Sweet Caroline“ und „Amarillo“ nicht mehr verließ, fröhlich umtanzt von den Zuschauern und -hörern im Saal.

Bei so viel Stimmung musste nun dringend einer für Ruhe sorgen, der Part für Heinz Eichhorn als Utschebebbes aus Quetschemummbach. „Mir geht‘s nicht gut“, jammerte er und legte nach: „Wo leben wir denn, wenn ich als Mann nicht mehr in Würde krank sein kann?“ Schließlich sei ein Mann ein hochkomplexes System, dessen Endstadium von Krankheit bei Donald Trump gut zu erkennen wäre. Damit es nicht so weit kommt hatte er eine Patientenverfügung aufgesetzt, die um Erlösung bat, falls er – nur noch von Maschinen abhängig – ausschließlich flüssig ernährt werden könne. Seine Frau ließ ihn dann allerdings nicht sterben, sondern schaltete den Fernseher aus und nahm ihm das Bier weg.

So genesen, beobachtete er seine Nachbarn („die Frau hat verbale Inkontinenz“) mit der Drohne, entlarvte die weiblichen Hormone im Bier („Wenn man zu viel getrunken hat, kann man nicht mehr Auto fahren“) und forderte als 70-Jähriger Rabatt im Bordell – Fassenacht vom Feinsten eben.

Trainerlose Tänzerinnen

Deutlich mehr Selbstbeherrschung brauchte das Tanzpaar Sabrina Stritter und Luisa Mazzotta, denn sie vollbrachten das kleine Wunder, nach der Polka-Solistin der letzten Jahre nun zu zweit auf der Mini-Bühne zu tanzen – sehr synchron natürlich aber mit Sprüngen und Radschlagen, wie es sich für Gardemädchen gehört. „Nur die Frisur hat leicht gelitten“, stellte Klaus Rätz nachher fest, der auch wusste, dass die beiden Damen sich alles ohne Trainer selbst angeeignet haben.

Darauf gönnte sich Detlef Sissol erst einmal einen Teller Nudelsalat in der Bütt. Der musste dringend weg, denn er hatte vor dem Hausfest mit den Nachbarn sein bestes Rezept verraten, und nun gab es neun Schüsseln davon. Nur er hatte Kekse beigesteuert, die die Oma immer für den Hund backt, aber der mag sie ja nicht ...

Die Frauen der Nachbarn hatten auch so ihre Fehler, eine so hohl, dass der Hai, der sie gefressen hat, drei Tage nicht tauchen konnte, eine andere machte Zeitarbeit im Stundenhotel und mit der Evolution der Gemahlin des Bio-Lehrers „war auch nicht alles glatt gelaufen.“ Der Anblick seiner eigenen Gattin veranlasste ihn zu der Frage „ist das Kunst oder kann das weg?“ und mit dem 500-jährigen Jubiläum der Frauenbewegung – runter vom Scheiterhaufen und ab in die Küche – verdiente er sich endgültig das „Uiuiui-Auauau“.

Mainzer Kürassiere

Schließlich wurde es zu Füßen der Burg wieder etwas ritterlicher – oder zumindest kriegerischer, denn Hennes und Dieter kamen in Uniformen der Mainzer Kürassiere, die sie auch besangen: „Vor früh um 5 geht kein Kürassier nach Hause“. Für „He de Meenzer“ tickte hingegen schon die Uhr, denn sie hatten wie immer das letzte (gesungene) Wort vor Aschermittwoch und der drohte in 20 Minuten. Stimmgewaltig verführten die ehemaligen Hofsänger noch einmal zum Schi-Scha-Schunkelen und auch zum Absacker in die Altstadt. Sogar der Aufforderung, sich einmal als Mainzer zu fühlen, kam die Narrenschar nach – historisch gesehen etwas mehr als 200 Jahre zu spät – und dann endete die Fassenacht wieder einmal sekundengenau in der Villa Borgnis, wohin manche der Akteure bewusst kommen, um eben dort das Ende der Saison zu begehen. Die sauren Heringe für den Folgetag hatten Anke und Carsten Brauns zwar schon im Kühlhaus liegen, doch war in dieser Nacht eher noch flüssige Verpflegung gefragt – vielleicht auch, weil Detlef Sissol in seiner Zugebe vor den Gefahren des Heimweges gewarnt hatte: „Da sind die Männer so betrunken, dass sie ihre Frauen fahren lassen.“

Wo ihm der „Utschebebbes“ das erste Mal über den Weg gelaufen ist, weiß Heinz Eichhorn nach 49 Jahren Bühnenpräsenz schon nicht mehr – möglicherweise im Odenwald –, doch er verkörpert den fröhlichen Gesellen mit dem Hang zur derben Zote alle Jahre wieder in den Narrhallas der Umgebung und natürlich auch zu seinem Fassenachtsfinale „Locker vom Hocker“ in der Villa Borgnis.
Fotos: Friedel

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