Feinster Wortwitz und Satire beim Event-Sommer

Uli Höhmann, Andrea Maria Fahrenkampf, Leander Bauer und Meike Harms (v.l.) bestritten den Poetry-Slam, während Laura Paloma durch den Abend führte.Foto: Diehl

Königstein (as/nd) – Zwei Schmuckstückchen der Kleinkunst haben die Besucher in den vergangenen Tagen beim Event Sommer in der Konrad-Adenauer-Anlage genießen können. Kabarett mitten aus dem (Schul-)Alltag und ein lyrischer Wettstreit beim Poetry-Slam sorgten wechselweise für Erheiterung und Begeisterung, für Kurzweiliges und Geistreiches – und das wie bei allen Veranstaltungen des Königsteiner Event Sommers bei freiem Eintritt.

„Budde braucht Schlaaf“ hieß das Programm am Donnerstagabend von Taunusgymnasium-Deutschlehrer Franz-Peter Budde, das mit hellwachem Wortwitz und feiner Realsatire daherkam. Der Name hatte seinen Grund in der kongenialen Rolle, die Alexander Schlaaf, Hobby-Schauspieler an der Volksbühne Bad Homburg und Schulsozialarbeiter am TGK, bei den politischen Dialogen im ersten Teil des Programms innehatte. Nach der Pause kam in Anne Burkhardtova noch eine ehemalige Schülerin und Mitglied von Buddes Schulkabarett am Louis-Vuitton-Gymnasium in Bad Prada (Vorsicht: Satire!) als Mutter im Elterngespräch und als Schulsekretärin auf die Bühne, und mit Kevin Haubitz war auch noch ein weiterer früherer Schüler mit musikalischem Zwischenspiel und zur Begleitung von Buddes umgedichteten Liedern mit von der Partie. Ein paar weitere Schüler, auch aus dem von Budde vor zehn Jahren gegründeten Schulkabarett, waren – und das ist in den Sommerferien in Königstein etwas Besonderes – ebenfalls gekommen, nebst gut 100 Zuhörerinnen und Zuhörern, für die der Königsteiner Veranstaltungsmanager Ronald Wolf zur planmäßigen Bestuhlung sogar einige zusätzliche Bierbänke aufstellen musste.

Ja, im letzten Satz wurde gegendert – auch ein Thema, dem sich Budde auf witzige, aber auch bedenkenswerte Weise widmete. „Ich verstehe die Intention dahinter“, sagt der Deutschlehrer Budde, mit der Umsetzung mit Binnenzeichen ist er aber nicht einverstanden. „Ich sehe nur noch Sternchen und nicht mehr die Menschen, die es verdient hätten“, hielt er in dem Zwiegespräch seinem Widerpart Alexander Schlaaf entgegen, der einen engagierten Vertreter des Genderzwangs gab. Politisch wurde es an weiteren Stellen, etwa bei den Nummern zum Klimawandel – ob zum einstigen Wassernotstand in Königstein und dem Konflikt, den privaten Pool dennoch füllen zu müssen, oder den Hochwassern in diesem Jahr in Niedersachsen und im Saarland. „Ohne Gummistiefel kann man in Deutschland keine Politik machen, nur die Außenministerin inszeniert ihre Patschefüße“, so Buddes Beobachtung. Auch die „Pandadiplomatie“ eines Markus Söder in China konnte er nicht unkommentiert lassen: „Wenn er ein Tasmanischer Teufel wäre, dann wäre er der einzige seiner Spezies, der in jede Fotofalle tappt.“

Der gebürtige Westfale Budde feuerte mehr als zwei Stunden lang sein breites Repertoire ab, das er sich vor allem seit seinem Umzug in Königstein im Jahr 2002 aufgebaut hat – und dessen Alltags-Gedichte, die auch an diesem Abend für strapazierte Lachmuskeln und großen Applaus sorgten, regelmäßig in der Königsteiner Woche einen Platz finden.

Bei seiner Inspirationsquelle Schulleben ging es um die Wespenjagd im Klassenraum mit von Insektenleichen übersäten Klassenbüchern, pubertäre Schülergespräche in den Umkleiden im Schwimmunterricht oder auch eine Odyssee bei der Rückfahrt mit der Deutschen Bahn von einer Klassenfahrt nach Hamburg, nach der die Schüler ihren in „Jagdfahrzeugen“ zum Bahnhof gekommenen Eltern erleichtert in die Arme fallen wie nach einem Survival Camp, während Lehrer Budde einfach zu Fuß nach Hause geht.

Ja, das Taunus-Bürgertum hat es dem Wortschöpfer angetan, es bekommt mehrfach sein Fett weg – augenzwinkernd versteht sich. Wie bei der Nummer „Ein Rhodesier im Flammkuchenhaus“ über einen ursprünglich für die Löwenjagd im südlichen Afrika gezüchteten Rhodesian Richback und die Besitzerin dieses „Rottweilers der Bourgeoise“ sowie deren Interagieren mit anderen tierischen und menschlichen Restaurantbesuchern.

Aber Prinzipien haben diese Königsteiner. Als der Regierungspräsident im Schulsekretariat anruft und dem Louis-Vuitton-Gymnasium einen Geschichts- und Sportlehrer aus dem Thüringischen (wer könnte wohl gemeint sein?) andienen möchte, da macht die Schulsekretärin klar: „In Königstein gibt es keinen Rassismus, nur Kapitalismus. In Königstein ist man mit seinem Kontostand integriert.“

Einfach nur ans Herz ging Buddes Geschichte „Mein grauer Taschenrechner“ über die untrennbare Beziehung des Pädagogen zu seinem Casio FX 95 („Er kam zu mir, um zu bleiben“), und zum Ende seines gut zweistündigen Programms bewies Budde, dass er auch singen kann.

Bei „Atemlos zum Abitur, bei G8 da rennt die Uhr“ stimmt das Publikum mit ein – und als Budde die Fußball-Europameisterschaft in das bekannteste Lied von Leonard Cohen hineindichtete, hieß es nach dem entscheidenden Handspiel der Spanier gegen Deutschland einfach nur noch „Hallelujah“.

66 Jahre alt ist Budde, das kommende Schuljahr soll sein letztes werden. Kommt dann die nächste Karriere als Kabarettist? Wohl eher nicht, sagte er am Donnerstag, dafür bräuchte er Mitstreiter. Aber vielleicht ist hier auch noch nicht das letzte Wort gesprochen – bei einem echten Typen wie Franz-Peter Budde würde das niemanden wundern.

Meisterlicher Poetry-Slam

Am vergangenen Samstag ging es weiter mit der Kleinkunst im Rahmen des Event Sommers – und zwar mit dem bekannten Poetry- Slam, einem literarischen Wettbewerb, bei dem selbstverfasste Texte – ohne Requisiten oder Verkleidungen – vorgetragen werden. Den Sieger kürte das Publikum durch Applaus. Vier Wortkünstler waren bei erneut bestem Wetter zum Wettbewerb angetreten, der von Profi-Slammerin Laura Paloma souverän moderiert wurde. Auch hier zahlreiche Besucher, die sich auch auf mitgebrachten Decken vor der Bühne tummelten, nicht ohne zwischendurch einen Abstecher zum Essens- und Getränkeangebot an der Oechsle-Weinbar zu machen.

Erster Kandidat war Uli Höhmann, amtierender Hessenmeister im Poetry-Slam. Der für seine lautstarke Performance bekannte Kabarettist, Journalist, Moderator und Autor aus Frankfurt hatte mit seinem Bericht über einen Andalusienurlaub die Lacher auf seiner Seite. „Die Nacht ist da und mit ihr ratatata, die Müllabfuhr von Malaga.“

Andrea Maria Fahrenkampf, saarländische Slam-Meisterin des Jahres 2017, trat als Nächste an. In ihrem humoristischen Vortrag über Prokrastination, sozusagen die Kunst, etwas aufzuschieben, erkannte sich wohl so manch einer wieder. „Mit halb gutem Gewissen und ein wenig Sorgen, denke ich mir: Den Rest mach ich morgen“, beschrieb sie das Lernen für eine Klausur.

Leander Bauer, amtierender Slam-Meister von Rheinland-Pfalz in der Gruppe der unter 20-Jährigen, beschrieb einen Nachbarschaftsstreit zwischen Goethe und Schiller. Nachdem diese sich über ein Loch unter dem Gartenzaun gestritten hatten, vertrug man sich wieder. „Als Schiller eines Tages viel zu früh verstarb, weinte Goethe bitterlich an seinem Grab“, so Bauer.

Ernstere Töne schlug Meike Harms an, Vizemeisterin im deutschsprachigen Poetry-Slam. Sie bezog sich auf einen Text von Bertolt Brecht – Das Lied vom Anstreicher Hitler. Sie beschrieb, wie sie ihren Kindern erklärte, was man gegen einen Despoten tun kann und sicherte sich damit den Einzug ins Finale. „Ich habe die Macht der Worte und fühle mich doch oft machtlos“, erklärte Harms.

Nachdem die drei verbliebenen Kandidaten erneut gegeneinander angetreten waren, stand mit Andrea Maria Fahrenkampf, welche die Vor- und Nachteile ihrer geringen Körpergröße abwog, die zweite Finalistin fest. Die endgültige Siegerin war schließlich Meike Harms, die über die Tücken der Partnersuche sprach. Ihr witziger Preis – ein Fläschchen Seifenblasen – war dann vielleicht ein Hinweis, dass Sprache mehr als leere Wortblasen ist, vielmehr ein scharfes Schwert, das man gezielt und friedlich nutzen sollte.

Auch nachdem das Bühnenprogramm beendet war, genossen noch einige Besucher den lauen Sommerabend in der Konrad-Adenauer-Anlage. Wer die Veranstaltung verpasst hat und gerne mal einen Poetry-Slam erleben möchte, sollte sich den September vormerken. Vom 19. bis 21. September findet die Hessische Poetry-Slam-Landesmeisterschaft in der „Goldenen Krone“ und der „Centralstation“ in Darmstadt statt.

Weiteres Programm

Aktiv geht der Event Sommer mit dem Yoga Zentrum Main-Taunus am Donnerstag, 25. Juli, von 19 Uhr an weiter. Mitmachen ist erwünscht!

Ein spannendes Kopf-an-Kopf-Rennen mit den härtesten Gitarrenriffs und Soli am Schlagzeug verspricht wieder der „Battle of the Bands“ am Freitag ab 19 Uhr zu werden. Denn der Gewinner, den neben einer Jury auch die anwesenden Rockfans wählen dürfen, bekommt den 13. und letzten Slot für Rock auf der Burg am 10. August und spielt dort sogar den Opener. Darum bewerben sich Admiral Camilla, Blizzclub, Violet Tomorrow und als Special Guest ATRIO.

Wer eher aktuelle Chart-Breaker, Soulklassiker und Oldies hört, und das in unterschiedlichsten Sprachen wie Portugiesisch, Türkisch und österreichischem Dialekt, der ist beim Lagerfeuerkonzert mit der Frankfurter Band The Gypsys am Samstag ab 19 Uhr garantiert richtig.

Akustik-Pop schließt dann am Sonntag, 28. Juli, ab 15 Uhr, das Wochenende ab. Carpet Ride & Anja Mann haben sich vorgenommen, mit dem passenden Puls und Vibe für einen entspannten Nachmittag zu sorgen.

Alle Veranstaltungen des Event Sommers finden in der Konrad-Adenauer-Anlage in der Stadtmitte statt.

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