Bad Soden/Königstein (es) – Das Orchester Camerata, das aus Amateurmusikerinnen und -musikern besteht, ergänzt durch Professionelle, die auch im Orchester als Stimmführer fungieren, ist zum zweiten Mal ins Seniorenstift Augustinum nach Neuenhain eingeladen worden. Damit hatte die Kulturbeauftragte Sandra Zechiel wieder ein gutes Händchen bewiesen, und ein recht gut besuchter Vortragssaal zeugte vom Interesse.
Zum Auftakt in die musikalische Stunde erklang Johann Sebastian Bach. Ein Konzert für zwei Violinen, Streicher und Basso continuo in C-moll BWV 1060, das er in seiner Köthener Zeit um 1720 komponierte. Ursprünglich hatte Bach die Oboe als Soloinstrument vorgesehen oder zwei Cembali, aber hier fungierten zwei Streicher für diese Stimme. Die Geigerin Jooni Hwang und der Geiger Antonio Pellegrini konnten für dieses Konzert wieder vom Dirigenten Franz Josef Staab gewonnen werden. Beide sind anerkannte Musiker in unterschiedlichsten Formationen, von Pop bis Klassik.
Dem Ablauf des Konzertes tat die Wahl gut, das strukturierte Werk von J. S. Bach an den Anfang zu setzen. In drei Sätzen 1. Allegro, 2. Adagio, 3. Allegro spielte sich das Orchester ein und fand im 3. Satz zu einer tänzerischen Bourrée, wie es von Bach gedacht war.
Vier weitere Kompositionen folgten, die allesamt das Orchester in seiner Spielfreude zeigten.
W. A. Mozarts Divertimento in D-Dur KV 136, auch als Salzburger Symphonie bekannt, entstand nach seiner Reise nach Italien. Erst 15-jährig, nahm er alle Eindrücke dieser Reise wie ein Schwamm auf. Jede Stadt, jede Landschaft, die Menschen beflügelten sein musikalisches Schaffen. Das erste Divertimento sprüht vor Lebenslust, das hier von den beiden Geigern und der Cellistin Liudmilla Firagina, ebenfalls Stimmführerin, in fröhlichem Tempo und Zusammenspiel erklang. Schnell – langsam – schnell, so die Sätze, die gespielt wurden. Das Tempo war wohl für einige Geigerinnen und Geiger eine Herausforderung, so mancher Ton rutschte weg.
Davon war nichts mehr zu hören im weiteren Verlauf des Konzertes. Verzaubernd erklangen von Edvard Grieg, Op.34 Herzwunden und Letzter Frühling, zwei elegische Melodien. Im Jahr 1880 hatte der Norweger Grieg zwölf Gedichte von A. O. Vinje vertont und zwei davon für Streichorchester. In Vinjes Gedicht „Herzwunden“ kommt der Schmerz zum Ausdruck, den die Kämpfe des Lebens verursachen, aber auch der Glaube daran, dass das Herz überwindet.
Es bedurfte keiner Anstrengung der Zuhörerinnen und Zuhörer, um den Orchestermitgliedern glaubhaft abzunehmen, dass sie sich mit diesen tiefen Gefühlen musikalisch auseinandergesetzt hatten. Wunderbar tief empfunden wurde die Ursprungsmelodie herausgestellt und immer wieder neu eingebracht. Ob Geigen, Celli oder Kontrabass – alle führten das Stück zu einem Klangerlebnis.
Es folgte „Letzter Frühling“, in dem der Dichter die Schönheit der erblühenden Natur nach dem harten Winter beschreibt, mit einer bitteren Note, es könnte sein letzter sein. Zwei Strophen wurden von Grieg klanglich umgesetzt und hier einleitend von zwei Geigen, dann kamen die „dunklen“ Celli dazu und zuletzt folgte das ganze Orchester. Es war ein Moment zum Augenschließen, um diese zarte Musik auf sich wirken zu lassen.
Mit Jacques Offenbachs Musette Op.24, im 17. Jahrhundert komponiert, zeigte die Cellistin Liudmilla Firagina, die in St. Petersburg studiert hat, ihr ganzes Können. Grieg selbst war ein Cellovirtuose gewesen. Musette bezeichnet ein tänzerisches Werk, das hier genauso zu hören war. Gezupft oder gestrichen, Firagina brillierte und das Orchester überließ ihr den Vortritt, begleitete zurückhaltend ihr Cellospiel zum Hörgenuss.
Als weiterer musikalischer Höhepunkt zeigte sich Jean Sibelius Impromtu Op.5 Nr. 5-6, Anfang 1894 komponiert. Der finnische Komponist Sibelius wurde weltweit bekannt durch sein Orchesterwerk „Finnlandia“. In diesem Musikwerk zieht die finnische Landschaft mit ihren Seen und Wäldern am inneren Auge vorbei. So auch in diesem kleinen Orchesterwerk, das wie eine Filmmusik erklang und von der Camerata hervorragend zu Gehör gebracht wurde. Dem Orchester gelang es, zu erzählen und Stimmungen wiederzugeben. Der Wechsel zwischen Dramatik und Beruhigung mündete in einem nicht enden wollenden zarten Ton am Ende des Stückes. Auch wieder eine Verführung zum Augenschließen und nach Innen hören.
So freuten sich die Menschen im Vortragssaal, als ihr begeistertes Klatschen das Orchester zu einer Zugabe aufforderte und noch einmal Edvards Grieg „Letzter Frühling“ erklang.
Gut und gerne hätte man noch eine weitere Stunde dem Orchester Camerata gelauscht. Ein Wiederhören ist erwünscht.