„Zur Geschäftsordnung“: 75 Jahre Königsteiner Abkommen

Begrüßung verschiedener westdeutscher Ministerpräsidenten am 30. August 1950 auf der Terrasse des Villa Rothschild (v.l.) Hinrich W. Kopf (MP Niedersachsen), Max Brauer (Bürgermeister Hamburg), Christian Stock (MP Hessen), Karl Arnold (MP Nordrhein-Westfalen) und Ernst Reuter (Bürgermeister Berlin). Foto: Hessisches Staatsarchiv Darmstadt

Königstein (kw) – Die Ministerpräsidenten der neuen Bundesrepublik Deutschland waren sich knapp zwölf Monate nach der Konstituierung des Bundesrates in Bonn noch nicht einig, nach welcher Geschäftsordnung in den nächsten Jahrzehnten einmal pro Jahr der Präsident des Bundesrates bestimmt werden sollte. Also traf man sich am 30. August 1950 – vor 75 Jahren – , wie schon etliche Male zuvor, im „Haus der Länder“ Villa Rothschild in Königstein, dem „Zentrum der Länder“, wie der Hessische Ministerpräsident Christian Stock damals zu Protokoll gab. Heraus kam am Ende des Tages das „Königsteiner Abkommen“, oft auch als „Königsteiner Vereinbarung“ bezeichnet.

Schaut man auf das stenografische Protokoll des Treffens, dann ist dort ein Kuriosum zu sehen, was es so wohl später nie mehr gab: Die Sitzung der westdeutschen Ministerpräsidenten inklusive des Regierenden Bürgermeisters von Berlin und die Sitzung des Bundesrates fanden gleichzeitig statt und waren personell ein und dasselbe und wurden daher im Protokoll auch so vermerkt. Schließlich war jeder Ministerpräsident gleichzeitig Repräsentant seines Landes im Bundesrat.

Aufgrund der „Königsteiner Vereinbarung“, die natürlich im Verlauf der Geschichte vor allem wegen des Beitritts der Länder auf dem Gebiet der ehemaligen Deutschen Demokratischen Republik 1990 modifiziert werden musste, steht also bereits seit langem fest, dass das Land Bremen ab Oktober den Vorsitz im Bundesrat übernehmen wird. Den Vorsitz der Ministerpräsidentenkonferenz der deutschen Länder wiederum führt ab Oktober 2025 für ein Jahr der Ministerpräsident von Rheinland-Pfalz. Die Parallelität von Bundesrat und Ministerpräsidentenkonferenz und ihren sehr weitreichenden Gestaltungsmöglichkeiten in der Bundesrepublik wurde vor allem während der Corona-Krise deutlich.

Zum 75. Jubiläum im „Haus der Länder“ Villa Rothschild ist seitens der öffentlichen Hände nur eine Erklärung des Bundesrates geplant, die am Ende der dieser Woche erscheinen wird.

Die Villa Rothschild selbst ist inzwischen zweimal von der Bundesstiftung Orte der deutschen Demokratiegeschichte als „Ort der Demokratiegeschichte“ ausgezeichnet worden. Seitens des Neuen Königsteiner Kreises e.V. sind inzwischen mehrere Publikationen, insgesamt 21 Youtube-Beiträge und eine Bauzaun-Ausstellung zum Thema erstellt worden. Es bleibe zu hoffen, so der Königsteiner Kreis, dass in den kommenden Jahren auf dem Gelände des Fünf-Sterne-Hotels etwas an die besondere Geschichte des Hauses erinnern wird.

Heute finden sich im Internet zur „Königsteiner Vereinbarung“ Beiträge unter:

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Doch die Villa Rothschild wurde auch in ihrer Zeit nach dem „Haus der Länder“, dessen Bedeutung als Treffpunkt der westdeutschen Ministerpräsidenten nach dem August 1950 beendet war, später zum zweiten Mal zu einem besonderen Ort unserer Demokratiegeschichte: Offiziell durch die „Königsteiner Entschließung“ westdeutscher Juristen und Staatsanwälte zum Umgang mit NS-Verbrechern im Jahr 1966, inoffiziell als Aufenthalts- und Aktionsort zeithistorischer Figuren wie Robert Kempner (stellvertretender Chefankläger in den Nürnberger Kriegsverbrecherprozessen) oder Widerstandskämpfer Otto John. Dieser Teil der Geschichte des Hauses sei bisher insbesondere vor Ort nicht bekannt, glaubt der Königsteiner Kreis, für den sich hiermit ein neues, wenn auch durchaus brisantes Arbeitsfeld, auftue.



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