Historie der Chorgemeinschaft 1860

Der 1860 gegründete Gesangverein „Concordia“ wurde am 18. Juli 1886 auf der Burg fotografiert. Mit dieser Aufnahme hat Franz Schilling sein ältestes bekanntes Vereinsfoto geschaffen. Fotos: privat

Königstein (pu) – Die sechs Beherzten, die den Verein aus der Taufe hoben, waren Peter Brühl, Adam Keutner, Jakob Reul, Michael Richter, (Lehrer) Johann Schlimm sowie Kaspar und mitnichten die Ersten, die in der Burgenstadt den Versuch unternahmen, Herren der Schöpfung mit Vorliebe für Gesang in einer Interessengemeinschaft zu bündeln. Mit diesem Gedanken hatte sich schon der Lehrer Wohlfahrt 1839 getragen und im Gasthaus „Zum Löwen“ – das bis vor kurzem auch als „Parkhotel Bender bekannt war – den Gesangverein „Caecilia 1839“ mit Schwerpunkt Kirchenlieder gegründet. Dieser musste allerdings 1848 nach der Revolution und deren Folgen aufgelöst werden.

Als sich zwölf Jahre später die Stimmen für einen neuen Anlauf mehrten, gab es kein Halten mehr. Mangels existierender Zeitung machten die Vorreiter ihr Ansinnen, wie Vereinsmitglied Gerhard Halberstadt in einer humorvollen Zeitreise berichtete, in den lediglich drei Straßen Königsteins per Ortsschelle bekannt. Davon motiviert erschienen nur eine Woche später 23 Männer zur ersten Probe. Als Chorleiter und 1. Vorsitzender fungierte Lehrer Schlimm.

Statuten

Ein Blick in die im Februar 1866 von allen Mitgliedern unterschriebenen Statuten offenbart, es wurden nur Lieder gesungen, „deren Inhalt nicht gegen Moral verstößt, sondern religiös erbaut und anständig erheitert. Daher erscheinen uns zur Einübung Kirchen- und Volkslieder geeignet. Für Anschaffung von Licht, Holz und Musikalien hat jedes Mitglied wöchentlich drei Kreuzer an den gewählten Rechner der Gesellschaft zu entrichten.“ Des Weiteren hatte den zweimaligen Gesangsübungen mittwoch- und samstagsabends „präcis 8 Uhr jedes Mitglied beizuwohnen.“ Ansonsten wurden Straf-Kreuzer fällig. Über Neuanmeldungen beriet man nach Bekanntgabe der Namen in drei Übungsstunden und stimmte geheim ab durch Auskugeln in Zusammenkünften, die zunächst in verschiedenen Wirtshäusern und in der Schule stattfanden.

Vereinslokal

An letztgenannter Einrichtung nahm diese Zeit im Winter 1873 ein Ende, als dem Verein ein Schreiben aus Bad Homburg auf den Tisch flatterte mit dem Tenor, „man möge bei den Gesangsabenden die nächtlichen Unzuträglichkeiten lassen, sondern um 21 Uhr die Probe beenden“. Das war selbstredend nicht im Sinne der Herren, doch ein Ersatz rasch gefunden. So ist laut Halberstadt im Stadtarchiv vermerkt, beim Sinnieren auf Abhilfe hätten die Sänger aus dem Fenster gesehen, dabei sei ihr Blick auf das Gasthaus ,Zum Hirsch“ gefallen. Eine glückliche Fügung, ein Meilenstein in der Vereinschronik, denn für exakt 107 Jahre, bis zur Schließung des Lokals 1980, hatten sie ihre gesangliche Heimat gefunden, probten dort nicht nur, sondern feierten beispielsweise auch Geburtstage. Bemerkenswert: So manch Königsteiner steuerte das Gasthaus vor allem an den Probetagen der Sänger an.

Aus den Vereinsjahren zwei und drei datieren weitere wichtige Ereignisse, zum einen 1862 die Vorstellung der Vereinsfahne auf der Burg, die auf großes Interesse stieß und 1863 die erstmalige Beteiligung an einem Volksfest auf dem Altkönig und bei einem auf dem Paradeplatz der Burg begangenen 50-jährigen Jubiläum der Völkerschlacht bei Leipzig. 3.000 Teilnehmer und 15 beteiligte Vereine sollen es gewesen sein.

Der Burghügel entwickelte sich zur beliebten Veranstaltungsstätte, ob Bundessingen des Taunus-Sängerbundes im Mai 1872, Preissängerfest im Juli 1877 oder Bundesfest des Main-Taunus-Sängerbundes, dem die Königsteiner Sangesbrüder zwei Jahre zuvor beigetreten waren, im August 1899. Besondere Erwähnung findet in den Chroniken anlässlich des 50-jährigen Vereinsgeburtstages 1910 auf dem Festplatz in der Klosterstraße, dass 27 Ehrenjungfrauen zugegen gewesen sein sollen. Außerdem wurden ein Kaiserpreis (Silberne Königsmedaille) und drei Fürstenpreise gestiftet. Protektorin des Sängerfestes war Großherzogin Adelheid. Deren Tochter, Großherzogin Hilda von Baden, schenkte 1922 die Burgruine der Stadt Königstein.

Längst hatte die „Concordia 1860“ ihren festen Platz im kulturellen und gesellschaftlichen Leben der Burgenstadt gefunden. Den langjährigen Leiter Heinrich Gottschalk löste Hoforganist Karl Adam ab. Vom Liedgut her wird besonders die Hymne ,,Sonnengesang“ von Kurt Lissmann mit Text von Dante ,,mit dem das Klima der Stadt Königstein beeinflusst wurde.“ Die Kurverwaltung bezog die ,,Concordia“ oft in ihr Programm mit ein. Im 1. Weltkrieg sang der Verein häufig in Lazaretten, der Großteil der Vereinsmitglieder musste jedoch selbst einrücken, 13 kamen nicht mehr zurück. Lehrer Karl Adam bildete mit dem Rest ein „Kriegsquartett“. Nach dem Krieg entwickelte sich der Chorgesang unter Karl Adam positiv, 1929 übergab er die musikalische Leitung an H. J. Staudt, als Erster Vorsitzender fungierte Christoph Müller von 1927 bis 1938, der an seinen Sohn Josef übergab.

Festereignisse

Und schon stand „75 Jahre Concordia“ an, das 1935 mit einem Kreiswertungssingen gefeiert wurde. 15 Jahre später, beim 90. Geburtstag, war der Verein glücklich über 86 aktive und 100 passive Mitglieder in seinen Reihen und setzte gleichzeitig mit dem ersten Fest nach dem Zweiten Weltkrieg ein Ausrufezeichen für den Anbruch besserer Zeiten. 951 etablierte sich das Königsteiner Burgfest, 1952 war die „Concordia“ beim Umzug dabei, ab 1953 die „Minnesänger“ mit einer Weinstube in der Schlossküche und im Festzug.

Das 100-jährige Jubiläum im Jahre 1960 stellte einen Höhepunkt der Concordia in ihrer langen Vereinsgeschichte dar, an das sich noch einige der heutigen Mitglieder gern erinnern. 60 aktive Mitglieder unter Dirigent Berthold Egenolf und 111 passive Mitglieder werden im Festbuch genannt.

Chorgemeinschaft 1860/1899

Dennoch zogen Wolken am Sängerhimmel auf, denn von den Sorgen vieler Vereine in puncto Mitgliederschwund blieben auch sie nicht verschont. Dieser Entwicklung Rechnung tragend, entschlossen sich die Verantwortlichen der Concordia und des Männergesangvereins Germania 1899, dem es nicht anders erging, für einen Zusammenschluss, der am 14. Februar 1967 in die Tat umgesetzt wurde unter dem neuen Namen ,,Chorgemeinschaft 1860 Königstein, wobei das Gründungsjahr der ,,Concordia“ in den Namen einfloß.

Als Concordia-Ehrenmitglieder waren 1966 Adam Thoma, Wilhelm Jung, Anton Spengler und Wilhelm Brühl notiert, unter den Sängern befanden sich unter anderem so bekannte Königsteiner wie Theo Flugel, Ernst Moos, Toni Bender, Martin Heber, Josef Nermerich, Paul Wiedmann, Georg Geis, Rainer Kowald, Heinrich Bender, Eernst Georg Hess und Fritz Niegemann. Nachfolger von Musikdirektor Gondlach war Chordirektor Edmund Ostländer. Von Kowald, der 1966 vom Schriftführer zum Vorsitzenden der Germania aufgerückt und befreundet mit dem Vorsitzenden der Concordia Joseph Müller war, ging seinerzeit die Initiative zum Zusammenschluss der beiden großen Königsteiner Gesangsvereine aus. Eine vielversprechende neue Ära schien ihren Lauf zu nehmen, doch der Fortgang des Dirigenten im Jahre 1969 und der Tod des Frontmanns Josef Müller 1971 hinterließ ein gewisses Vakuum, zumal man mit den folgenden Dirigenten nicht viel Glück hatte und sie deshalb häufig wechselten.

Erst 1977, als KMD Adolf Gräser den Chor übernahm, ging es musikalisch wieder aufwärts, wobei man dennoch nicht bei zahlreichen Anlässen fehlte. 1970 übernahm Rainer Kowald die Vereinsgeschicke, übergab nach 16 Jahren an Gerhard Fischer.

Das 125-jährige Jubiläum wurde 1985 wieder in großem Rahmen gefeiert. 36 aktive Sänger halfen bei der Gestaltung eines Festabends mit. Kinder- und Jugendchorsingen, Prädikatswertungssingen, Freundschaftssingen und Bürgerball fanden große Resonanz. 116 passive Mitglieder zeigten die weiterhin hohe Unterstützung des Vereins in der Stadt.

Im Jahr 2000 die nächste Zäsur, nachdem die Chorgemeinschaft und auch der Männerchor 1893 beide der Meinung waren, nicht mehr genügend Sänger zu haben, gründeten sie einen Projektchor „Die Singgemeinschaft von Chorgemeinschaft 1860 und Männerchor 1893“, um dort ihre gesanglichen Aktivitäten zu bündeln, wobei beide Vereine weiterhin als eigenständige Vereine zusätzlich zur Singgemeinschaft geführt wurden und noch werden.

Sing mit Swing und Männer pur

Im Rahmen der Singgemeinschaft wurde 2007 der Frauenchor „Sing mit Swing“ gegründet und die Männer singen seit 2018 unter dem Namen „Männer Pur“. Die Singgemeinschaft ist seit 2019 ein eigenständiger eingetragener Verein unter dem Namen „Die Singgemeinschaft 1860/1893 e.V.“.

Die Verantwortlichen legen jedoch Wert darauf, dass die Singgemeinschaft nur die Plattform für gemeinsames Singen, die Chorgemeinschaft weiterhin ein aktiver und gesunder Verein ist. Die eigene Gruppierung „Die Minnesänger“ singt seit 1953 auf den Burgfestumzügen oder betreibt während des Burgfestes die Schlossküche. Nachdem am Abend zuvor die Burgfräulein-Loge und der Bereich davor zum Beben gebracht wurde, konnten die Aktiven sich einmal mehr über die vom Burgfräulein verliehene Prämierung „Keller des Jahres 2019“ freuen.

Kurzum: Die Aktiven eint der Gedanke, dem veränderten Freizeitverhalten der aktuellen Zeit zum Trotz, die Freude am gemeinsamen Singen in die Welt zu tragen. (siehe auch weiteren Bericht in dieser Ausgabe).

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