„Jamaika“ in Königstein macht die neue Stadtmitte möglich

Königstein (as) – Königsteins Stadtverordnetenversammlung hat am vergangenen Sonntag einen Politthriller erlebt. Der Tagesordnungspunkt zur Neugestaltung der Innenstadt wurde geprägt von einer zugespitzten Debatte, taktischen Manövern, Änderungsanträgen aus fast allen Fraktionen und einer Sitzungsunterbrechung, die auch für interfraktionelle Verhandlungen genutzt wurde, bis es am Ende zu einem denkbar knappen Abstimmungsergebnis kam – mit 19 Ja-Stimmen bei 15 Nein-Stimmen und zwei Ausführungsplanungen des Magistrats. Die Innenstadt wird damit in den kommenden rund drei Jahren zunächst zur Großbaustelle und wird dann ein komplett neues – wenn es nach den Befürworter geht, grünes und einladenderes – Gesicht erhalten.

Nur der mit 1,8 Millionen Euro veranschlagte Pavillon für die Kur- und Stadtinformation wurde vorerst komplett aus der Planung herausgenommen und die Kosten der Überdachung der Bussteige am neuen zentralen Busbahnhof waren bereits in den Ausschüssen von einer Million auf 500.000 Euro reduziert worden. Der Busbahnhof auf der Fläche des Rosengärtchens und die sechs Millionen Euro teure Tiefgarage darunter – der mit Abstand umstrittenste Teil des Entwurfs – werden dagegen kommen. Die geschätzten Kosten für den Umbau der Innenstadt sind damit um 2,3 Millionen auf 16,35 Millionen Euro gesunken, abzüglich der sicheren (fünf Millionen Euro Umgestaltung der urbanen Räume) und erwartbaren Förderung (für den barrierefreien Umbau des Busbahnhofs) wird die Stadt nach aktueller Planung noch rund 9,4 Millionen Euro tragen müssen.

Wie in einem echten Thriller, so auch in der Politik gab es am Ende eines nervenaufreibenden Drehbuchs Gewinner und Verlierer. Als Gewinner durfte sich die Verwaltung um Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko (CDU) fühlen, die die neue Stadtmitte seit Beginn ihrer Amtszeit zum „Herzensprojekt“ erklärt hatte und die sich im Vorfeld der Entscheidung einige persönliche Vorwürfe von „Zynismus“ beim Thema Grundsteuer bis „Hinterzimmerpolitik“ anhören musste, wogegen sie sich gleich zu Beginn der Aussprache deutlich verwehrte.

FDP & Grüne Zünglein an der Waage

Zweiter großer Gewinner war die geschlossene CDU-Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung. Sie stand in der gesamten bisherigen politischen Diskussion mit ihrer uneingeschränkten Zustimmung zum Projekt trotz finanzieller Unwägbarkeiten fast alleine da, sie pokerte am Abend hoch durch ihr Nein bei allen Anträgen zur weitergehenden Reduzierung oder gar Verschiebung des Projektes, die die ALK beantragt hatte. Und sie mobilisierte in der finalen Abstimmung durch Stimmen aus dem nicht einheitlich abstimmenden Lager der FDP und der Grünen doch noch eine politische Mehrheit, die sich zuvor nicht abgezeichnet hatte. Was im Bund noch nicht geklappt hat, wurde in Königstein an diesem Abend beim wichtigsten Punkt der Stadtentwicklung möglich: Jamaika – auch wenn sicher keiner der Beteiligten das Wort „Koalition“ in den Mund nehmen würde. „Ich bin richtig erleichtert“, sagte der CDU-Fraktionsvorsitzende Daniel Georgi. Man habe in den vergangenen Tagen mit FDP, Grünen und SPD, welche freilich bei ihrem Nein blieb, in Gesprächen intensiv darum gerungen, diesen Kompromiss zu finden. Aber sicher sei er sich bis zuletzt nicht gewesen, so der CDU-Mann.

„Ich hatte schon nicht mehr daran geglaubt“, sagte auch die Bürgermeisterin mit zwei Tagen Abstand. Nach der Abstimmung konnte man die Anspannung förmlich von ihr abfallen sehen. Sie lobte die Abgeordneten der FDP und Grünen, die für die Planungen gestimmt hatten, „für ihren Weitblick“.

Wo Gewinner, dort auch Verlierer: Die ALK, die stärkste Fraktion in der Stadtverordnetenversammlung ist (am Donnerstag hatte sie durch das Fehlen ihres Fraktionsmitglieds Detlef Chill wie die CDU elf Stimmen), stand mit ihrer Ablehnung der hohen Investitionen in „graue Architektur“ am Ende ohne Mehrheit da. Die Aktionsgemeinschaft hatte sich für eine Priorisierung der Projekte eingesetzt und sich beim Tagesordnungspunkt vor der Stadtmitte deutlich zugunsten des Bürgerhauses Falkenstein ausgesprochen. Dazu lag der bereits in den Ausschüssen behandelte Antrag der FDP vor, den beschlossenen Neubau bis auf Weiteres auszusetzen. Doch dieses Kompromissangebot der Freien Demokraten, um bei der Stadtmitte zustimmen zu können, wurde – nach durchaus kontroverser Diskussion – mit nur acht Ja-Stimmen bei 22 Nein-Stimmen und sechs Enthaltungen (Grüne und SPD) abgelehnt. Deutliche Zustimmung fand dagegen der Änderungsantrag der CDU, am für die Stadt gut sieben Millionen Euro teuren Neubau festzuhalten und gleichzeitig die Verwaltung zu beauftragen, Fördermittel dafür zu generieren und – von der ALK kritisiert – auch den Verkauf von städtischen Grundstücken zu prüfen.

Am Ende spielte das Votum pro Falkenstein bei der Abstimmung zur Stadtmitte nur noch eine untergeordnete Rolle. Und der Versuch der ALK, per Antrag das Thema der Finanzierbarkeit der Tiefgarage in die nächste Gremienrunde zu verschieben und „Schritt für Schritt“ mit den grünen Projekten in der Stadtmitte zu beginnen, fiel deutlich durch. Nur deren elf Stadtverordneten stimmten dafür.

Die anderen Fraktionen teilten die Befürchtung, die Bundesförderung von fünf Millionen Euro zu verspielen, die offiziell bis Ende 2027 verbaut sein muss. Damit wäre die Umgestaltung de facto für die nächsten Jahre vom Tisch gewesen einschließlich der bisherigen Planungskosten von mehr als einer Million Euro. „Das Geld wäre weg und wir hätten weiter keine entwickelte Innenstadt“, brachte Winfried Gann (Grüne) die Bedenken auf den Punkt. Die Entscheidung sollte also noch am gleichen Abend fallen.

Pointierte Debatte

In der Debatte prallten noch einmal die unterschiedlichen Positionen aufeinander. SPD-Mann Felix Lupp erklärte, die Ablehnung seiner Fraktion sei „keine Geringschätzung der Verwaltungsarbeit“. Er müsse aber mit Nein stimmen. Da den vielen Projekten keine entsprechenden Einnahmen gegenüberständen, bliebe am Ende nur eine Steuererhöhung. „Da können wir nicht mehr mitmachen. Die Grundsteuer B ist eine zutiefst ungerechte Steuer.“

Daniel Georgi, der mit Heinz Alter als der Antreiber in der CDU-Fraktion in Sachen Stadtmitte gilt, skizzierte in seiner Rede das Szenario „Königstein im Jahr 2035“ mit einer grünen, barrierefreien und lebenswerten Innenstadt, „in der Kinder im Wasser spielen, in der Mobilität neu gedacht wurde und die zum Magneten für Gäste wird“. Und der – am Ende entscheidend – den Änderungsantrag einbrachte, den mit 1,8 Millionen Euro objektiv sehr teuren Pavillon für die KuSI mit öffentlichen Toiletten aus der Planung herauszunehmen. Damit hatte er den vorbereiteten (und am Ende obsoleten) FDP-Antrag, beim Pavillon zumindest 800.000 Euro einzusparen, rechts überholt.

Deren Fraktionschef Klaus-Michael Otto, der bereits ankündigte, nur für sich zu sprechen, da es keine einheitliche Abstimmung der Fraktion geben werde, sagte, er finde die Aufenthaltsqualität in der Konrad-Adenauer-Anlage nicht so schlecht, wie sie immer gemacht werde, und er halte Verbesserungen für möglich, ohne das Rosengärtchen zu opfern. Der Adelheidstraße, in der er selbst einst wohnte, prognostizierte er durch die Ausfahrt der Busse aus dem neuen ZOB ein „Verkehrschaos“, da werde auch die näherrückende Öffnung der zweiten Kreiselspur auf der B8 nicht helfen. Noch weniger Gutes an den Plänen hatte AfD-Einzelkämpfer Arno Schneider übrig: „Ich denke nicht, dass wir keinen echten Gegenwert für die Investitionen bekommen.“ Wichtiger wäre, Attraktionen wie die Burg und das Kurbad aufzuwerten.

Cordula Jacubowsky von der Klimaliste begrüßte den Aspekt der „Schwammstadt“ mit Zisternen, wodurch der Innenstadt möglichst wenig Regenwasser verloren geht. Sie wolle allerdings neben dem Pavillon auch die Tiefgarage streichen, das Thema fehlende Stellplätze sei „Panikmache“. Auf diese Weise könnten die Kosten für die Stadt sogar auf rund vier Millionen Euro reduziert werden, hier liege der „kleinste gemeinsame Nenner“.

In eine fast identische Richtung ging der Änderungsantrag der Grünen: zunächst die klimarelevanten Umbaumaßnahmen und die barrierefreie Bushaltestelle voranzutreiben, dann einen Plan zur Finanzierung der Tiefgarage zu entwickeln sowie separat abzustimmen und schließlich den Pavillon auf einen späteren Zeitpunkt zu verschieben. So sei die Umgestaltung trotz einer Haushaltslage auf „Rot“ möglich, begründete Patricia Peveling. Sie hätte sich „einen Dialog auf Augenhöhe gewünscht“, stattdessen würden sich die beiden größten Fraktionen gegenseitig duellieren, anstatt lösungsorientiert vorzugehen. „Was wollt ihr von der ALK eigentlich?“ fragte sie – und an die CDU gerichtet: „Es wäre eure Aufgabe, Mehrheiten zu suchen! So regiert das Prinzip Hoffnung“.

Und doch gab es bei der Abstimmung eine politische Mehrheit, die sich vor der Sitzungspause noch nicht angedeutet hatte: Zunächst wurde der Antrag der Grünen abgelehnt (6 Ja-Stimmen, 27 Nein-Stimmen, 3 Enthaltungen), im Anschluss wurde der Änderungsantrag der CDU – der Verzicht auf den Pavillon – mit 24 Ja-Stimmen bei zwölf Gegenstimmen der ALK und der AfD angenommen. Ehe es bei der eingangs beschriebenen Abstimmung der Beschlussvorlage mit den eingebrachten Änderungen in namentlicher Abstimmung richtig spannend wurde. In allen Lagern wurde jede Stimme mitgezählt. Neben den elf CDU-Stadtverordneten stimmten jetzt auch fünf der sechs FDP’ler (mit Ausnahme Ottos) dafür, und mit den drei Stimmen aus dem Lager der Grünen (Peveling hatte sich enthalten) war die Mehrheit für die Stadtmitte perfekt. Die zweite Enthaltung kam von Stefan Kilb (ALK) – seine zehn Fraktionskollegen lehnten wie die SPD, die Klimaliste und die AfD die Vorlage ab. Der zugehörige neue Bebauungsplan für das gesamte Areal wurde anschließend folgerichtig mit 22 Ja-Stimmen bei zwölf Nein-Stimmen und zwei Enthaltungen durchgewunken.

Und bereits am Montag ging die Arbeit weiter: Schenk-Motzko hatte Gespräche per Videokonferenz zwischen dem Stadtplanungsamt und dem Fördermittelgeber angesetzt. Dabei sollte es sicher auch darum gehen, eine Verschiebung der Fertigstellung ins Jahr 2028 auszuhandeln. Während der Sommerferien gehe es an die Ausschreibungen, schließlich müsse der Bauantrag beim Kreis gestellt werden. Langweilig wird bei dem Thema so schnell niemandem ...



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