Kirchners Badende: „Das Kohnstamm“ beherbergt das Original!

Königstein
(gs) – Der Geist des verstorbenen Ernst Ludwig Kirchner, Wegbereiter des Expressionismus, lebt noch heute an seiner früheren Wirkungsstätte in Königstein fort.

Im ehemaligen Sanatorium Kohnstamm (Ölmühlweg 12) ist jenes Treppenhaus beheimatet, in dem die Originale der im „Königsteiner Kubus“ gezeigten Wandbilder „Die Badenden“ von Kirchner noch heute zu bewundern sind. Das ehemals von dem Neurologen Dr. Oscar Kohnstamm erbaute Sanatorium wird heute als Kulturdenkmal geführt. Der Königsteiner Unternehmer Marcus Demme erwarb das denkmalgeschützte Ensemble mit drei historischen Gebäudekomplexen samt angrenzendem Park im vergangenen Jahr, sanierte die Gebäude und baute sie um. Entstanden sind geräumige Büro- und Tagungsräume, Wohneinheiten unterschiedlicher Größe sowie Gästezimmer.

Treppenhaus im Brunnenturm

Unverändert blieb das Treppenhaus im „Brunnenturm“, in dem das fünfteilige Wandgemälde „Die Badenden“ früher seine farbintensive Wirkungskraft voll entfalten konnte und welches aktuell noch schemenhaft auf den entsprechenden Wandflächen zu sehen ist.

Das Treppenhaus, welches von seinem Umfang her im Kubus „nachgebaut“ wurde, trägt an drei Seiten die verbliebenen Wandgemälde von Ernst Ludwig Kirchner. In der Mitte des Treppenhauses stehend, eröffnet sich dem Betrachter jedoch aus keiner Perspektive eine vollständige Sicht auf alle fünf Wandgemälde, vielmehr ist das „Gesamtbild“ auch im Original immer nur in Teilen zu bewundern.

„Die Badenden“ im Original

Die Wandgemälde selbst haben die in der Reproduktion „erlebbaren“ Farben zwar gänzlich verloren, aber schemenhaft können die Konturen der Personen und die der Umgebung (Wellen, Strand) noch immer wahrgenommen werden.

Normalerweise sind die verbliebenen Wandbilder in dem Treppenhaus von Reproduktionen der ursprünglichen Bilder verdeckt. Die farblich leicht abgetönten schwarz-weißen Reproduktionen sind auf Stoff gedruckt und zu Ansichtszwecken über den Originalen „aufgehängt“ worden. Das Verfahren diente nicht nur dem Schutz der darunterliegenden Originale, sondern auch der (weniger farbintensiven) Darstellung der Originalgemälde.

Restaurierung und Erhalt

Marcus Demme hat nun zunächst zwei der Stoffreproduktionen von der Wand entfernen lassen und so die Originale freigelegt. Auf den Wandflächen sind die Kratz- und Reibespuren, die wahrscheinlich noch von der Entfernung der Originalbilder herrühren, zu sehen. Darüber hinaus sind die Wände mit Gipsputz versehen, der naturgemäß sehr feuchtigkeitsempfindlich ist und wahrscheinlich dazu beitrug, dass sich auf den Wandflächen feine Risse zeigen. „Ich habe Kontakt zu einem Fachgutachter aufgenommen, der sich die verbliebenen Originalgemälde ansehen wird“, merkt Marcus Demme an. Er möchte prüfen lassen, ob bei den früheren Versuchen einer Restaurierung alle Möglichkeiten zum Erhalt der Wandgemälde ausgeschöpft worden sind. Sollte dies nicht der Fall gewesen sein, so möchte er die entsprechenden Maßnahmen in Auftrag geben, die auf Stoff gezogenen Reproduktionen gänzlich entfernen lassen und die Original-Wandgemälde wieder freilegen. „Die ehemals vorhandene Farbgewalt dieser Bilder ist unwiederbringlich zerstört worden“, so Demme „aber vielleicht können die noch vorhandenen Bilder intensiviert und besser geschützt werden“. Darüber hinaus hat Marcus Demme eine mehr als kreative Idee, die Original-Wandgemälde auch in ihrer alten Farbpracht in dem Treppenhaus zu neuem Leben zu erwecken.

Projektion der Originale

Dabei denkt er über die Nutzung einer neuen Projektionstechnik nach, die es ermöglichen würde, die Originalgemälde – an deren Fotoplatten er die Bildrechte besitzt – mittels Projektion wieder auf die Originalwandbilder zu projizieren. „Man könnte dann die Wandgemälde in alter Farbintensität auf den Original-Wandflächen bewundern und gleichfalls die Projektion ausschalten, um damit das sichtbar zu machen, was durch die Zerstörungswut der Nationalsozialisten von der Kunst übriggeblieben ist.“ – Eine mehr als spannende Idee, auf deren Umsetzung sich Kunstbegeisterte im Rahmen einer gelegentlichen Führung heute schon freuen dürfen!

Der Blick von der Treppe auf die zwei „freigelegten“ Original-Wandbilder im ehemaligen Sanatorium Kohnstamm
Foto: Scholl

„Das Kohnstamm“ im Ölmühlweg

Foto: Scholl

Der Blick von der Treppe auf drei der Wandgemälde „Die Badenden“ von Ernst Ludwig Kirchner. Links sind die auf Stoff gezogenen Reproduktionen zu sehen, daneben befindet sich eines der „freigelegten“ Original-Wandgemälde.
Foto: Scholl

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