Königstein (hhf) – In der Villa Borgnis-Kurhaus im Park kann es ganz schön eng werden, vor allem wenn sie zum letztmöglichen Termin vor Aschermittwoch in die wohl kleinste Narrhalla des Rhein-Main-Taunus-Gebietes umgewandelt wird, wie es nun schon zum siebten Mal bei „Locker vom Hocker“ der Fall war.
Wer da eine Karte haben will, muss früh aufstehen, es gehört längst zur Tradition, dass die Kehraus-Veranstaltung, die in Fachkreisen gleichzeitig als Höhepunkt jeder Narrensaison gilt, restlos ausverkauft ist. „Musik, Tanz und Kokolores“ versprach Klaus Rätz dann auch gleich zur Eröffnung und verkaufte die Enge im Saal als große Chance: „Kuscheln Sie sich an ihre Nachbarn!“
Etwas trockener begrüßte Moderationskollege Lothar Vogt die Gäste „in der Legebatterie“ und forderte mit dem Rentner, der gerne ein Auto wäre, gleich ein erstes „Uiuiui“ ein – dem alten Herrn hätte statt einem kompletten Austauschmotor durchaus eine neue Stoßstange gereicht. Schließlich wurde noch Heinz Eichhorn als Hauptverantwortlicher für die gesamte Veranstaltung ins Rampenlicht gezerrt, der schüchterne Ausnahmekünstler versteckt sich nämlich als „Musikdirektor des Königsteiner Sinfonieorchesters“ nur zu gerne hinter seiner Heimorgel.
Ramalama-Ding-Dong
Aurora DeMeehl und Herr Schmidt alias Jochen Werner und Hans-Joachim S. präsentierten ihre musikalische Begabung dagegen ungehemmt auf offener Bühne. Sie habe ihren Klavierbegleiter einst bei „Jugend musiziert“ kennengelernt und später auch geheiratet, schwärmte Aurora, allerdings sind beide seither sichtlich in die Jahre gekommen. Während Herr Schmidt am Klavier einen herrlich mürrischen, desinteressierten und leicht lahmarschigen Nebenpart spielte, ging Sängerin Aurora energiegeladen auf das Publikum zu, schwärmte vom Schwertschlucker mit dem scharfen Atem oder dem Ding-Dong von Herrn Ramalama. Selbstkritisch berichtete sie vom „Bang-Bang“ der Knöpfe bei der Anprobe im Modegeschäft und dem Ballettverbot wegen Erdbebengefahr, selbstbewusst lehnte sie die Titelrolle im Film „Godzilla“ mehrfach ab. Lieber stand sie auf den Odenwälder Country Roads im Stau, und zwar ganz vorne...
Bleede Reemer
Für derartige Gemütlichkeiten hatte Thomas Siebenhaar keine Muße, schließlich musste er einiges an Zorn in der Bütt loswerden. „Es Laternche“ berichtete nämlich, weshalb er sich am 11.11. letztendlich für den Fasching entschieden hat, obwohl er ursprünglich mit seinen Kindern St. Martin feiern wollte. „Die Laterne brennt und die Tochter flennt“, außerdem war da so viel Pferdemist auf dem Umzug: „Kadholisch is werklisch manchmal kein Spaß“, und das alles nur, weil da „so en bleede Reemer“ seinen Mantel kaputt geschnitten hat.
Umsonst: Während der Pfarrer vom Teilen redet, prügeln sich die Kinder um die Weckmännchen, Yuppies leuchten dazu mit ihrer St-Martins-Laternen-App auf dem iPhone und schließlich strauchelt das Pferd im kritischen Moment. Folge: „In der KöWo steht:
Mit ihrer „Gipsy-Night“ setzten die Salsa-Fragolinas aus Oberreifenberg im Anschluss eher auf die Waffen einer Frau, was den Oberkapellmeister schließlich vom Stuhl riss: „Ich hab‘ es doch gesagt, der Versuch klappt!“, jubelte Heinz Eichhorn – den sechs Damen unter Leitung von Daniela Deyhle war es nämlich gelungen, ihre ausdrucksstarke Tanzshow aus spanischen Kostümen und lateinamerikanischem Feuer mit einem leisen Hauch Arabien auf die zwei mal zwei Meter kleine Bühne zurechtzustutzen. „Die Jungs hoffen ja nur, dass doch noch eine runterfällt, ihnen direkt in die Arme“, konterte Lothar Vogt und leitete die Zugabe ein, aber wieder fiel für die Herren nichts ab.
Noch nicht – kaum zehn Minuten später saß nämlich Frau Wäber auf einem Schoß in der ersten Reihe. Dabei handelte es sich absolut nicht um einen Unfall, vielmehr hatte Hansy Vogt, der die ältere Dame ganz in Rosa verkörperte, die betreffende Ehefrau arglistig aus dem Saal ans Telefon geschickt.
Schwäbische Glasbausteine
Frau Wäber – die Lady Gaga der Senioren – war eigens aus dem Schwarzwald in den Taunus gefahren, um ihren Männermangel auszugleichen. „Granate“ Bürgermeister Leo Helm war ihre erste Wahl, aber doch unerreichbar, vielleicht, weil bei ihr gleich nach dem Winterspeck schon die Frühlingsröllchen sichtbar wurden. „Bist Du von der Presse? Du siehst so gequetscht aus!“ – Auch der zuständige KöWo-Redakteur entging der drohenden Gefahr nur knapp. Danke dafür, „Lady Gaga“, vielleicht solltest Du die Glasbausteine auf deiner krummen Nase mal putzen?
Die dickwandige Sehhilfe hatte schon im Hotel dazu geführt, dass Frau Wäber statt „Brunch“ am Speisesaal „heute Brunft“ gelesen hatte, eine zweite herbe Enttäuschung, nachdem sie schon die ganze Nacht im „Bock-Spring-Bett“ auf den Geweihträger gewartet hatte.
Kaum hatte Frau Wäber die Narrhalla unter Requirierung eines Ordens plus Pulle „Melisssengeist“ doch solo verlassen, beschwor Patrick Himmel mit dem „Bett im Kornfeld“ schon wieder lüsterne Nächte. Seit einigen Wochen führe er die Hitparade in hr4 an, behauptete er vollmundig und das närrische Volk streckte folgsam die Hände zum Himmel – der Sänger stand nämlich schon bald auf einem Stuhl mitten im Saal, die Bühne brauchte er eigentlich gar nicht.
Patrick H. angehimmelt
„Völlig losgelöst“ wechselte der Schlagerstar schließlich in die neue deutsche Welle und zelebrierte bei abgedunkeltem Saal auch noch den „Sternenhimmel“, bevor er dann doch etwas Tempo herausnahm: „Schunkeln für die Gesundheit“ beendete den Auftritt und leitete zur Pause über – que será.
Nach zwei mal elf Minuten Narrenfreiheit – überwiegend zu Ausflügen in Raucherecken und Toiletten genutzt – sorgte Heinz Eichhorn als neuer Aushilfsküster von St. Marien wieder für Sinngebung im Kurhaus. In seiner Soutane mutete er zwar mehr wie der Pfarrer selbst an, im Fachlichen verriet er sich dann aber doch: „Liebe Gläubige, hochverehrte Sünder...“ Die Einschätzung, Adam und Eva könnten keine Chinesen gewesen sein, denn dann hätten sie die Schlange gegessen, war theologisch ebenso fraglich wie der Ersatz des letzten Abendmahls durch eine Tupperparty für die Feministinnen und die Vermutung, Nero habe Rom angezündet, weil es Falkenstein damals noch nicht gab, offenbarte auch grobe Lücken in Kirchengeschichte... „Sie brauchen nur zu lachen, aber denken Sie sich doch mal so einen Blödsinn aus“, versuchte er sich schließlich herauszureden, aber Lothar Vogt ritt ihn noch tiefer hinein: Eigentlich wollte er ja pünktlich aus der Kneipe nach Hause kommen, aber dann traf er den Pfarrer, und der meinte: „Kehr um, mein Sohn, es ist noch nicht zu spät!“
Showtanz zurechtgestutzt
Hatte der fromme Heinz eher eine statische Position auf der Bühne eingenommen, wie ein Fels in der Brandung, sorgte Funkenmariechen Mirka-Fiona Nagel danach für den Ausgleich und schlug reichlich Wellen. Seit Jahren stellt sie sich erfolgreich der Aufgabe, einen für große Bühnen konzipierten Garde-Polka-Showtanz mit allen Rädern und Sprüngen auf die vier Quadratmeter in Königstein zurechtzustutzen, was ihr auch in diesem Jahr zu den Klängen von „Er gehört zu mir“ wieder eindrucksvoll gelang – die hoffnungsvollen Herren in der ersten Reihe gingen wieder einmal leer aus.
Die erwartungsvoll ausgebreiteten Arme verschwanden sogar recht plötzlich, als laut Klaus Rätz „ein sehr gefragter Mann, eine Lady mit echtem Charme“ nach Opfern im Publikum ausspähte. Nicht zum ersten Mal setzte Thomas Rau seine Olga Orange bei „Locker vom Hocker“ in Szene, diesmal erschien die etwas matronenhafte Gestalt allerdings ganz in rot: „Ich wollte eigentlich ein grünes Kleid, aber das wurde dann immer mit einem Pfadfinderzelt verwechselt.“
Ankerketten für Helene
„Um die Ecke kommt der Bauch, und hinterher die Olga auch“ – trotz dieser herben Selbstkritik wollte sie aber auf einen Schwebeakt á la Helene Fischer nicht verzichten, das ginge schon, wenn man statt Drahtseilen Ankerketten nähme. Genauso, wie es früher auf dem Land auch gelang als B-Schönheit unter die Haube zu kommen: „Die Kerb ging vier Tage lang und am Montag war dann Vieh- und Heiratsmarkt. Drei Tage lang haben wir alles getrunken, was wir kriegen konnten und am Montag dann alles geheiratet...“ Und das war auch nötig, alleine, um den Familienausflügen im Käfer zu entkommen, denn Papa haute sich immer ein Rumpsteak mit Zwiebeln rein und verbreitete dann auf der Rückfahrt Abgase, die heute zu einem sofortigen Dieselfahrverbot führen würden, wegen der Schwebstoffe.
Orden gegessen
Ungeachtet aller figürlichen Bedenken nahm Olga mit besonderer Freude den „Orden zum Vernaschen“ entgegen, denn die karnevalistischen Ehrungen bei „Locker vom Hocker“ stammen aus dem Café Kreiner und dürfen ab Saisonende verzehrt werden. Diesen und weiteren Sponsoren galt der Dank der Veranstalter, besonders auch den Gastgebern Anke und Carsten Brauns plus Team. Ohne das treue Publikum ginge es auch nicht weiter und schon gar nicht ohne Heinz Eichhorn: „Der hat sich den ganzen Blödsinn nämlich ausgedacht.“
Und nicht nur das: Mit exaktem Blick auf die Uhr sorgt der Kapellmeister nämlich stets dafür, dass die Schunkelmusik auch wirklich erst um Punkt 24 Uhr verstummt. Bevor es aber in den Aschermittwoch ging, versammelten Hennes und Dieter ihre Mitstreiter zum großen Finale auf der Bühne. „Ole, ole Fiesta hier am Rhein“ verriet deren Herkunft ebenso wie die Uniformen, die problemlos als Besatzung der Festung Königstein durchgegangen wären: „He die Meenzer“ füllten als Abkömmlinge der dortigen Hofsänger vermittels ihrer zwei gut miteinander harmonierenden Profi-Stimmen den Saal mit einem intensiven Klangteppich.
Zum „Halleluja“ stand die Besatzung der Narrhalla bereits wieder einmal auf den Stühlen, bei „Sierra Madre“ gingen die Lichter aus und die Taschenlampen-Apps an. Den Fingerzeig zur Altstadt in Richtung Kreisel hatten die Gäste den Auswärtigen schnell verziehen, dafür gab es auch noch die Zugabe, als „Absacker“ zum Ende der Fastnachtskampagne: „Heute geh‘n wir nicht nach Haus, heute halten wir noch aus..“ Passte, in allen Ehren, denn es war ja noch nicht Aschermittwoch und das kosteten alle bis zur letzten Sekunde aus.
Bettler im Taunus von St. Martin erstochen
Königstein (hhf) – Das behauptet zumindest Herr Siebenhaar, und der muss es ja wissen, schließlich war er auch schon in der Fernsehfassenacht.