Königstein (as) – Für den Sonntagsausflug in die Region wird meist das Auto genutzt. Fragt man nach dem Grund, hört man oft: Das Auto ist bequemer, die ÖPNV-Anbindung schlecht oder die Strecke zu weit oder zu hügelig für das Fahrrad. Ob Alternativen zum Auto tatsächlich immer unbequemer sind, will das Mobilitätsexperiment „Nachhaltig mobil zu Ausflugszielen im Taunus“ des Instituts für sozial-ökologische Forschung (ISOE) herausfinden. Die gewonnenen Erkenntnisse sollen helfen, den Ausflugsverkehr ökologisch nachhaltiger zu gestalten.
So funktioniert es: Im Reallabor können Testpersonen aus Königstein, Usingen und Frankfurt für ihre Ausflüge Alternativen zum eigenen Auto ausprobieren, dazu gehören Elektrofahrräder, E-Lastenräder, Tickets für den ÖPNV oder die Teilnahme an einem E-Carsharing. Während und nach dem Experiment führen die ISOE-Wissenschaftler kurze Interviews mit den Teilnehmenden über ihre Mobilität und Erfahrungen. So entstehen Handlungsvorschläge, was sich ändern muss, um nachhaltige Ausflugsmobilität zu ermöglichen.
Projektstart war vor wenigen Tagen in Friedrichsdorf und auf dem Kapuzinerplatz in Königstein. Dort standen neben den Carsharing-Fahrzeugen 24 E-Bikes unterschiedlicher Bauart von Projektparter Riese & Müller – ein Fahrradhersteller aus dem Odenwald – bereit, um von ihren Besitzern auf Zeit in Empfang genommen zu werden. Als Testpersonen dabei war auch das Ehepaar Ulrica und Claus Gasteyer aus Mammolshain – man könnte sie im Sinne des Projektes als „Idealtypen“ bezeichnen. Sie besuchen gerne die Feste in der Region bis in den Rheingau und würden die Anfahrt gerne mal per Fahrrad versuchen, um nicht umständlich einen Parkplatz suchen zu müssen – und um wieder mehr gemeinsam Fahrrad fahren zu können. Die steilen Straßen in Mammolshain und die beschwerliche Heimfahrt bergauf haben Ulrica zuletzt davon abgehalten, die E-Bikes könnten für das Paar also auch ein Schlüssel zu gemeinsamer Mobilität sein. „Es geht darum, die Lust am Fahren auch bei steilen Anstiegen zu gewinnen“, erklärt Claus Gasteyer, der schon Touren in den Alpen unternommen hat und das sportliche Fahren kennt, bei dem seine Gattin mangels E-Antrieb nicht mithalten kann. Jetzt ist sie ganz begeistert von der Möglichkeit, am Realexperiment teilnehmen zu können. „Ich habe mir gesagt: Das gefällt mir, das probiere ich bis Oktober.“
Ausgesucht haben sich die Gasteyers das mit 20 Kilogramm recht leichte, urbane Modell UBN Six silent, das sich auch hervorragend zum Pendeln eignet. Bis zum Ende des Projektes können sie die Räder nun uneingeschränkt kostenlos testen und sich danach entscheiden, ob sie diese im Herbst zu einem Zeitwert übernehmen möchten.
„Im Realexperiment können wir sehen, welche Hemmnisse für eine nachhaltige Ausflugsmobilität konkret vorhanden sind und wie sie überwunden werden können“, sagt Mobilitätsforscherin Melina Stein (ISOE). „Für einen erfolgreichen Wechsel ist es wichtig, neben passenden Mobilitätsangeboten auch neue Routinen bei der Nutzung dieser Angebote zu entwickeln. Das können die Teilnehmenden in unserem Experiment nun ausprobieren“. Das Experiment setzt das ISOE gemeinsam mit der Stadt Königstein und der Stabsstelle Mobilität, Klimaschutz, nachhaltige Kreisentwicklung und Umweltbildung beim Hochtaunuskreis, mit dem Freilichtmuseum Hessenpark und dem Freizeitpark Lochmühle um, die beide Freikarten für die Teilnehmenden bereitgestellt haben.
Für Thorsten Schorr, Erster Kreisbeigeordneter des Hochtaunuskreises, sind solche Untersuchungen ein wichtiger Schritt zur Mobilitätswende. „Wir brauchen diese Studien, um den Weg für nachhaltigen Verkehr im Taunus zu ebnen. Gelingt es, die Straßen von Verbrennerautos zu entlasten, fördern wir den Klimaschutz und vermeiden Staus, Parkplatzsuch-Verkehr und Lärm. Davon profitieren alle: Freizeitsuchende, Anwohner und unsere Natur.“
Königsteins Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko beim Start auf dem Kapuzinerplatz: „Ich freue mich, dass der in Königstein am Fuße des Taunus stattfindet. Ich kenne keinen besseren Ort für ein so tolles Experiment.“ Königstein ist nicht nur ein sehr guter Ausgangspunkt für Ausflüge aller Art, sondern bietet mit seinen Burgen, Bädern, Grünanlagen und zahlreichen Veranstaltungen eine ganze Menge, um selbst als Ausflugsziel besucht zu werden. Und nicht zuletzt sei das anerkannte Heilklima ein Grund, von Königstein aus Touren in den Heilklima-Park Taunus zu unternehmen. Dem Klimawandel könne auch mit Projekten wie dem Reallabor entgegengetreten werden.
Rouven Kötter, Erster Beigeordneter des Regionalverband Frankfurt RheinMain, begrüßt den regionalen Ansatz der Untersuchung. „Die gewonnen Erkenntnisse können über die Projektstandorte hinaus wertvolle Impulse für die gesamte Region liefern. Gerade die Erreichbarkeit von Ausflugszielen – bislang ein Nischenthema – verdient mehr Aufmerksamkeit, denn insbesondere an Wochenenden zeigt sich im Taunus bereits heute ein hoher Mobilitätsbedarf.“
Das Reallabor ist Teil des Forschungsprojekts transform-R unter der Leitung des Regionalverbands FrankfurtRheinMain und läuft bis Oktober 2025, danach beginnt die Auswertung der Daten. Ulrica und Claus Gasteyer wollen auf jeden Fall einige Daten beisteuern und zeigen, dass sich Ausflugsziele ganz hervorragend mit dem Rad erreichen lassen. Und wenn es nach einem Weinfest doch mal zu weit sein sollte für die komplette Rückfahrt, dann hat Königstein ja auch noch einen Bahnhof und der ÖPNV wird einfach dazugenommen bei der Mobilitätsplanung. Hauptsache, das Auto bleibt wieder einen Tag mehr stehen ...