Hochtaunus (as) – Der 1. Mai ist im Taunus ein ganz besonderer Feiertag, denn am „Tag der Arbeit“ wird hier seit 1962 ganz heftig – und zwar sportlich – malocht. Da werden verdammt viele Watt an Leistung produziert – und zwar auf der Tretkurbel und ausschließlich per Muskelkraft.
Seit 63 Jahren steht der Maifeiertag im Zeichen des renommiertesten deutschen Radklassikers, einst „Rund um den Henninger-Turm“, heute Eschborn–Frankfurt.
Mehr als 11.000 Radsportlerinnen und Radsportler werden am kommenden Donnerstag auf die Strecken gehen, dabei allein 10.000 im Rahmen der ausgebuchten Jedermann-Veranstaltung ADAC Velotour. Im Mittelpunkt des Interesses steht aber wie seit der Premiere die internationale Radsport-Elite, die sich beim Eintagesrennen der UCI World Tour – der höchsten Kategorie im internationalen Rennkalender – ihr erstes Stelldichein in Deutschland in diesem Jahr gibt (das zweite World-Tour-Rennen folgt im August in Hamburg). 18 Teams à sieben Fahrer werden am 1. Mai um 12 Uhr am neuen Startplatz auf dem Rathausplatz in Eschborn auf die 198,7 Kilometer lange Strecke gehen, darunter 14 World Teams und vier Pro Teams mit vielen namhaften Fahrern – auch wenn die absolute Weltelite mit Tadej Pogacar, Mathieu van der Poel und Remco Evenepoel an der Spitze den hessischen Klassiker (wie üblich) nicht in ihrem Rennprogramm hat.
Vermisst wird in diesem Jahr allerdings Lokalmatador John Degenkolb – Sieger in seiner ersten Profisaison 2011 und Gewinner des Bergpreises im vergangenen Jahr. Der 36-jährige Oberurseler hat sich bei seinem Sturz bei der Flandern-Rundfahrt Anfang April mehrere Brüche an der rechten Hand und am rechten Arm zugezogen und muss noch einen dicken Gips tragen. 2026 will er allerdings zurückkehren, so lange läuft der Vertrag in seinem niederländischen Team Picnic-PostNL auf jeden Fall.
Die Radsportfreunde und Ausflügler haben am 1. Mai fast die Qual der Wahl, wo sie den sportlichen Feiertag miterleben möchten. Und sie müssen dabei oftmals nicht einmal ihren Heimatort verlassen, denn die Fahrerfelder rollen auf nahezu unveränderten Strecken durch Mammolshain, Königstein und alle drei Ortsteile Glashüttens. Lediglich nach der zweiten Überquerung des Feldbergs wurde die Abfahrt durch Oberreifenberg aus Sicherheitsgründen durch die etwas längere Schleife über den Sandplacken nach Schmitten ersetzt, ehe die Strecke in Niederreifenberg, Abzweig Kittelhütte, wieder auf bekanntes Terrain zurückkehrt.
Viel los in Mammolshain
Der Strecken-Hotspot schlechthin ist der Mammolshainer Berg, die Höchstschwierigkeit mit bis zu 23 Prozent Steigung, die zwischen 14.17 und 16.10 Uhr (laut Marschtabelle) erneut drei Mal von der Elite zu überwinden ist (vorher kommen schon die Velotour-Teilnehmer auf ihrer längsten Strecke „Taunus Classic“ über 103 km hier vorbei).
Oben am Kranichplatz steigt die größte Radsportparty, die Freiwillige Feuerwehr Mammolshain sorgt gemeinsam mit dem Bienenkorb Mammolshain für Gegrilltes und Getränke, auf einer Videowand kann man hier auch die komplette Live-Übertragung des HR verfolgen.
Man könnte zwischendurch und hinterher aber auch einen Abstecher ins Tal zur Feldscheune des OGV Mammolshain machen, wo traditionell des Apfelblütenfest mit Kür des Apfelweinkönigs gefeiert wird (s. Seite 3).
Wer dem Trubel im Stadtteil etwas entgehen will, schaut sich die Profis auf der weiteren Steigung zum Königsteiner Kreisel an – oft haben sich hier nach der letzten Überfahrt in Mammolshain die entscheidenden Ausreißergruppen gebildet, sind doch nur noch knapp über 30 Kilometer bis zum Ziel an der Alten Oper in Frankfurt zu absolvieren.
In Glashütten (wo auch das Feld der U23 vorbeikommt) gibt es zudem eine große Verpflegungsstelle für die Hobbyfahrer und in Schloßborn wird traditionell die Kerb am 1. Mai mit dem Frühschoppen (11-18 Uhr) eröffnet. Und wen es als Zuschauer – per Rad oder zu Fuß – ganz weit nach oben zieht, der freut sich darüber, dass der Hochtaunuskreis nach der Premiere im Vorjahr erneut ein Streckenfest auf dem Feldberg ausrichtet, wo ebenfalls eine Leinwand steht und die JFC Eintracht Feldberg für die verpflegung sorgt. Den Höchsten im Taunus passieren die Profis um 13.14 Uhr (von Oberursel) und um 14.57 Uhr (von Königstein über Eselseck und Rotes Kreuz).
Wieder ein deutscher Sieg nach 2019?
Wer sind sie nun, die aussichtsreichsten deutschen Fahrer und die interessanten ausländischen Stars bei Eschborn–Frankfurt? Ohne Degenkolb steht das Team Intermarché – Wanty aus Belgien im Blickpunkt, stellt es doch gleich zwei einheimische Favoriten. Der Odenwälder Jonas Rutsch, lange in Wiesbaden zu Hause und 2024 als 17. bester Deutscher, kommt mit der Empfehlung eines starken sechsten Platzes bei Paris–Roubaix, der Königin der Klassiker. Seinen Teamkollegen Georg Zimmermann aus Augsburg, der in der vergangenen Woche beim Giro d’ Abruzzo erstmals bei der Elite eine Rundfahrt für sich entschied, dürfte wie vor zwei Jahren die doppelte Feldberg-Passage besonders entgegenkommen. Gleiches gilt für den Berliner Maximilian Schachmann (Soudal Quick-Step), der mit seinem dritten Platz bei der stark besetzten Baskenland-Rundfahrt bewies, dass er wieder zu den Besten zählt. Der Kölner Nils Politt (UAE Team Emirates – XRG) wird ebenfalls an einer tempofesten Spitzengruppe interessiert sein, um den Sprintern ein Schnippchen zu schlagen, die bis zum Jahr 2022 meist das Sagen hatten auf der Ziellinie in Frankfurt.
Zu diesen zählen der letzte deutsche Gewinner Pascal Ackermann (Israel – Premier Tech), Sieger von 2019, Tim Torn Teutenberg (Lidl-Trek) und Max Kanter (XDS Astana Team), die es mit der neuen Streckenführung schwer haben werden. So wird auch der Norweger Alexander Kristoff (Uno-X Mobility), mit vier Erfolgen Rekordsieger am 1. Mai, in fortgeschrittenem Rennfahreralter voraussichtlich auf einen Start verzichten.
„Wir sehen am Starterfeld, dass sich die Teams nach dem zweiten Jahr mit der doppelten Feldberg-Passage an die Strecke anpassen und weniger Sprinter mitnehmen“, sagt auch Fabian Wegmann, Sportlicher Leiter von Eschborn-Frankfurt. „Ich denke, wir werden eher eine kleinere Gruppe im Ziel sehen.“ Das richtig starke Line-Up geht vielmehr in Richtung Ardennen-Klassiker.“
Internationale Kletter-Champions
Rennen wie Lüttch–Bastogne–Lüttich sind am 1. Mai ganz frisch absolviert, und so dürften noch viele klangvolle Namen die gute Form aus dem belgischen Mittelgebirge mit in den Taunus bringen. Julian Alaphilippe (Tudor Pro Cycling Team) bringt als zweimaliger Champion Weltmeister-Flair in den Taunus – es wird die Radklassiker-Premiere für den französischen Topfahrer. Auch das namhafte Quintett um die drei Belgier, Vorjahressieger Maxim Van Gils (Red Bull BORA hansgrohe), Tim Wellens (UAE Team Emirates – XRG) und Thibau Nys (Lidl-Trek) sowie Ben Healy (EF Education – EasyPost) aus Irland und Lenny Martinez (Bahrain Victorious) aus Frankreich sprechen für Attacken am Berg und einen offensiv ausgefahrenen Radklassiker.
Und dann sind da noch die Allrounder, die bei Eschborn–Frankfurt immer ein Wörtchen mitsprechen, da die Berge zwar steil sind und sich auf knapp 3.500 Höhenmeter summieren, der Weg vom letzten Anstieg bis ins Ziel aber im Vergleich mit den Rennen in den Ardennen doch noch recht weit ist. Zu nennen wären hier Magnus Cort und Andreas Leknessund (Uno-X Mobility), der Vorjahrszweite Alex Aranburu (Cofidis), Antonio Morgado, zuletzt Dritter des Pfeils von Brabant, aus dem insgesamt wohl am stärksten besetzten UAE-Team, Sören Kragh Andersen (Lidl-Trek), Gewinner von 2023, und Michael Matthews (Team Jayco AlUla), der sich seit 15 Jahren (damals Dritter) um einen Sieg in Frankfurt bemüht. Im März war der Australier bereits Vierter bei Mailand–San Remo – und kommt damit als der Fahrer nach Frankfurt, der bei den bisher drei in dieser Saison ausgetragenen „Monumenten des Radsports“ das beste Resultat vorzuweisen hat.
Das Schöne am Radsport ist: Man könnte noch 15 weitere Fahrer im 126-köpfigen Feld aufzählen und dabei immer noch nicht sicher sein, dass der Sieger darunter ist, zumal die Teams ihre Fahrer bis zum 30. April ändern dürfen. Für Spannung an diesem für die Radsportler so arbeitsreichen Tag – der für die Besucher am Straßenrand bei hoffentlich wieder schönem Feiertagswetter ein höchst unterhaltsamer werden dürfte – ist also gesorgt.
Die Durchfahrtzeiten im Taunus
Elite
Feldberg 13.14/14.57
Oberems 13.27/15.19
Glashütten 13.31/15.24
Schloßborn 13.37/15.30
Kelkheim 13.57/15.49
Mammolshain 14.17/14.39/16.10
Königstein 14.21/14.42/16.13
Kronberg 14.24/16.17
U23
Feldberg 13.34/14.02
Oberems 13.47/14.25
Glashütten 13.51/14.30
Schloßborn 14.36
Kelkheim 14.52
ADAC Velotour
Feldberg 10.02–11.52
Glashütten 10.19–12.20
Kelkheim 10.43–12.57
Mammolshain 11.05–13.20
Königstein 11.11–13.29
Kronberg 11.13–13.39
Verkehrsinformationen
Von der ersten Durchfahrt der Velotour bis zur letzten der Elite ist die Rennstrecke für den Verkehr gesperrt. Schleusen zum Queren der Strecke sind mit Wartezeit in der Regel möglich. Der Opel-Zoo ist am 1. Mai nur vor 10.40 und nach 16.30 Uhr frei zu erreichen, dazwischen zeitweise über Kronberg (Falkensteiner Stock). Für individuelle Planungen privater Fahrten am 1. Mai steht der Veranstalter per E-Mail an anwohner[at]eschborn-frankfurt[dot]de zur Verfüfung. Am 1. Mai ist diese Adresse nicht mehr aktiv, dann werden Fragen über das Info-Telefon 0800 589 2007 (29./30. April 9–17 Uhr und am 1. Mai von 7–18.30 Uhr geschaltet) beantwortet. Alle Informationen unter https://www.eschborn-frankfurt.de/de/verkehr