Königstein (as) – Es ist die Woche der Entscheidung in Königstein. Es geht um die Stadtmitte, die Visitenkarte Königsteins. Bleibt bis auf Weiteres alles wie gewohnt und gesehen oder ergreift die Stadt die Chance, mit einer Fünf-Millionen-Euro-Förderung für nachhaltige Projekte in der Tasche – trotz bestehender finanzieller Sorgen und vernehmbarer Kritik an Teilaspekten der Neugestaltung – die Verkehrsflüsse und Grünflächen in der Stadtmitte rund um die Konrad-Adenauer-Anlage zukunfstfähig umzugestalten? Seit 1972 wird darüber gesprochen, konkret wurde es im Jahr 2018, und der Beschluss der Stadtverordnetenversammlung zu einer Neugestaltungsvariante nach umfangreicher öffentlicher Beteiligung datiert vom Dezember 2023.
Und doch entzweit die Entscheidung, mit der sie Stadt nach Abzug aller Förderungen rund zwölf Millionen Euro für das Projekt aufbringen zu müssen, die Königsteinerinnen und Königsteiner. Es gibt keine sichere Mehrheit in der Politik vor der entscheidenden Sitzung der Stadtverordneten am heutigen Donnerstag (19 Uhr, Bürgerhaus Falkenstein). Das hat die Ablehnung im Bau- und Umweltausschuss sowie im Haupt- und Finanzausschuss vor zwei Wochen deutlich gemacht. Aber wie stehen die Bürger – die Wähler – die zwar 2022/23 am Findungsprozess beteiligt wurden, zur beschlussreifen Entwurfsplanung der Stadtplanungsbüros vor dem Hintergrund der gestiegenen Kosten und in diesem Jahr deutlich erhöhten Grundsteuern bei einer gleichzeitig einbrechenden Gewerbesteuer? Das war die Black Box, in die auch Königsteins Politiker vor ihrer Entscheidung nicht schauen konnten.
Und das war auch der Grund für Stadtverordnetenvorsteher Dr. Michael Hesse kurzfristig am Montag – drei Tage vor der entscheidenden Sitzung der Stadtverordneten – noch eine Bürgerversammlung im Haus der Begegnung einzuberufen und die Diskussion auf eine breitere Basis zu stellen. Und das Interesse war groß. So groß, dass weitere Stühle aus dem Lager geholt werden mussten, um allen einen Sitzplatz zu ermöglichen. Mehr als 300 Interessierte kamen, um sich von den Vertretern aller beteiligten Planungsbüros das Konzept des Umbaus der Stadtmitte und deren Anpassung an den Klimawandel im Detail erklären zu lassen – und im Anschluss in einer Fragerunde den Experten und der Stadtverwaltung auf den Zahn zu fühlen.
Zunächst hatte Bürgermeisterin Beatrice Schenk-Motzko (CDU) als Verwaltungschefin das Wort und plädierte nochmals deutlich dafür, die Möglichkeit einer mit erheblichen Bundesmitteln geförderten Neugestaltung nicht verstreichen zu lassen. „Wir stehen an einer Weggabelung, zurück liegt ein Weg mit vielen Kurven“, beschrieb sie den langen demokratischen und politischen Prozess hin zu einer fertigen Entwurfsplanung (vgl. KöWo 25, S. 2). Trotz der angespannten Haushaltslage dürfe sich die Stadt „nicht in den Stillstand hineinsparen“, so die Bürgermeisterin, diesen Weg gehe Königstein schon zu lange. Nur die geförderten grünen Teile „herauszupicken“, funktioniere nicht. „Gestaltung braucht Mut“, appellierte sie an die Bürger, unter denen sich auch zahlreiche Mitglieder des Parlaments befanden. Über eine Million Euro habe die Stadt bereits in die Planung, in Gutachten und den Bürgerdialog gesteckt. Der Förderbescheid, den keine andere deutsche Kleinstadt in dieser Höhe bekommen habe, zeige, dass „Königstein mit der Planung auf dem richtigen Weg“ sei.
Dann erhielten die Vertreter der sechs beteiligten Planungsbüros das Wort, um ihre jeweiligen, aber komplett ineinander verzahnten Fachbereiche im Detail vorzustellen. Der gebürtige Königsteiner Simon Gehrmann von der Planungsgruppe Darmstadt verdeutlichte dabei, wie sehr das Wasser – vielleicht der größte Engpass in Zeiten des Klimawandels – eine neu gestaltete Stadtmitte prägen wird. Vom Kurbad würde über 600 Meter der Weg des Höhenbachs aufgegriffen und auch zum Teil dessen Rohrsystem genutzt. Das Wasser werde an der Oberfläche erstmals am neu zu gestaltenden Ellasprudel sichtbar, ehe es entlang der Hauptstraße zwischen Optik Hallmann und dem Kapuzinerplatz als Wasserspiel zu sehen ist. In diesem Bereich befindet sich auch eine 360-Kubikmeter-Zisterne, deren Wasser zur Bewässerung der Konrad-Adenauer-Anlage genutzt wird. Eine zweite Zisterne wird es im Kurpark geben, wo der Weg des Wassers enden wird. Zwar sei das aufbereitete Abwasser des Kurbades in dem Konzept eingeplant, es funktioniere aber auch ohne dieses, sagte Gehrmann zu dem immer wieder geäußerten Einwand, es sei verwegen, angesichts des Sanierungsfalls Kurbad mit dessen Weiterbetrieb zu planen. Das Oberflächenwasser rund ums Kurbad, wo zudem ein kleiner See entstehen könnte, von der B8 und der Adelheidstraße würde in die Zisternen abgeführt. Das kommt dem Konzept der „Schwammstadt“, in der möglichst kein Regenwasser mehr verloren geht, schon sehr nahe.
Neben den Detailplanungen in der Konrad-Adenauer-Anlage und im Kurpark, wo jeweils deutlich mehr Bäume neu gepflanzt werden als gefällt werden müssen, wurde auch die neue Verkehrsplanung mit dem Busbahnhof und der Tiefgarage auf dem Areal des heutigen Rosengärtchens – der umstrittenste Punkt des Gesamtprojekts – noch einmal im Detail erörtert (die KöWo berichtete mehrmals). Was für die Politiker eine Wiederholung war, war für viele Bürgerinnen und Bürger Neuland. Und vieles, was sie hörten, schien auf Zustimmung zu stoßen, was am Applaus – und dann bei vielen Wortmeldungen – deutlich abzulesen war.
Bürger tendieren zu „Ja“
Nach geschlagenen zwei Stunden Versammlung hatten dann die Bürger das Wort – und fast alle hatten so lange ausgehalten. Denn es gab viele Anmerkungen zur Planung, Nachfragen, insgesamt überwogen Zustimmung und Lob bei den insgesamt 27 Wortmeldungen die Kritik und Zweifel. Unter den anwesenden Bürgern meldeten sich überwiegend Befürworter der Neugestaltung – obwohl bei solchen Anlässen ja gerne verstärkt jene auftreten, die etwas zu meckern haben. „Ich bin tief beeindruckt von dem Konzept“ und „Ich bin froh, dass wir mehr Grün haben werden“ waren zwei der Positivstimmen. Aber es wurde auch bei grundsätzlichen Unterstützern kritisch nachgefragt: So bezweifelte Didier Hufler (ADFC), ob man den (motorisierten) Individualverkehr und damit ein Parkdeck wirklich brauche und ob es einen Nachweis gebe, dass es den Einzelhandel wirklich stärkt? „Wenn Sie wollen, dass die Innenstadt wirklich funktioniert, muss man den Wünschen der Bürger und Gewerbetreibenden nachkommen“, stellte Christian Prokesch (Herzig Architekten) den klaren Auftrag zur Planung einer Parkgarage heraus, auch wenn es sicher Beispiele für Städte gebe, die ohne innenstadtnahes Parken wunderbar ausgekommen seien – vielleicht aber auch mit einer anderen Bevölkerungsstruktur.
Das konkretisierte später noch Martin Neubeck, Vorsitzender des Gewerbevereins HGK. Der Punkt sei gewesen, dass nicht direkt die Gewerbetreibenden, sondern deren Kunden diese Parkplätze gefordert hätten, sonst würden sie zum Einkauf gleich ins MTZ fahren. Das vorliegende Konzept entspreche „dem demokratisch geäußerten Willen von zweieinhalb Arbeitsgruppen“ und die Umsetzung sei für ihn „perfekt“, so Neubeck.
Die Bürgermeisterin hatte bereits eingangs erklärt, dass die Stadt sehr wohl mit der Volksbank über die Möglichkeiten eines größeren Parkhauses im Zuge des Neubaus auf deren Areal gesprochen habe, doch die Interessen zwischen Stadt und Volksbank wären an dieser Stelle „nicht in Einklang zu bringen“ gewesen, zudem hätte gleichzeitig der Neubau der Grundschule beginnen müssen. Wiederholen musste sie mehrfach, dass die Stadt auf die – unbeliebten – Parkplätze in der Stadtgalerie keinen Zugriff habe. Auf eigenen Parkraum zu verzichten und auf andere zu hoffen, darauf könne keine Planung fußen, sprang ihr Prokesch zur Seite.
Zweifel wurden auch bei der Verkehrsführung in der Adelheidstraße angemeldet und ob sich dort die Busse bei der Ausfahrt vom neuen Zentralbahnhof in die vorfahrtsberechtigte Straße nach rechts in den Verkehr einordnen könnten, ohne die Autos, die Richtung B8 wollen, zu behindern. Verkehrsplaner Holger Ebert (IMB-Plan) bejahte dies, allerdings wurde grundsätzlich die Sorge laut, dass die im Berufsverkehr oft komplett verstopfte Straße diese zusätzlichen Busse Richtung Frankfurter Straße überhaupt noch aufnehmen könne. Eine Bürgerin fragte, wann endlich die zweite Kreiselspur auf der B8 öffne, damit löse sich auch der innerstädtische Ausweichverkehr durch die Adelheidstraße ein Stück weit. „Wir kommen langsam zum Ende mit der Planung der benötigten Lärmschutzwand“, machte Schenk-Motzko Hoffnung, dass es bei diesem ewigen Thema bald vorangehen könnte.
Gefragt wurde wie in den Ausschüssen auch zweimal, ob die Planer beim 1,8 Millionen Euro teuren Pavillon für die Stadt- und Kurinfo mit öffentlichen Toiletten auf dem Kapuzinerplatz noch abspecken könnten? Das sei ein beträchtlicher Bestandteil der Kosten, so Clemens Reiß vom Königsteiner Auktionshaus. Hier gebe es bereits eine angepasste Planung, bei der einige Flächen auch für gastronomische Nutzungen wie etwa den Weinstand untervermietet werden könnten, erklärte Prokesch.
Ellengard Jung vom VDenkmaöpfleg eKönigstein e.V. wollte wissen, ob sich die Planer bewusst seien, dass sie beim Graben auf Mauerreste und Keller des Kapuzinerklosters stoßen können und ob darauf Neupflanzungen von großen Bäumen möglich seien. Das wurde von Uwe Bauer, Landschaftsarchitekt bei Kienleplan, bejaht. Der Boden sei sondiert worden und man habe auch Erfahrungen mit dem Umgang mit sogenannten Bodendenkmälern. Aber offensichtlich, das hatte Jung noch herausgefunden, seien bei der Oberen Denkmalbehörde in Wiesbaden noch keine Planungsunterlagen eingereicht worden – was aber auch noch nach Beschlussfassung geschehen kann.
Kreditlaufzeit 50 Jahre
Über allen anderen Themen stehen die Kosten und die Angst vor einer finanziellen Überforderung der Stadt und den Folgen für deren Bürger. Das wurde auch am Montagabend deutlich. „Ich kann nicht bauen, was ich nicht finanzieren kann“, sagte etwa Petra Dittmann. „Ich habe nicht vor, die Grundsteuer jetzt anzuheben“, entgegnete Schenk-Motzko. Es werde – wie es üblich ist – neben liquiden Mitteln ein Kredit aufgenommen, der über 50 Jahre abgeschrieben werden kann. Zwölf Millionen durch 50, das könne sich jeder selbst ausrechnen, so die Bürgermeisterin. Es sind 240.000 Euro plus Zinsen, die nach dieser Rechnung den jährlichen Ergebnishaushalt belasten werden. Es ist also mitnichten so, das wurde damit von der Verwaltung klargestellt, dass Königstein die Summe in wenigen Jahren aufbringen muss und entsprechend nicht anders kann, als an der Steuerschraube zu drehen. Trotzdem bleibt die Finanzlage der wohl entscheidende Knackpunkt.
Spät am Abend, nach bald 90 Minuten Frage- und Diskussionsrunde, ergriff Jutta Hufler das Mikro: „Wer möchte, dass wir endlich eine schöne Innenstadt haben, soll jetzt den Arm heben.“ Auch wenn das Publikum nicht mitzog und es keine „Abstimmung“ der Bürger gab, blieb der letzte Satz hängen. „Ich würde mich freuen, wenn endlich mal alle über Fraktionsgrenzen hinaus für Königstein entschieden würden“, so Jutta Hufler. Das Statement erntete den längsten Applaus des Abends.
Da die geplante Fragerunde vorher schon in zuweilen längere Plädoyers ausgeartet war, gab der Stadtverordnetenvorsteher mehrmals und nochmal am Ende der Sitzung den Ratschlag, für Kritik und weitere Anregungen den Kontakt zu den gewählten Mandatsträgern zu suchen. Ob diese Rückkopplung in der Kürze der Zeit noch möglich ist, bleibt aber die Frage. Am Ende werden die Stadtverordneten nach ihrem eigenen besten Wissen und Gewissen – und da und dort auch ohne Fraktionszwang – entscheiden müssen. Heute ist „D-Day“ in Königstein – und egal wie es ausgeht, die Entscheidung wird weitreichende Folgen für die Stadt haben.