Königstein (as) – Kein ganz normaler Samstagvormittag in Königstein. Verkehrschaos rund um die Gerichtstraße und überall Familien mit ihren Kindern, die unterwegs sind zur Hausnummer 19, der Adresse der St. Angela-Schule. Auf dem Schulgelände ist kaum ein Bein auf den Boden zu bringen. Infostände, Besuchergruppen, dazwischen aktuelle Schülerinnen aller Jahrgangsstufen. So sieht es aus in der Mädchenschule am Tag der offenen Tür. Alle Lehrkräfte und Schülerinnen sind auf den Beinen, um an diesem Informationstag für Eltern, deren Kind im kommenden Schuljahr auf eine weiterführende Schule wechselt, das vielfältige Profil der staatlich anerkannten Privatschule, die unter der Trägerschaft des Bistums Limburg steht, näherzubringen. „Es ist voll, es ist wuselig – passt“, lautete schon mitten am Tag das prägnante Fazit von Realschulleiterin Julia Döller. Etwa 300 Eltern mit ihrem Nachwuchs hätten sich angemeldet, weiß der kommissarische Schulleiter Marcel Neeb, wahrscheinlich seien sogar noch mehr gekommen. Neeb gehört seit seinem Referendariat vor 18 Jahren zum festen Lehrkörper der Schule, er hat also den Vergleich zu früheren Jahren und ist „sehr zufrieden“. Die Hauptsache für ihn an diesem Tag. „Die Eltern sollen ein Gefühl für die Schule bekommen, die Atmosphäre und die Lehrer kennenlernen. Und ganz wichtig: Die Schülerinnen müssen sehen, ob es das Lernumfeld ist, in dem sie sich wohlfühlen.“ Am Ende des Entscheidungsprozesses und des schulischen Auswahlprozesses werden es vermutlich 150 neue Fünftklässlerinnen sein, die im kommenden Sommer auf die St. Angela-Schule wechseln werden.
Immer wieder laufen aktuelle SAS-Schülerinnen der E-Phase (11. Jahrgang) mit ihren potenziellen neuen Mitschülerinnen im Schlepptau durch den Hof und über die Gänge der Schulgebäude. Sie zeigen ihnen die modernen naturwissenschaftlichen Fachräume, nehmen sie mit zu Englisch- und Französisch-Schnupperkursen. Mit Französisch, das im Gymnasium des SAS sogar als erste Fremdsprache belegt werden kann, hatten die Viertklässlerinnen bisher – anders als mit Englisch – noch keine schulischen Berührungspunkte, aber im ein wenig in eine Boulangerie umfunktionierten Schulraum können sie sehen und schmecken, dass sie doch schon einige französische Begriffe kennen: Crêpes, Baguette, Camembert und Croissant zu Beispiel.
So spielerisch werden die Schülerinnen in vielen Räumen an die vielfältigen AGs und Projekte der Schule herangeführt. Im Bioraum dürfen sie Dinge aus der Natur ertasten – und auch schätzen, wie viele Zuckerwürfel in ganz normalen Lebensmitteln und im Vergleich dazu in Süßwaren stecken. Dass in einem Apfel drei Würfel Zucker stecken, habe viele Kinder überrascht, erzählt Biolehrer Martin Henke – aber was ist das schon gegenüber 15 Würfeln in einem Überraschungsei von 85 Gramm? Er erzählt den möglichen neuen Fünftklässlerinnen auch von den „grünen Schützlingen“, dass sie in der fünften und sechsten Klasse zu Baumpatinnen werden und sich um die Bäume auf der noch recht neu angelegten Streuobstwiese kümmern.
Um Bäume geht es auch im Chemieraum. Schülerinnen der siebten bis neunten Klassen aus der Schulimkerei verkaufen den „Uschi-Gold“-Honig und Kerzen aus Bienenhonig. Die Einnahmen gehen zugunsten von Bildungs- und Naturschutzprojekten in Sambia. Dort werden die Bienenkästen in Bäume gehängt. Sie schützen die Bäume vor dem Abholzen und geben den Menschen eine wirtschaftliche Perspektive.
Alle Schülerinnen scheinen mit großem Engagement bei der Sache zu sein, um dem Nachwuchs die Besonderheiten der SAS zu erklären. Drei Unterrichtsstunden haben alle an diesem Tag „Dienst“, sie werden mit einem freien Tag ausgeglichen, berichtet Deutschlehrerin Katrin Michel, die sich auch um die Öffentlichkeitsarbeit der Schule kümmert.
Die Lehrkräfte sind derweil mit den Eltern unterwegs, zeigen Räumlichkeiten wie das Schwimmbad (viele Kinder erlernen hier in Zeiten knapper Schwimmkurse das sichere Schwimmen), die Sporthalle, die BO-Ecke (Berufs- und Studienecke), die Musikräume und die Kirche im ehemaligen Ursulinenkloster, wo an diesem Tag auch zweimal die Begrüßung als „Auftaktimpuls“ stattfindet. Die katholische Schule steht zu ihrer Tradition: Sie steht schon lange auch Kindern mit evangelischer Konfession (und anderer Religionen) offen, die Kinder müssen heute nicht einmal mehr getauft oder Kirchenmitglied sein. „Wie stellen uns den gesellschaftlichen Veränderungen“, sagt Neeb. Aber die Schule erwartet ein klares Bekenntnis zum Christentum. Es gibt katholischen und evangelischen Religionsunterricht – keine Ethik. Er bekomme da und dort schon auch Vorbehalte gegenüber der katholischen Kirche zu hören, sagt Neeb, auch wenn diese mit der Schule nichts zu tun hätten. Weitaus wichtiger sind in den Gesprächen mit den Eltern aber praktische Fragen gewesen, etwa Vertretungsunterricht und Nachmittagsbetreuung.
Und die Eltern fragen nach den Schulabschlüssen und dem Weg dorthin. Das Gymnasium ist seit zwei Jahren ein reines G9-Gymnasium. Die Kinder starten meist mit Englisch, aber auch Französisch wird durch vier Partnerschulen im französischsprachigen Raum stark gefördert. Die zweite Fremdsprache ist für die „Französischklasse“ immer Englisch, während sonst als zweite und dritten Fremdsprache auch Spanisch und Latein gewählt werden können. Ein zweiter Schwerpunkt ist der naturwissenschaftliche Unterricht in den MINT-Fächern.
Ein Alleinstellungsmerkmal in Königstein hat nach der Schließung der Friedrich-Stoltze-Schule mittlerweile der Realschulzweig der St. Angela-Schule. Dessen Leiterin Julia Döller ist eine entschiedene Verfechterin davon, Kinder nicht auf Teufel-komm-raus zum Abitur zu drängen. Manche Kinder seien eher praktischer und handwerklicher veranlagt, sagt sie. Zur speziellen Förderung dieser hat die Schule das Konzept S.T.A.R.C.K etabliert. Eine Lese-Förderstunde, Lernpräsentationstechniken, das Erlernen des Zehn-Finger-Systems zum Schreiben auf dem Computer und die Gründung einer „Schülerfirma“ samt Produktentwicklung in der neunten Klasse gehören dazu. Und dass es trotzdem noch das Abitur werden kann, vergisst Döller nicht zu erwähnen: „90 Prozent unserer Realschülerinnen in der zehnten Klasse haben eine Empfehlung für die Fachoberschule oder das Gymnasium.“ Es seien schon komplette Schulkassen zum höheren Bildungsabschluss gewechselt.
Apropos Lesen: Auf die Lesekompetenz legt die Schule besonderen Wert. In der schönen Schulbibliothek unter dem Dach von Haus C gibt es neben Fach- und fremdsprachlicher Literatur eine breite Auswahl an aktueller Jugendliteratur. Auch Laptops für das digitale Arbeiten stehen bereit. Die Räume stehen von 8 bis 15 Uhr offen, sie bieten auch einen Rückzugsort zum Schmökern, jüngere Schülerinnen lassen sich gerne noch von Gabi Fachinger vorlesen, die als Literaturpädagogin das Gesicht der Bibliothek ist. „Es ist das A und O, dass Kindern vorgelesen wird“, sagt sie. Und sie weiß das Interesse an Büchern zu schüren. Aus dem Kreis der Schülerinnen hat sich unter anderem ein Buchclub gebildet, der mit seinem Podcast den „Bücheralarm Award“ der Leipziger Buchmesse gewonnen hat. Die vier Mädchen Mara, Lucia, Klara und Luise aus der 8. Klasse, die den Leseclub bilden, zeigen vor der Bibliothek ihre aktuellen Favoriten. Sie haben sich vor kurzem intensiv auf der Frankfurter Buchmesse umgesehen, an Lesungen teilgenommen und alle Titel ganz genau unter die Lupe genommen, die für den Jugendliteraturpreis für Kinderbücher nominiert waren. Und sie haben sich des Projekts angenommen, die Romane in der Bibliothek nicht mehr nach Autorenname, sondern nach Genre zu sortieren. Wer Lesetipps braucht, ist bei dem belesenen Quartett richtig. Sechs Bücher mit locker 300 Seiten in der ersten Herbstferienwoche – kein Problem für sie. Und sie würden sich natürlich auch über Verstärkung ihrer Gruppe von neuen Fünftklässlerinnen freuen, sagen sie.
Da klingen über das Treppenhaus die Instrumente der Bläsergruppe nach oben – und die Besuchergruppe zieht weiter. Man will ja wissen, wer hinter der reizvollen akustischen Einlage steckt. An jeder Ecke ist was los in der Schule, kaum in der Gänze zu erfassen an nur einem Tag. Aber viele wollen ja auch wiederkommen – dann aber für sechs bis neun Schuljahre.
Auf die aktuellen Herausforderungen im Bildungswesen und auf gesellschaftliche Fragen im Allgemeinen hat die St. Angela-Schule einige Antworten anzubieten: Mit einer – durchaus segensreichen – Kombination aus Tradition und Moderne! Davon können sich Interessierte am 30. November beim alle zwei Jahre stattfindenden Adventsbasar wieder ein Bild machen.