„Sinnvolle Asylpolitik sollte anders aussehen“

Königstein
(kw/gs) – Die Entscheidung des Hochtaunuskreises, Familien allein aufgrund ihrer Personenstärke aus der Flüchtlingsunterkunft im Königsteiner Forellenweg an andere Orte zu verlegen, stößt auf großen Unmut bei den Betroffenen und derjenigen Helfer, die sich persönlich für das Wohl und die Integration der Geflüchteten engagieren.

Lediglich vier Tage habe man den Betroffenen teilweise gegeben, bevor der Umzug vollzogen werden musste. Bereits in der Königsteiner Woche vom 22. Juli (KW 29) berichteten wir auf Initiative von Frau Pfarrerin Katharina Stoodt-Neuschäfer (Immanuel Gemeinde Königstein) zu dem Thema.

Nun erreichte uns die eindringliche Schilderung des gleichen Sachverhaltes von Seiten des Freundeskreis Asyl, in der Dr. Andrea Schlosshan das Schicksal einer betroffenen Geflüchteten beschreibt:

„Es ist Donnerstag, als Baran M. (der Name ist geändert) in ihrem Briefkasten einen Brief vorfindet, der sie erstarren lässt. Baran stammt aus dem Iran und lebt mit ihrem Mann und ihrem erwachsenen Sohn seit ihrer Ankunft vor drei Jahren in Deutschland in einer Gemeinschaftsunterkunft in Königstein im Taunus.“ Diese Einrichtung wurde im Jahr 2017 eröffnet und wird seitdem vom Hochtaunuskreis für die Unterbringung von Flüchtlingen betrieben. 26 kleine Wohneinheiten auf zwei Etagen beherbergen max. 99 Personen in überwiegend vorhandenen Viererzimmern. „Aufgrund von Umstrukturierungen in den Gemeinschaftsunterkünften des Hochtaunuskreises“ seien Umzüge erforderlich, entnimmt Baran dem Schreiben mit Entsetzen. Die angekündigten Umzüge betreffen auch Baran und ihre Familie. Diese muss wenige Tage nach Erhalt des Briefes in die Erbismühle nach Weilrod umziehen. Der Grund dafür: Baran und ihre Familie belegen zu dritt eine (max. 30 Quadratmeter große) Vierbett-Wohneinheit und müssen daher einer vierköpfigen Familie weichen, um den Wirtschaftlichkeitskriterien des Kreises zu genügen. ‚Alle anderen Gegenstände, insbesondere sperrige Matratzen, Bettzeug, Teppiche und ähnliches können nicht mitgenommen werden und müssen entsorgt werden!‘ entnimmt sie dem amtlichen Schriftstück weiterhin.“

Neuer Wohnort: Erbismühle

Die Erbismühle, so Schlosshan, sei ein ehemaliges, einzeln stehendes 4-5 stöckiges Hotel mit dementsprechendem Zimmerkontingent im Weiltal direkt an der Weilstraße abseits von den umliegenden Ortschaften gelegen. Da das „heruntergekommene“ Hotel als solches nicht mehr zu betreiben gewesen sei, hätte sich 2018 kurzerhand ein Investor gefunden, der die Immobilie zwar nicht renoviert, dafür aber brandschutztechnisch auf den neuesten Stand gebracht habe, um sie dann dem Hochtaunuskreis bis einschließlich 2028 als Flüchtlingsunterkunft für 160 Flüchtlinge zu vermieten. Der Innenbereich wirke desolat. Für Einkäufe bzw. Schul- oder Arztbesuche müssten die Bewohner mit dem Bus fahren. „Baran ist verzweifelt – sie und ihre Familie möchten nicht in die Erbismühle umziehen“, merkt Andrea Schlosshan an.

Ungewisser Aufenthaltsstatus

Barans Aufenthaltsperspektiven in Deutschland seien noch ungewiss. Sie leide an Depressionen und an insulinpflichtiger Diabetes und müsse daher regelmäßig ihre Ärzte in Königstein und Bad Soden aufsuchen. Fleißig besuche sie zusätzlich zu ihrem Volkshochschulkurs zweimal pro Woche den von ehrenamtlichen Helfern in Königstein angebotenen Deutschunterricht und nehme regelmäßig an den Yogastunden in ihrer Nachbarschaft teil. Baran M. wünsche sich nichts sehnlicher, als in Deutschland zu arbeiten und sich hier niederzulassen.

Alle Bemühungen zunichte gemacht

Königstein besitze, so der Freundeskreis Asyl, bereits seit der Ankunft der ersten Flüchtlinge im Jahr 2015 einen aktiven Kreis von ehrenamtlichen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, die sich um die Belange der Asylsuchenden kümmern. Sie haben ein gutes Vertrauensverhältnis zu ihren „Schützlingen“ aufgebaut und bemühen sich unermüdlich um deren Integration in die deutsche Gesellschaft, sei es durch die Hilfe bei der Arbeitssuche, Deutschunterricht und vieles andere mehr.

Durch die kurzfristig behördlich angeordneten Umzüge von Familien, fühlten sich auch die Helferinnen und Helfer in ihren Bemühungen vor den Kopf gestoßen und wünschten sich – bei allem Verständnis für die Implementierung effizienter Verwaltungsstrukturen – einen respektvolleren Umgang im Umgang mit den Geflüchteten.

Die Entscheidung, Menschen in isolierten Gemeinschaftsunterkünften außerhalb von Ortschaften unterzubringen, trifft hier auf Unverständnis.

Die „Umzugsverwaltung“ führe, so die Überzeugung der ehrenamtlichen Helfer, zu noch mehr Depression, Verzweiflung, gesellschaftlicher Isolation und Perspektivlosigkeit. Das sei es jedoch, was es zu verhindern gelte, so Schlosshan.



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