Königstein (as) – Außerordentlich mobil hat sich Königstein am vergangenen Sonntag präsentiert. Die neue Mobilitätsmesse, die die bisherige Autoschau abgelöst hat, lockte deutlich mehr Besucherinnen und Besucher in die Innenstadt als zuletzt vor einem Jahr. Sie mussten dabei auch mobiler sein, denn die Informations- und Ausstellungsbereiche zogen sich diesmal vom Beginn der Georg-Pingler-Straße über den Kapuzinerplatz, wo die „Blaulichtmeile“ ein Comeback feierte, über die gesamte Ausdehnung des Kurparks bis zum Rathausvorplatz und in einer Runde an den Essensständen der „Genussmeile“ Hintere Hauptstraße und den geöffneten Geschäften der Kirch- und Hauptstraße vorbei zum an diesem Sonntag gesperrten Busbahnhof. Mobilitätsmesse eben, zu der neben dem klassischen und zudem deutlich aufgewerteten Autoteil mit elf Herstellern auch Fahrradhersteller und -verbände sowie Verkehrsverbände und die Stadt Königstein mit ihrer Mobilitätsumfrage wesentlich beitrugen.
Das Angebot war breit und interessant genug, um an diesem ersten vom Verein Handwerk und Gewerbe in Königstein e.V. (HGK) veranstalteten verkaufsoffenen Sonntag des Jahres gut und gerne drei Stunden in der Stadt zu verbringen. Und das Wetter spielte nach einigen Regenspritzern zum Aufbau am Morgen dann auch noch ganz ordentlich mit. Je später es am Nachmittag wurde, desto mehr schaffte es die Sonne, sich gegen den frischen Wind durchzusetzen und umso mehr Menschen zog es zum Flanieren in die Stadt und in den Park. „Es passt alles, wir sind zufrieden und die Leute sind auch zufrieden“, sagte Udo Weihe vom Eventteam des HGK, der im Quartett mit Stefan Hüttl, Anna Schwabe und Michael Kowald das neue Konzept geplant hatte. Wichtig war auch ihm hervorzuheben, dass zur Mobilitätsmesse mehr als Autos gehören, was in einer ohnehin vom Autoverkehr geplagten Stadt wie Königstein auch längst an der Zeit war und im Prinzip auch schon beim letzten offenen Sonntag zum Oktoberfest mit der „Nachhaltigkeitsmeile“ seinen Auftakt genommen hatte.
Und auch HGK-Chef Martin Neubeck zeigte sich sehr angetan von der neuen Vielfalt der traditionsreichen Veranstaltung. Nur dass es nicht einmal alle Mitglieder des Gewerbevereins möglich machen konnten, an diesem Sonntag die Türen aufzuschließen, obwohl sie – anders als in anderen Städten – dafür nichts extra zu entrichten haben, sei ein wenig bedauerlich. Je mehr Programm auf der Straße geboten wird, desto weniger Menschen haben einen Anlass, in Geschäfte zu gehen, lautet offenbar ein Argument, nicht mitzumachen. Andere erlebten das Gegenteil, wie etwa Thomas Schwenk in der Buchhandlung Millenium. „Es läuft super, der Laden ist seit 13 Uhr voll“, sagte der Buchhändler rund drei Stunden später.
Als Gewinner sahen sich trotz der Teilung der Aufmerksamkeit die Autohersteller. Ein spannender, auch vielen Königsteinern noch nicht bekannter Elektrohersteller kommt aus den Vereinigten Staaten und heißt Lucid. Die Limousinen, die mit einem Einstiegspreis von 85.000 Euro das Luxussegment bedienen, punkten mit einer Reichweite von bis zu 960 Kilometern bei ihren bis 118 kWh starken Akkus. Verkaufsräume bzw. „Studios“ gibt es erst in vier deutschen Großstädten, darunter am Goetheplatz in Frankfurt, am Sonntag eben auch in Königstein, und zwar gleich ganz vorne in der Hauptstraße, von wo praktischerweise auch Probefahrten starten konnten. Offenbar für ein sehr interessiertes Publikum. „Wir hatten viele überraschte und auch interessierte Besucher“, freute sich Verkaufsleiter Thomas Dietzel. „Wir werden sicher wiederkommen, um die Taunusregion zu infizieren und zu elektrifizieren.“
Ähnliches war bei der britischen Edelschmiede Lotus zu hören, noch so ein Highlight-Neuzugang in diesem Jahr. „Wir freuen uns über ein Wahnsinnsinteresse, die Menschen hier sind sehr sympathisch und offen … und unsere Klientel“, sagte Petra Fiermann, die Marketing-Chefin bei Händler Haese aus Mainz-Kastel. Wobei sie die Herkunft gerne korrigiert – in der sich sehr schnell drehenden automobilen Welt hat sich auch bei dem 007-Ausstatter einiges verändert. Britisch ist nur noch das Design, das Engineering ist inzwischen deutsch und stammt nicht weit entfernt aus dem erst während der Corona-Zeit entstandenen Tech Innovation Center in Raunheim – und zusammengebaut werden die Lotus-Autos inzwischen in China. Immerhin kann die deutsche Ingenieurskunst auf diesem globalen Markt noch eine starke Rolle spielen.
Drei Autos hatte Lotus aus Mainz mit nach Königstein gebracht, zwei davon Elektroautos. Fiermann nennt das die „Transformation unserer Fahrzeuge“. Und am besten verkauften sich bei Lotus mittlerweile nicht mehr, wie jahrzehntelang, schnittige Sportwagen mit Mittelmotor, sondern das im letzten Jahr auf den Markt gekommene Elektro-SUV-Modell Eletre mit mindestens 611 PS und einer Beschleunigung von 0 auf 100 in drei Sekunden. 95.000 Euro sind der Einstiegspreis.
Wo man auch hinschaute – ob bei den Standnachbarn von Porsche oder der kurzfristig am Freitag nachgemeldeten Marke Cadillac oder gegenüber auf dem Rathausvorplatz bei Elektro-Vorreiter Toyota: Ohne Elektro geht es nicht mehr, das gilt auch für BMW, Mini, Audi, VW, Seat und Cupra, die ihre neuen, blitzenden Modelle rund um die Villa Borgnis aufgestellt hatten. Was bei all den Premiummarken ein wenig fehlte, waren mit Ausnahme des Toyota Yaris die kleinen Stadtflitzer.
Radladen oder Autohaus?
Dafür zeigten sich andere Stadtflitzer in Form von Elektro-Fahrrädern und -Lastenrädern bei Lenz E-Bikes aus Kelkheim auf der Georg-Pingler-Straße. „Wir sehen uns mehr als ein modernes Autohaus als einen Radladen“, überraschte Inhaber Eric Lenz. Denn das Ziel sei ja, Autowege zu ersetzen, insofern seien Elektroräder „Gamechanger“ im Mobilitätswandel. Und die gibt es für verschiedenste Einsatzzwecke. Die größte Aufmerksamkeit zogen die schlanken Räder von Schindelhauer aus Berlin auf sich, die für Pedelecs bisher fast unerreichbare 15 Kilo leicht sind. Die Besonderheit ist einMinion-Getriebemotor, der die Kraft mittels wartungsarmem Riemen auf das Hinterrad überträgt. Auf einen kastenförmigen Radcomputer verzichtet das minimalistische Designrad, es gibt nur eine im Oberrohr eingelassene LED-Farbskala, auf der der Fahrer die gewählte Unterstützungsstufe und grob die Reichweite sieht – genaue Angaben gibt es in der Smartphone-App, denn dieses Rad kommuniziert mit Bluetooth. So ein Rad kostet aber auch mehr als 5.000 Euro, aber im Vergleich mit einem Kleinauto, das es ersetzen könnte, ist das für Leute, die das mobile Spielgeschehen ändern wollen, vielleicht ein Argument.
Argumentationshilfen für den Umstieg aufs Fahrrad lieferten nebenan der Verkehrsclub VCD, das Gegenstück zum ADAC, der mit seiner Landesgeschäftsführerin Anja Zeller zum ersten Mal bei einem verkaufsoffenen Sonntag in Königstein dabei war. Mitgebracht hatte der VCD ein Lastenrad, dessen Fahrverhalten und Wendigkeit man auf einem Hindernisparcours testen konnte. Immer dabei ist natürlich der ADFC-Ortsverein, der neben vielen Infos zum Radverkehr und seinen Touren wieder die wichtigen Fahrradcodierungen anbot – wer ein gescheites Fahrrad sein Eigen nennt, will es schließlich auch vor Langfingern schützen. Und wo die Hindernisse und Problemstellen für Fahrradfahrer in der Kurstadt liegen und wie es generell um die Erreichbarkeit von Zielen mit verschiedenen Verkehrsmitteln in Königstein bestellt ist, möchte die Stadt herausfinden. Sie startete an diesem Sonntag ihre Umfrage zur Erstellung eines Mobilitätsplans. „Die Rückläufe sind super.“ Schon zur Mitte des Nachmittags war die Box mit gut 50 ausgefüllten Umfragen (die es auch online gibt) gut gefüllt, freute sich Rosanna Ehrentraut vom Königsteiner Mobilitätsteam.
Blaulichtmeile im Zentrum
Manch große Fahrzeuge ergeben aber auch vor dem Hintergrund jeglicher neuer Mobilitätskonzepte großen Sinn und machen auch jedem Spaß: die Einsatzfahrzeuge der Feuerwehr, des Deutschen Roten Kreuzes und des Technischen Hilfswerks, die für ein schönes Comeback der Blaulichtmeile rund um den Kapuzinerplatz sorgten. „Wir sind froh, dass wir wieder zentraler als zuletzt in der Kirchstraße stehen“, sagte Jörg Libbert, der Führer der Einsatzeinheit beim DRK-Ortsverband Königstein. Zu sehen war unter anderem ein komplett ausgestattetes Katastrophenschutzfahrzeug. Gegen Spenden gab es neben Kaffee Fleischkäse-Brötchen und, vom Vortag aufgewärmt, Nudeln mit Haschee. Da hatten die Königsteiner gemeinsam mit den Kollegen aus Kronberg und Glashütten die große Feuerwehrübung am Roten Kreuz becatert. Bis zu 350 Einsatzkräfte können die drei Ortsverbände versorgen, was in diesem Jahr bei der großen, glücklich verlaufenen Personensuche im Januar in Glashütten auch schon einmal benötigt wurde. Das in sechs Kisten verpackte Material für die Versorgung von 80 Einsatzkräften wurde am Sonntag auch gezeigt, aber nicht angerührt. Denn schließlich ist man als Retter in einem für diesen Tag gemeldeten Einsatzfahrzeug immer in der Situation, in einem Notfall ausrücken zu müssen. Dazu kam es zum Glück nicht, weder in Königstein noch in der Nachbarschaft. Die mobilen „Terrorsperren“ in Form großer Heuballen, die in der Hauptstraße, der Georg-Pingler-Straße und der Kirchstraße aufgestellt wurden und zum Sicherheitskonzept der Mobilitätsmesse gehörten, konnten am Abend wieder eingepackt werden. Auch ein Erfolg!