Vorhaben- und Erschließungsplan in die Warteschleife geschickt

Königstein (pu) – Nach dem Verlauf der jüngsten Sitzung des Bau- und Umweltausschusses (BAU) lag auf der Hand, dass vor dem anstehenden Parlamentsbeschluss über die Beteiligung der Öffentlichkeit in puncto Vorhaben- und Erschließungsplan „ehemaliger Sportplatz BNS“ noch Klärungs- und Diskussionsbedarf bestand. Andererseits hatten die BAU-Mitglieder im Ergebnis nach einem mehrheitlich angenommenen Änderungsantrag von Bündnis90/Die Grünen, der darauf zielte, bei der Nutzung erneuerbarer Energien möglichst umfassend auf Photovoltaik zu setzen, mit sieben „Ja-“ bei vier Gegenstimmen (ALK) mehrheitlich eine Empfehlung für die Beteiligung der Öffentlichkeit zum aktuellen Zeitpunkt gegeben. Umso größer war die Überraschung der anwesenden Zuschauer, als der Vorsitzende des FDP Ortsverbands und Fraktionsvorsitzende Ascan Iredi zu Parlamentssitzungsbeginn einen Antrag auf Vertagung dieses Tagesordnungspunktes in die Sitzungsrunde nach den Sommerferien stellte.

Konzept vorgestellt

Eine gute Woche zuvor hatte Projektentwickler und Investor Eberhard Horn Eckpunkte des aktuellen Stands der Dinge des innovativen Gesamtkonzepts für das geplante Neubau-Quartier „Königsteiner Höfe“ vorgestellt und den Ausschussmitgliedern bereitwillig unter den Nägeln brennende Fragen beantwortet. Im Zuge der Präsentation deutete Horn einen Umzug des momentan in der Innenstadt ansässigen Alnatura-Marktes auf das Gelände an. Dazu ergänzte Rathauschef Helm, der Bio-Supermarkt sei hinsichtlich der Fläche am aktuellen Standort in der Frankfurter Straße an seine Grenzen gestoßen und auf der Suche nach einem neuen Platz. Selbstredend wolle man Alnatura gerne in Königstein halten.

Das geplante Baugebiet der „Königsteiner Höfe“ erstreckt sich, wie bereits mehrfach berichtet, auf einer Fläche von 9.000 Quadratmetern entlang der Sodener Straße zwischen dem Haus der Begegnung (HdB) und der Bischof-Neumann-Schule (BNS). Während der ursprünglich angestrebte Bebauungsplan an dieser Stelle ausschließlich eine gewerbliche Nutzung vorsah, wird nunmehr die Erstellung eines vorhabenbezogenen Bebauungsplanes angestrebt, der einen Großteil Wohnnutzung vorsehen soll. Es ist vorgesehen, die Häuser in umweltschonender und optisch ansprechender Holzbauweise zu errichten. Die geplanten Mehrfamilienhäuser werden über eine lockere Fassadengestaltung verfügen, wobei die Baumaterialien auf den Baukörper abgestimmt werden, um einen „aufgelockerten“ Gesamteindruck zu vermitteln. Im Quartier, das zusätzlich unter der Überschrift „Grün in der Stadt“ steht, werden durch den Neubau circa 7.000 Quadratmeter Wohnraum neu geschaffen – circa 75 Wohnungen mit einer Wohnfläche zwischen 35 und 150 Quadratmetern. Etwa 3.000 Quadratmeter sind für Praxen, Büros, Bildungseinrichtungen und einen Bio-Supermarkt reserviert.

Die vorgesehene Tiefgarage, die unter dem Quartier entstehen soll, wird nach momentanem Stand der Dinge auf zwei Ebenen über circa 280 Stellplätze verfügen, dazu kommen circa 200 Stellplätze für Fahrräder. Von der anfänglichen Idee eines Boardinghauses nahmen die Planer jedoch wieder Abstand.

Unerwartet

Alles in allem erweckte der Verlauf der Debatte an diesem Abend in keinster Weise den Anschein, es könne einem Beschluss noch vor der Sommerpause zur Beteiligung der Öffentlichkeit etwas entgegenstehen.

Dieses Bild änderte sich mit dem Antrag der Königsteiner Liberalen, die zur Begründung anführten, es sei zu früh, um Fakten zu schaffen. Vorher müssten eine Reihe offener Fragen – sei es zur Anzahl der Stellplätze, zu Auswirkungen des Umzugs des Alnatura-Marktes aus der Innenstadt heraus oder zur Anordnung der Fahrradabstellplätze – geklärt werden. FDP-Chef Iredi sprach von „erhöhtem Verhandlungsbedarf“.

In Reaktion darauf machte Bürgermeister Leonhard Helm (CDU) seinem fehlenden Verständnis ob der unerwarteten Wendung Luft. „Aus meiner Sicht gibt es keinen Bedarf, das gesamte Verfahren ein Vierteljahr zu verschieben. Das kostet sowohl Geld als auch wertvolle Zeit!“ Rückendeckung erhielt er durch Bündnis90/Die Grünen-Stadtverordnete Patricia Peveling, die dafür warb, den Antrag abzulehnen – schließlich sei es Sinn und Zweck einer Offenlage, das Für und Wider des Konzepts abzuwägen.

Befremdliche Abstimmung

Damit waren alle Argumente vorgebracht, Stadtverordnetenvorsteher Dr. Michael Hesse forderte zur Abstimmung auf. Die ging allerdings alles andere als glatt über die Bühne. Denn kaum, dass der Parlamentschef als knappes Ergebnis 15 „Ja“-Stimmen bei 14 Gegenstimmen und einer Enthaltung bekanntgegeben hatte, machte sich Anspannung breit. Sowohl Bürgermeister Helm als auch die ebenfalls jedes Mal mitzählende Beate Usinger vom Fachdienst Gremien signalisierten davon abweichende Ergebnisse. Für alle Außenstehenden wäre nun logische Konsequenz gewesen, die Abstimmung unverzüglich zu wiederholen.

Befremdlicherweise entstand jedoch eine minutenlange Pause, in der das „Zähl-Trio“ (Stadtverordnetenvorsteher, Bürgermeister und Fachdienst) beriet, wie mit der misslichen Situation umgegangen werden sollte. In der Zwischenzeit betraten drei verspätete Stadtverordnete (zwei der Wählergemeinschaft „Aktionsgemeinschaft Lebenswertes Königstein“ sowie ein SPD-Mitglied) den Saal und nahmen ihre Plätze ein. Sekunden später verkündete der Stadtverordnetenvorsteher die Entscheidung, die Abstimmung müsse wiederholt werden.

Wer nunmehr annahm, die zu Zuspätgekommenen würden aufgefordert, den Saal während des notwendig geworden zweiten Durchgangs der Abstimmung noch einmal zu verlassen, wurde prompt eines Besseren belehrt.

Darüber wurde keine einzige Silbe verloren, sondern alle Anwesenden zur Abstimmung aufgefordert mit dem Resultat 16 „Ja“ bei 15 Gegenstimmen und einer Enthaltung. Das bedeutete, dass der Antrag der Liberalen angenommen war.

Irritation

Dem stellvertretenden Vorsitzenden des CDU-Stadtverbands, Martin Orlopp, stieß dieses irritierende Handeln offenkundig gewaltig auf. Seine an den Parlamentschef gerichtete Frage, ob es nicht richtiger gewesen wäre, wenn die Zuspätgekommenen den Saal noch einmal hätten verlassen müssen, beantwortete jener knapp, es sei schwierig gewesen, das auseinanderzuhalten. In einem Teil der Reihen der Parlamentarier blieb es unruhig; wenig später verließ FDP-Chef Iredi für den Rest des langen Abends den Saal. Nach Sitzungsende sprachen einige Stadtverordnete hinter vorgehaltener Hand von einer „gruseligen Sitzung“. Gangbar war diese zumindest fragwürdige Situationsbewältigung, so erfuhr die Redaktion der Königsteiner Woche auf Nachhaken von unterschiedlichen Seiten, weil es für einen solchen Fall offenbar keine klare Regelung in der Hessischen Gemeindeordnung gibt.



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