Königstein/Hochtaunus (mk) – Mitte Juni. Die Sonne strahlt, und überall blüht, brummt und flattert es. Wirklich überall? Zumindest an diesem Tag auf dem im Woogtal gelegenen Gelände des Apollo-Vereins beim alljährlichen Schmetterlings-Aktionstag, zu dem die Vereinsmitglieder eingeladen hatten, um lebende heimische Schmetterlinge, Raupen und Puppen aus der eigenen Zucht zu präsentieren. Zudem waren einige Fachleute vor Ort, langjährige Vereinsexperten, die ausführlich auf die Fragen der Besucher eingingen und Flora und Fauna der vorgestellten Insekten und Falter erklären konnten. Besonders für die Kinder – aber auch für die Erwachsenen – ein absolutes Highlight: Die eingesammelten fliegenden Schönheiten, die in eine große, aufgehängte Netzvoliere – liebevoll mit Blumen und Pflanzen bestückt – gegeben werden konnten, wurden am Ende zusammen in die Freiheit entlassen.
Wozu ein „entomologischer Verein“?
Im Jahr 2002 feierte der Entomologische Verein Apollo e.V. sein über 100-jähriges Bestehen, wozu sogar die damalige Oberbürgermeisterin der Stadt Frankfurt, Petra Roth, gratulierte. In ihrem Grußwort an den Verein – erstaunlicherweise bereits vor 21 Jahren – schreibt sie Folgendes: „Dass der Entomologische Verein Apollo e.V., dessen Aktivitäten in der Ferne Beachtung finden, seine Heimat nicht vernachlässigt, beweisen die Mitglieder bei der insektengerechten Pflege des 11.000 Quadratmeter großen Vereinsgrundstücks und anderer Biotope im Rhein-Main-Gebiet. Gerade in der heutigen Zeit ist diese Form des Naturschutzes sehr wichtig, gelten doch solche Biotope als Rückzugsgebiete zahlreicher bedrohter Arten (...)“.
Um die Wichtigkeit eines solchen Vereins zu begreifen, muss man wohl an den Anfang seiner Geschichte „zurückreisen“. Alles begann mit einer kleinen Gruppierung entomologisch interessierter Liebhaber und Sammler aus Frankfurt am Main und dem engsten Umland. Kurz vor Ende des neunzehnten Jahrhunderts beschlossen diese „frühzeitlichen Naturforscher“, ihr Wissen um Insekten auszutauschen und gemeinsame Exkursionen mit geselligen Gesprächen und insbesondere einer alljährlichen Tauschbörse zu organisieren. 1884 gründete sich der heute noch existierende und dem Apollo freundschaftlich verbundene „Internationale Entomologische Verein“. Im Jahr 1897 entstand die Idee eines „neuen“ entomologischen Vereins mit dem gewissen Schwerpunkt bei der Schmetterlingswelt. Das Grundprinzip der wissenschaftlichen Arbeit sollte das Fundament bilden, hinzukommen aber auch sicherlich die menschliche Neugier, das „Kennenlernen“ und Erforschen von neuen Welten in freier Natur und die Freude an der faszinierenden Ästhetik von Insekten. Wenn die beobachtete Vielfalt kategorisiert („Monitoring“) und das erarbeitete Wissen genutzt werden, um gezielt Kenntnislücken zu schließen, und wenn die Reaktion von Insekten auf deren sich wandelnde Lebensbedingungen untersucht wird, träfe dies auf die drei klassischen Säulen der Biologie als Wissenschaft zu, nämlich: vergleichende Beschreibung und Systematisierung, Bildung und Überprüfung von Hypothesen und schlussendlich das Experiment.
Aktueller denn je
Klaus Schurian, 36 Jahre lang Vorsitzender des Apollo Vereins und mittlerweile Ehrenvorsitzender, sagt: „Der gerade erst gelöschte Waldbrand auf dem Altkönig hat uns gezeigt, wie wichtig es ist, durch faunistische Erhebungen vor Ort Kenntnis darüber zu haben, welche Tierarten – hier geht es vornehmlich um Insekten und im Speziellen um Schmetterlinge – es dort gibt. Als mein Vorgänger Martin Steeg seine kleine Broschüre „Die Schmetterlinge von Frankfurt und Umgebung mit Angabe der genauen Flugzeiten und Fundorte“ im Jahre 1961 publizierte, gab es im Taunus noch eine erstaunliche Vielfalt an Schmetterlingsarten. Und er ergänzt weiter: „Ja, leider muss man sagen ‚gab‘, denn auch hier ist die Artenvielfalt in den letzten Jahrzehnten drastisch zurückgegangen. Aber: Der Brand auf dem Altkönig hat sicher auch alle Schmetterlinge vernichtet. Es wird viele Jahre dauern, bis sich Fauna und Flora erholt haben. Haben wir auch in den nächsten Jahren zu heiße und trockene Sommer, ist eine Wiederbesiedlung des Altkönigs durch Schmetterlinge vielleicht gar nicht mehr möglich.“
Wie erschreckend wichtig diese Beobachtungen und Erkenntnisse der Insektenwelt rückblickend sein sollten, zeigt sich insbesondere heute im 21. Jahrhundert. Das natürliche Gleichgewicht scheint gestört. Als nur ein Grund für das Insektensterben gilt der Pestizideinsatz in der intensiv geführten Landwirtschaft heutzutage. Dass Insekten (und damit natürlich auch jegliche Schmetterlingsarten) nicht einmal in Naturschutzgebieten vor den teilweise giftigen Pflanzenschutzmitteln sicher sind, hat auch eine kürzlich erschienene Studie aus Deutschland aufgezeigt. Hier untersuchte ein Team zusammen aus dem Naturschutzbund Deutschland und dem Institut für sozial-ökologische Forschung (ISOE), wie der Insektenreichtum in Naturschutzgebieten mit der landwirtschaftlichen Aktivität in angrenzenden Ackerflächen zusammenhängt. Grund sei der Wind, der die Pestizide vom nahen Ackerland auch auf die Naturschutzgebiete verteile.
Umso wichtiger erscheint es, dass die Bedeutung dieser Naturgeschichte, der genauen und umfassenden Kenntnis der oft belächelten Entomologen oder „Lepidopterologen“ (Schmetterlingsexperten) in der deutschen Forschungslandschaft mehr Anerkennung und Zusammenarbeit erfährt. Und es bliebe zu wünschen übrig, besonders für die Zukunft des Apollo-Vereins und aller Vereine gesamt gesehen, dass Eltern den nachfolgenden Generationen die Natur mit ihren sensiblen Kreaturen darin näherbringen – auch durch solche Veranstaltungen. Vielleicht werden dadurch Sinne geschärft, Wissen vermittelt und das eigene Interesse geweckt, sich zu engagieren, um so bedrohte Arten zu schützen und somit für die Nachwelt zu erhalten.
Zusatz: Beobachtete Schmetterlingsarten auf dem Gelände des Apollo-Vereins: Großer Schillerfalter (nur gelegentlich), Großes und kleines Ochsenauge, Admiral, Kleiner und großer Fuchs, C-Falter, Tagpfauenauge, Senfweißling, Großer und kleiner Kohlweißling, Karstweißling, Aurorafalter, Zitronenfalter, Pflaumenzipfelfalter, Hauhechel-Bläuling, Kurzschwänziger Bläuling, Faulbaum-Bläuling, Rotklee-Bläuling (seit 3-4 Jahren leider nicht mehr gesehen). Dazu kommen mehrere Arten Dickkopffalter, sechs Nachtfalter-Arten und in der unmittelbaren Nähe der dunkle und helle Wiesenknopf-Ameisenbläuling.
Von links: Alfred Westenberger, Dr. Klaus Schurian, Gero Willmann, Dr. Hans-Georg Mark, Klaus Tamm, Wolfgang Peuker und „Vereinsnachwuchs“ Etienne Fröhlich beim Schmetterlings-Aktionstag 2023 des Apollo-Vereins in Königstein Fotos: Kuschel