Wildtiere und Hunde – Das Wohlergehen ist beiden geschuldetRehkizze sind in den kommenden Monaten besonders gefährdet

Königstein/Kronberg (hmz) – Nach Schätzungen des Verbands für das Deutsche Hundewesen (VDH) leben derzeit etwa zehn Millionen Hunde im Land. Deutschland zählt insgesamt circa 83 Millionen Einwohner, theoretisch besitzt also jeder achte Deutsche einen Hund. Um den beliebten Vierbeinern eine gesunde Entwicklung und artgerechte Haltung zu ermöglichen, brauchen sie viel Auslauf, bevorzugt in der freien Natur. Das heißt in Wäldern, auf Wiesen, Wegen und in Parkanlagen – eigentlich überall dort, wo es aus Sicht der Hundehalterinnen und Hundehalter für ihren Hund das Beste ist. Da ist das Konfliktpotenzial offenkundig: Während die Land- und Forstwirte auf den Flächen vornehmlich ihrem Beruf nachgehen und mit dem Wald- und Feldbau sowie der Weidenutzung ihr Einkommen verdienen, dient die Natur anderen für die reine Erholung aber auch für intensive Freizeitnutzung.

Hier haben Hunde im gesellschaftlichen Miteinander vielfach eine große Bedeutung und sie sind eine Herzensangelegenheit. Kaum jemand, der das nicht versteht. Aber eine große Verständnislosigkeit besteht immer dann, wenn Hundehalter nur das Wohlergehen ihres eigenen Hundes im Blick haben, nicht jedoch das der vielen Wildtiere, die ebenso auf Schutz angewiesen sind und genau dort leben, wo Hunde ihre natürlichen Instinkte ausleben wollen und alles aufspüren, was ihnen vor die Nase kommt. Jagdpächter Christof Rohländer, der selbst drei Hunde hat, die ihn auf seinen Rundgängen begleiten, schildert die Zusammenhänge, die eigentlich auf der Hand liegen und auf den Schildern entlang der Wege dokumentiert sind: „Vor allem jetzt im Mai ziehen Wildtiere ihre Jungen auf, in der sogenannten Brut- und Setzzeit. Feldhasen zum Beispiel legen ihre Jungtiere sogar oft nah am Wiesenrand ab. Ein freilaufender Hund kann ein Häslein so erschrecken, dass es schon daran stirbt. Außerdem hinterlässt er unweigerlich seine Duftspur.“ Das habe dramatische Folgen, auch für Rehkitze. „Es reicht aus, dass der Hund zum Rehkitz läuft und so die Witterung eines Beutegreifers zurücklässt. Denn für die Rehgeiß ist der Hund nichts anderes als ein Beutegreifer. Dann verstößt sie das Rehkitz und es verhungert jämmerlich. Da genügt schon ein kurzer Kontakt vom Hund zum Kitz“, so Rohländer weiter. Dabei ginge es jedoch nicht nur um den Kontakt durch Geruchskontaminierung zwischen Hund und Wild, sondern, „und das ist das Hauptproblem, dass die Hunde die wenigen Einstände des Wildes aufsuchen und diese zur Flucht zwingen, was oft in Wildunfällen endet.“

Rehkitze oder junge Hasen ducken sich meistens auch nur tief ins Gras und flüchten nicht. Die Hundebesitzer merken also oft gar nicht, ob ihr Hund in der Wiese oder im Wald einem Wildtier begegnet ist. „Selbst der bravste Familienhund kann außerdem in Versuchung geraten, doch ein Wildtier zu hetzen oder sogar zuzubeißen.“ Bei manchen Hunderassen sei der Hetztrieb zwar durch die Zucht weniger ausgeprägt. Aber wenn aus kurzer Entfernung ein Tier vor einem Hund wegflüchtet, dann sei die Reizüberflutung da und der Instinkt führe dazu, dass der Hund dem Wild nachlaufe. Das Wild flüchte dann panisch, und das gehe in vielen Fällen tödlich aus. „Oft sind Totgeburten die Folge, wenn Wild während der Trächtigkeit gehetzt wird. Regelmäßig finde ich ein verletztes oder totes Tier. Das ist schon bedrückend, weil es nicht sein müsste“, so Rohländer, der eine umfassende Fotodokumentation hat, die fassungslos macht. Mindestens genauso wie die Aussage einer jungen Frau, die Rohländer angesprochen hat, die aber keine Anstalten machte, ihren Hund zurückzupfeifen. „Ich weiß, sie haben ja recht, aber mein Hund muss sich bewegen.“ Die Einhaltung von ein paar wenigen Regeln könnte das Tierleid bereits verhindern, ohne den Bewegungsdrang von Hunden zu sehr einzuschränken: „Hunde müssten an der Leine geführt werden, wenigstens während dieser sehr kritischen Monate von April bis Ende Juli.“ Anfang Mai surren wieder die Drohnen über Felder und Wiesen, um abgelegte Kitze aufzuspüren und sie rechtzeitig in Sicherheit zu bringen. „Während meiner Rundgänge versuche ich, Hundehalter zu informieren. Ihre Reaktion reicht vom Auslachen über Beschimpfungen bis hin zu Bedrohungen.“

In der Nachbarstadt Eschborn gibt es einen Leinenzwang, nicht so in Kronberg. Die Folge: „Sie kommen mit ihren Hunden in unser Gebiet und verschärfen unser ohnehin schon großes Problem.“ Ab und an „gibt es absurde Vorschläge wie Zäune ziehen oder im schlimmsten Fall die Polizei zu rufen“, so Rohländer, der es gerne sehen würde, wenn das Ordnungsamt ab und an Kontrollfahrten vor allem im Bereich B 455, Hofgut Hohenwald und der Jäger- und Försterwiese, durchführen würde. Im Stadtgebiet, vor allem im Viktoriapark, finden Kontrollen statt, aber eigentlich ist es gerade da aufgrund der Hundedichte kaum vorstellbar, dass sich Wildtiere hier ihre Brut- oder Setzplätze suchen.

In der letzten Zeit werden dank der intensiven Hegemaßnahmen vermehrt Rehe in der Gemarkung gesichtet, und darauf ist er stolz. „Wir tun alles dafür, um die Tiere hier unten zu halten, weil rund um den Altkönig großflächig aufgeforstet wird. Die Setzlinge sind ein Leckerbissen für die Rehe, und das Rotwild schält die Bäume. Das würde den Wald zusätzlich schädigen.“ Eigentlich sind das Miteinander und der Umgang gesetzlich klar geregelt: Im Prinzip herrscht ein „Betretungsrecht“, das sich so liest: „Was das Betretungsrecht angeht, stellt § 59 Bundesnaturschutzgesetz (BNatSchG) den allgemeinen Grundsatz auf, dass das Betreten der freien Landschaft auf Straßen und Wegen sowie auf ungenutzten Flächen zum Zwecke der Erholung allen gestattet ist.“ Dann kommt das Kleingedruckte, das klare Einschränkungen vorsieht. „Verboten ist es nach § 23 Abs. 8 Hessisches Jagdgesetz (HJagdG), Hunde und Katzen unbeaufsichtigt in einem Jagdbezirk laufen zu lassen. Auch das unbefugte Beunruhigen von Wild ist verboten (§ 19a Bundesjagdgesetz). Sofern Wild durch Hunde oder Katzen gejagt und gegebenenfalls sogar getötet wird, wird sich der Halter beziehungsweise der Hundeführer dem Vorwurf der strafbewehrten Tierquälerei (§ 17 Tierschutzgesetz) ausgesetzt sehen.“ Auch freilaufende Hunde, die ihre Notdurft auf Wiesen und Äckern verrichten, könnten vom Eigentümer beziehungsweise nutzungsberechtigten Landwirt untersagt werden. Immerhin sind es zum großen Teil Futterwiesen, und Hundekot kann so in den Nahrungskreislauf gelangen.

Hier sind also Einsicht und ein Grundverständnis von Zusammenhängen in der Natur gefragt. Denn im Konflikt zwischen einigen Hundehaltern auf der einen Seite und jenen, denen das Gesetz zwar recht gibt, die aber keine Handhabe haben, sind die Verlierer einzig und alleine die kleinen Wildtiere, die schutzlos ihrem Schicksal überlassen sind. Der Appell nach dem Tierwohl sollte vor ihnen nicht Halt machen.

Der Dachs konnte nicht mehr gerettet werden

Die beiden Rehkitze wurden von der Rehgeiß nicht mehr angenommen und sind verhungert. Fotos: privat

Schilder wie diese sollen aufmerksam machen

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