Die Kleinbahn macht nachhaltig Krach – und erhält Arbeitsplätze

Eine schöne Geste: Auch von den nicht wirklich glücklich gewordenen Anliegern erhielt Jochen Fink kräftigen Applaus, und Ortsvorsteherin Nicole Höltermann dankte ihm ausdrücklich für sein Kommen und das ebenso geduldige wie kompetente und umfassende Beantworten aller Fragen, der Erste Stadtrat Jörg Pöschl schloss sich an. Foto: Friedel

Königstein (hhf) – „Die Arbeiten tragen nicht zur Freude der Nachbarn bei“, hatte Jochen Fink, Leiter des Infrastrukturmanagements bei der Hessischen Landesbahn (HLB), schon auf einer Sitzung des Schneidhainer Ortsbeirats im Frühjahr zugegeben. Er wohnt selbst in der Nähe der Bahnstrecke und konnte daher die Bedenken der Anrainer bezüglich Lärm und Dreck während der bevorstehenden Sanierungsarbeiten an der „K-Bahn“ gut verstehen – allein, es führt kein Weg daran vorbei.

Ein Trostpflaster hatte der Ingenieur, der sich offen allen Fragen im Ortsbeirat stellte und sie alle schlüssig beantworten konnte (wenn auch nicht immer zur Freude der Anlieger), allerdings im Gepäck. Als nämlich zum letzten Mal der gesamte Oberbau (also Schotter-Schwellen-Schienen) auf der Strecke erneuert werden musste, fuhr er in den 1970er-Jahren noch als Schüler mit der „Bimmelbahn“ nach Königstein. Demzufolge werden die Anwohner nun wieder mit einer Ruhepause von knapp 50 Jahren rechnen können, bis die Bauteile wieder so abgefahren sind, dass alles erneuert werden muss, denn vermutlich halten die Betonschwellen etwas länger als ihre Vorgänger aus Holz.

Lange Wochenenden bevorzugt

Auch zu Wartungsarbeiten wird es zwischendurch ab und zu etwas lauter, das ist aber alles relativ im Vergleich zur tatsächlichen Grunderneuerung, die in zwei bis drei Jahren abgeschlossen sein wird. Um möglichst wenig Durcheinander in den Fahrplan zu bringen, nehmen sich Fink und sein Team immer zwischen den langen Wochenenden in Mai oder Juni einige Kilometer Strecke vor, dafür werden eigens „Umbauzüge“ geordert, die europaweit im Einsatz sind: „Wir sind froh, wenn wir sie überhaupt bekommen“.

Über 70 Prozent der Strecke von Frankfurt nach Königstein sind schon fertig. Obwohl die Gleisbauarbeiten diesmal im Raum Kelkheim stattfanden, hatten auch die Königsteiner durch den Verkehr mit Ersatzbussen „ihren Teil abbekommen“. Und einige Schneidhainer, weshalb der Termin im Ortsbeirat überhaupt angesetzt worden war. Außer dem Bahnhof in Liederbach ist nämlich der Bahnhof Schneidhain der einzige an der Strecke, der noch über Platz an der Stelle stillgelegter Gleise verfügt. Wenn Bauarbeiten derart „gebündelt“ ausgeführt werden wie jetzt mit dem Sonderzug, dann ist es unverzichtbar, hier Baustoffe zu lagern, die per Straße angeliefert und dann auf die Schiene geladen werden oder umgekehrt.

Viel Krach, aber selten

Vor allem Schotter verursacht dabei Lärm und Dreck, aber zum Glück eben auch nur wenige Tage im Jahr und dann wohl für ein Vierteljahrhundert nicht mehr. Im Gegenzug macht die HLB Königstein auch ein großes Geschenk, denn die Werkstatt für die Triebwagen bleibt nun doch am Endbahnhof Königstein erhalten. Im Zuge der kommenden Umstellung von Diesel auf Wasserstoff als Energiequelle war zunächst von einer Aufgabe des Standortes gesprochen worden, doch will man nun die Dieselzüge anderer Strecken hier warten. Etwas Lärm scheint da ein angemessener Preis für den Erhalt von Arbeitsplätzen und Gewerbesteuer, die regulären Züge werden ab 2022 hoffentlich leiser fahren – der gute Wille ist da, die bestellten Triebwagen sind aber so neu, dass noch keine konkreten Messwerte vorliegen.

Konkret faszinieren Eisenbahn und ihre Strecken auf jeden Fall immer noch viele Menschen, wie in normalen Jahren zum Beispiel am Bahnhofsfest in Königstein zu merken ist. Gewissermaßen als Ersatz für auch diese dem Coronavirus zum Opfer gefallene Veranstaltung schickte uns der 14-jährige Tom Loos aus Kelkheim einen präzisen Bericht über den Verlauf der Gleisbauarbeiten:

Zweiwegebagger

Bereits am 17. Mai starteten die Gleisbauarbeiten auf dem etwa einen Kilometer langen Streckenabschnitt zwischen der Lorsbacher Straße und der Paul-Ehrlich-Straße. In der veranschlagten Bauzeit von etwa einer Woche sollten die Gleisanlagen erneuert werden.

Bereits am Sonntag konnte man erste Schritte der Arbeiten sehen: Zweiwegebagger (sie können auf Straßen und Schienen fahren) rollten den rund einen Kilometer langen Gleisabschnitt unermüdlich entlang und legten neue Gleise bereit. In der folgenden Woche sollte der nächste Abschnitt der insgesamt 16 Kilometer langen Strecke erneuert werden, schließlich wurden die Gleisanlagen in diesem Abschnitt das letzte Mal 1976 grundsätzlich überarbeitet – das war vor 44 Jahren! Wie von der HLB betont wurde, seien mit Fertigstellung diese Abschnittes circa 85 Prozent der Strecke modernisiert, man hoffe, dass die neuen Gleise für die nächsten 40 bis 50 Jahre halten. Dies sei in Anbetracht des leichten Zugbetriebes durchaus möglich, es würde ja nicht jeden Tag ein Zug in der Gewichtsklasse des Bauzuges über diese Gleise rollen.

Am frühen Donnerstagmorgen begannen dann die Austauscharbeiten an den Gleisen. Ein spezieller Bauzug rollte an, der Schienen und Schwellen automatisch tauschte. In Anbetracht des Aufwandes durchaus sinnvoll. Dennoch hatten die Männer der Firma Spitzke mit einer Vielzahl an Problemen zu kämpfen. Enge Gleisradien, Brücken und Bahnsteige erschwerten die Arbeit des Bauzuges. Teilweise mussten diese Stellen händisch unter Zuhilfenahme eines Baggers erneuert werden.

Schotter stopfen

Freitags stand eine Reinigung des im Gleisbett befindlichen Schotters an. Der extra dafür angereiste Bauzug begann seine Tätigkeit am frühen Morgen und erreichte den Bahnübergang an der Paul-Ehrlich-Straße gegen 22 Uhr. Die mit verunreinigtem Schotter gefüllten Wagen wurden regelmäßig in Liederbach entleert und der Inhalt mit Lkw abtransportiert.

Am folgenden Samstag stand nun noch das Stopfen des Schotters an, ehe die Strecke wieder in den regulären Betrieb übergehen kann.

Laut der HLB belaufen sich die Kosten für eine Erneuerung der Gleise auf einem Kilometer Strecke auf 1,2 bis 1,5 Millionen Euro.

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