Kronberg (mw) – Seit 50 Jahren gehen sie gemeinsam durch dick und dünn, durch gute und schlechte Zeiten. Am Donnerstag, 5. Juni 1964 haben Gertrude Küchler, geborene Schiffels und Wilhelm Küchler standesamtlich und einen Tag später in der katholischen Kirche St. Peter und Paul kirchlich den Bund fürs Leben geschlossen. „Wir kennen uns aber noch viel länger“, verraten die beiden und strahlen sich an. 50 Jahre seien ja gar nichts! Denn bereits ihre Mütter lernten sich kennen, im St. Marien-Krankenhaus, 1936 bei der Geburt von Wilhelm Küchler und Gertrudes älterem Bruder Rudolf, der leider schon verstorben ist. Einige Jahre später, kurz vor Kriegsende, wird Familie Schiffels in Frankfurt ausgebombt. „Wir kamen als Flüchtlingsfamilie nach Kronberg, wo uns in dem Haus direkt neben der Esso-Tankstelle eine Wohnung zugewiesen wurde“, berichten sie von damals. Kaum geht nach Kriegsende die Schule für die beiden Söhne weiter, sollen sich die Mütter wieder treffen. Die Familien werden Freunde und seitdem geht Wilhelm Küchler bei Familie Schiffels ein und aus. „Das blieb auch so als ich längst Abitur hatte“, erzählt Wilhelm Küchler schmunzelnd. Denn Schwester Gertrude, sieben Jahre jünger als ihr Bruder, hatte es ihm angetan. Doch es sollten noch einige Jahre vergehen, bis er um ihre Hand anhielt. „Ich hatte damals ernsthaft überlegt, Theologie zu studieren und Priester zu werden“, erinnert er sich zurück. Zwar entscheid er sich schließlich für das Studium der Betriebswirtschaftslehre, doch auch mit dem Abschluss zum Diplom-Kaufmann 1962 war er sich noch nicht sicher: sollte er in die bereits seit 1874 bestehende Baufirma „Wilhelm Küchler Söhne“ seines Vaters einsteigen, oder doch noch das Priesteramt anstreben? Ein Gespräch mit dem damaligen römisch-katholischen Bischof Wilhelm Kempf in Limburg beendete Wilhelm Küchlers Zerrissenheit in der Frage um seine Zukunfsgestaltung. Er entschied sich, die Verantwortung für die Baufirma zu übernehmen und für seine einzige Liebe, die Schwester seines bestens Freundes. „Wir haben bis heute in unserer Ehe keine wirklichen Beziehungskrisen erlebt“, erzählen sie stolz. „Unser Eheleben ist absolut harmonisch.“ Ein Streit der über Tage dauert, nach dem man miteinander nicht mehr redet, kennen sie nicht. Meistens wurde sich noch am selben Abend wieder versöhnt. „Da ich Kinder haben wollte, habe ich gar nicht erst groß studiert“, erzählt Getrude Küchler. Bereut habe sie das nur einmal in ihrem Leben. Nämlich an dem Tag, an dem die Firma ihres Mannes Insovenz anmelden musste. „Mein erster Gedanke war natürlich, hätte ich jetzt einen ordentlichen Abschluss, könnte ich einfacher Geld verdienen gehen.“ Das war 1999. Drei Kinder bekam das Paar, 1965 Sohn Christian, 1967 folgte Tochter Petra und 1976 das Nesthäckchen Anna. Während seine Frau Haus und Hof zusammenhielt, übernahm Wilhelm Küchler ein ehrenamtliches Amt nach dem anderen. Seit 1975 war er Mitglied des Verbandstages des damaligen Umlandverbandes Frankfurt und von 1977 bis 1989 Präsident des Verbandstages. In Kronberg war er bereits 1964 bis 1982 im Stadtparlament kommunalpolitisch aktiv. Zwischen 1971 und 1981 war er Stadtverordnetenvorsteher. 13 Jahre lang bis 1995 war er außerdem direkt gewählter Abgeordneter des Hessischen Landtags, acht Jahre davon als stellvertretender Vorsitzender der CDU-Landtagsfraktion. In der Burgstadt war er 1972 als Verhandlungsführer maßgeblich an der Fusion der Stadt Kronberg mit den selbstständigen Gemeinden Schönberg und Oberhöchstadt beteiligt und er gehörte zu den Gründungsmitgliedern der Städtepartnerschaft Kronbergs mit Le Lavandou.
Wilhelm Küchlers weitere bedeutenden Schwerpunkte liegen in seinen vielfältigen Ämtern in Verbänden der Bauindustrie. Küchler war zehn Jahre lang Vizepräsident des Hauptverbands der Deutschen Bauindustrie, dabei Tarifverhandlungsführer auf Bundesebene, neun Jahre lang Vizepräsident der internationalen Vereinigung der Verbände der Bauwirtschaft in Paris und ist Ehrenpräsident des Verbandes der Bauwirtschaft in Brüssel.
Sein vielfältiges Engagement, von Toleranz und Pragmatismus geprägt, brachte es mit sich, dass er oftmals nur einen Abend in der Woche zu Hause bei seiner Familie war. Belastend seien diese Zeiten mitunter schon gewesen. „Aber im Gegensatz zu meinem Mann macht es mir nichts aus, alleine zu sein. Allerdings hatte ich mich einmal in den Elternbeirat wählen lassen“, erinnert sich Gertrude Küchler zurück. „Das habe ich aber schnell wieder sein lassen, denn bei weiteren Abendterminen hätte das bedeutet, dass wir uns gar nicht mehr gesehen hätten.“ Während sie zu Hause den ruhenden Pool bildete, reiste er von einem Termin zum nächsten. Zeit für die Familie blieb in Ferienzeiten in ihrem Schweizer Haus, doch auch Kunst- und Kulturreisen waren dank Unterstützung ihrer Eltern, als die Kinder noch klein waren nach Italien und Frankreich möglich. Zu zweit „steuerten wir romanische Kirchen und gute französische Restaurants quasi strategisch an“, erinnert sich Gertrude Küchler schmunzelnd. Beide sprechen fließend französisch und wurden später auch oft zu Freunden privat nach Frankreich eingeladen. Bei den jährlichen Verbandstreffen, zur Zeit als die Kinder längst flügge waren, konnten die beiden auch oft zusammen verreisen. Am tiefsten beeindruckt waren sie dabei von ihrem Besuch in Afrika und Neuseeland. „Wir hatten wirklich viel Glück im Leben und sind dankbar, für jeden Tag, den wir morgens gemeinsam aufwachen dürfen“, sagen sie. Von einem Herzinfarkt mit 50 Jahren erholte sich Wilhelm Küchler schnell, auch weitere gesundheitliche Einschnitte überstanden die beiden gut. „Jetzt, nachdem der berufliche Stress fehlt, geht es meinem Mann gesundheitlich eigentlich am besten.“ Die tiefste Kerbe riss die Insolvenz der Baufirma. „Meine Familie und meine Frau waren es, die mich durch meine dunkelsten Stunden geführt haben“, sagt er mit liebevollem Blick zu ihr. „Ich hatte das selbst zu verantworten.“ 1990 noch hatte er eine Zweigniederlassung der Firma in Gotha gegründet, die zunächst dank der Baukonjunktur auch brillant lief. Als jedoch die Krisenzeiten im Bau begannen, war sie es, die auch die Kronberger Firma mit in den Ruin trieb. Vor lauter Flügen – 170 im Jahr waren keine Seltenheit – zu Beratungen in Europa oder darüber hinaus, habe er das Wichtigste, seine eigene Firma, aus dem Fokus verloren. Als er schließlich versuchte gegenzulenken und deshalb auch Ämter zurückgab, konnte er das Ruder leider nicht mehr herumreißen. Dank der Unterstützung seiner Frau, der ein Teil des Besitzes gehörte, konnten sie „reinen Tisch“ machen, wie er sich ausdrückt und sind nach einer kurzen Auszeit in Kelkheim längst wieder in der Stadt, der ihr Herz gehört, zuhause. Aktiv ist der Träger des Bundesverdienstkreuzes 1. Klasse und der Ehrenplakette der Stadt Kronberg noch im Museum Kronberg Malerkolonie, seine Frau nach wie vor in der katholischen Kirchengemeinde, wo sie einige Jahre auch im Vorstand mitarbeitete. „Meine Verehrung habe ich meiner Frau damals übrigens im Kloster Maria Laach zu Füßen gelegt“, verrät er noch, bevor er zu einem befreundeten Professor aufbricht. Der Respekt und die Liebe haben bis heute angehalten – sie ist zu spüren, wenn sich die beiden anschauen, sich mit „Maus“ und „Schatz“ betiteln, den weiteren Tagesablauf absprechen und sich schon darauf freuen, wenn sie mit Kindern und Enkeln gemeinsam zunächst zum Gottesdienst und anschließend in Kronberg essen gehen werden.