Anregende und reizvolle Begegnungen mit vier Usedomer Malern

Bis Ende April zeigen (von links) Oskar Manigk, Matthias Wegehaupt, Sabine Curio und Volker Köpp ihre Werke im Museum Kronberger Malerkolonie. Fotos: Wittkopf

Kronberg (pf) – Himmel, Wasser, Weite, Horizont, mit kräftigen pastosen Strichen auf Leinwand aufgetragen, als senkrechte Akzente aus dem Meer aufragende Hölzer, an denen in delikaten Beigetönen wiederum waagerechte Netze und Reusen befestigt sind. Das Bild atmet unendliche Weite, strahlt die Ruhe eines fast unbewegten Meeres aus. Die Ostsee bei Usedom an einem von dunklen Wolken verhangenen Tag.

Dieses Bild des Usedomer Malers Volker Köpp nimmt die Zuschauer gleich beim Betreten des Museums Kronberger Malerkolonie in der Streitkirche gefangen, bereitet sie auf eine Begegnung mit vier Malerpersönlichkeiten vor, die in einer Landschaft leben und arbeiten, die völlig anders geartet ist als der Taunus, der seinerzeit die Maler aus Frankfurt anlockte. Sabine Curio, Oskar Manigk, Matthias Wegehaupt und Volker Köpp, deren Werke derzeit in Kooperation mit dem Usedomer Kunstverein in Kronberg zu sehen sind, bilden keine Malerkolonie in dem Sinne, wie es seinerzeit die Maler in Kronberg taten. Sie verbindet allein die Insel, auf der sie zuhause sind und die sie immer wieder zu ihren Werken inspiriert.

25 Jahre nach dem Fall der Berliner Mauer und der Wiedervereinigung Deutschlands nimmt die Museumsgesellschaft Kronberg dieses Jubiläum zum Anlass, den Blick nach Osten zu richten, sagte Hans Robert Philippi, Vorsitzender der Museumsgesellschaft, am Sonntagvormittag bei der Vernissage der Ausstellung „Usedomer Begegnungen“. Das Ereignis hatte so viele Besucher angelockt, dass die aufgestellten Stühle im Nu besetzt waren. Auch die eilends herbei geschafften zusätzlichen Sitzmöglichkeiten reichten nicht aus. Ein Großteil der Gäste musste stehend den einführenden Worten von Kuratorin Dr. Ingrid Ehrhardt lauschen. Wobei das Wort lauschen durchaus angebracht war, denn wegen einer Erkältung, die ihre Stimmbänder in Mitleidenschaft gezogen hatte, konnte sie nur sehr leise sprechen, um ihre Stimme zu schonen.

„Vier Künstler – und jeder von ihnen könnte den Raum mit seinen Werken füllen“, meinte sie. Aber gerade im reizvollen Mit- und Nebeneinander der ganz unterschiedlichen Bilder wird das Charakteristische und Individuelle der jeweiligen malerischen Handschrift deutlich. Sabine Curio, in Ahlbeck auf Usedom geboren, die an der Kunsthochschule Berlin-Weißensee Malerei studierte, war Schülerin von Otto Niemeyer-Holstein. Er war in den 1930er-Jahren auf die Insel Usedom gezogen, gemeinsam mit Otto Manigk, dem Vater von Oskar Manigk, und Herbert Wegehaupt, dem Vater von Matthias Wegehaupt. Es ist also schon die zweite Künstlergeneration auf der Ostseeinsel, deren Werke jetzt in Kronberg präsentiert werden.

Die Bilder von Sabine Curio, die in ihrem Stil den Impressionisten nahe steht, atmen den „Zauber des Alltäglichen“, so drückte es die Kuratorin aus. Sie selbst hat es so formuliert: „Wenn ich den Garten, Räume oder Stillleben male, male ich das mir Naheliegendste – mein Umfeld, in dem ich lebe, wobei das Motiv nie das Ziel des Malens ist, sondern nur der ‚Trägerstoff’. Es ist auch sekundär, ob das Bild abstrakt, surreal, expressionistisch ist – nur eines ist wichtig: Was kommt damit rüber!“ Und sie fügt hinzu: „Ich habe keine Angst vor der Schönheit. Sie ist da. Es gibt Dinge, die einem Kraft geben, auch beim Betrachten, und einen nicht nur immer zerstören.“ In ihren Gemälden in sanften delikat aufeinander abgestimmten Farben scheint diese positive Grundhaltung immer wieder durch, ob es sich um ein am Ufer liegendes Boot, um Wolkenspiegelungen an einem Steg oder um einen toten Schwan im Schilf handelt.

Volker Köpp, in der Stadt Usedom geboren, erhielt als einziger der Vier seine Ausbildung nicht an der Hochschule für bildende Kunst in Berlin-Weißensee, sondern studierte an der Hochschule für Bildende Kunst in Dresden. Dort herrschte eine andere Malkultur, sagte Dr. Ehrhardt. Ihm ist die Auseinandersetzung mit Farben und Formen wichtig. Ihn reizt der Kontrast der geradlinigen wilhelminischen Gründerzeit-Architektur und der facettenreichen Wasserlandschaft zwischen Ostsee, Haff und Binnenseen. Mit klaren leuchtenden Farben malt er Fischerboote, die am verschneiten Ufer aufgebockt nebeneinander stehen, Fahnen und Strandhäuschen, die Begegnung von Menschen am Ostseestrand mit einem Fischer und seinem Boot.

Oskar Manigk sieht seine Malerei als kritischen Dialog mit seinem Künstlervater. „Ich zehre von den Erinnerungen, aber wo ist noch Platz? Die Bilder meines Vaters dürfen keine Rolle spielen. Nein, ich muss mich dagegen behaupten“, hat er einmal gesagt. So geht er eigene Wege, setzt seine unverwechselbare expressiv-figurative Bildsprache der neoimpressionistischen Malweise seines Vaters entgegen. Dabei lässt er, inspiriert von der „Mail Art“, auch Texte und Sprache in seine Bilder einfließen und offenbart dabei einen wunderbar hintergründigen Humor, der manchmal in absurde Abgründe führt. In seinen Bildern, die oft ganze Geschichten erzählen, verarbeitet er Eindrücke und Erlebnisse mit Empfindungen und Inspirationen aus dem Unterbewussten.

Matthias Wegehaupt, wie Manigk aus einer Künstlerfamilie kommend, holt sich die Anregungen zu seinen Bildern aus der Natur, hält sie bei seinen täglichen Spaziergängen in Skizzenbüchern fest, um sie später im Atelier in seine Bildsprache umzusetzen. In ihr spielen Rhythmus, Struktur und Farbe die Hauptrolle. „Die Räume zwischen Himmel, Meer, Ufer, Strand und Küste sind für den Maler geheimnisvolle Schauplätze, unerschöpfliche Fundorte und grenzenlose Freilandspeicher für die sinnlichen, materiellen und sozialen Grundstoffe, aus denen er die Eigenart seines künstlerischen Ausdrucks formt“, so hat es einmal der Kunstwissenschaftler Ulrich Kavka ausgedrückt. Seine Bilder sind die bei weitem abstraktesten Landschaftseindrücke der vier Künstlerpersönlichkeiten aus der Usedomer Inselwelt.

Matthias Wegehaupt ist aber nicht nur Maler, sondern auch Schriftsteller. Mit seinen Romanen „Die Insel“ und „Schwarzes Schilf“ hat er sich seinen Platz unter den wichtigen Autoren der Gegenwart gesichert. Nachdem er bereits im Juni 2012 in Kronberg aus seinem damals gerade erschienenen zweiten Buch „Schwarzes Schilf“ gelesen hatte, stellte er Mittwochabend in einer Lesung in der Streitkirche seinen ersten Roman „Die Insel“ vor, das Kritiker als das „ultimative Werk über die verflossene DDR“ preisen.

Am 19. März wird sich Ingrid von der Dollen um 19 Uhr im Malermuseum in einem Vortrag dem Thema „Usedomer Malerei – Widerstand und Wende“ widmen. Denn die Ablehnung der Nazi-Diktatur und der späteren sozialistischen Realität ist den Usedomer Malern beider Generationen gemeinsam. Die Ausstellung „Usedomer Begegnungen“ ist bis zum 27. April zu sehen, jeweils mittwochs von 15 bis 18 Uhr, samstags, sonn- und feiertags von 11 bis 18 Uhr. Öffentliche Führungen mit Veronika Grundei stehen am 2. März und 6. April jeweils um 11.15 Uhr auf dem Programm.

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