Bestsellerautorin Charlotte Link bewegt mit Geschichte ihrer Schwester

Die Schlange der Lektürefans, die ihr neu erworbenes Buch direkt von der Erfolgsautorin signiert haben wollten, schien gar kein Ende zu nehmen. Die Veranstalter hatten mit ihrer Wahl ein gutes Händchen bewiesen. Bereits zur Pause war der Inhalt von viereinhalb der sechs mitgebrachten Bücherkisten verkauft und signiert.    Foto: S. Puck

 

Kronberg (pu) – „Auch dieses Buch sollte die Menschen so fesseln, dass sie es nicht mehr aus der Hand legen können!“ Die von Erfolgsautorin Charlotte Link beschriebene Lektüre trägt den Titel „Sechs Jahre – Der Abschied von meiner Schwester“ und beschreibt den aussichtslosen Kampf ihrer geliebten Schwester Franziska, bei der 2006 ein metastasierender Krebs als Spätfolge einer massiven Chemo- und Strahlentherapie festgestellt wurde. 

Am vergangenen Samstag las die in Frankfurt geborene und inzwischen in Wiesbaden lebende Schriftstellerin einige Passagen aus ihrem im letzten Jahr veröffentlichten Werk auf gemeinsame Einladung des Lions Club Kronberg und der Millenium Buchhandlung (Königstein) in der Stadthalle. Präsident Dr. Michael Schmidt schätzte sich glücklich, die mit aktuell rund 24 Millionen verkauften Bücher deutschlandweit renommierteste Schriftstellerin zur siebten Lesung der Reihe „Leseförderung Jugendlicher“ begrüßen zu dürfen. 

Wie der für dieses Projekt verantwortliche Dr. Rolf Hildebrandt erläuterte, möchte man Jugendliche in einem Alter, in dem sie sich in der Regel vom Lesen verabschieden, mit nach eigenem Gusto zusammengestellten Bücherkisten dazu animieren, dennoch bei der Stange zu bleiben. „Weitere Schulen haben sich inzwischen angeschlossen, das Ganze kommt voran.“ Diesen Erfolg wolle man weiter ausbauen. „Seien Sie versichert, jeder Cent des heutigen Abends geht in die Leseförderung und die Autorin geht mit gutem Beispiel voran und verzichtet auf ihr Honorar“, verriet Hildebrandt.

Zum Einstieg wählte Charlotte Link ausgesuchte Szenen aus ihrem druckfrischen Kriminalroman „Die Betrogene“. Im Mittelpunkt steht die kontaktscheue und einsame Polizistin Kate Linville, die durch einen grausamen Mord ihren Vater, ebenfalls Polizist, verliert. 

Auf eigene Faust macht sie sich auf die Suche nach seinem Mörder. Zum Kreis der mutmaßlich Verdächtigen zählt ein erst kürzlich freigekommener Mann, den Linvilles Vater seinen Gefängnisaufenthalt zu verdanken hat. Gemeinsam mit seiner Freundin taucht er bei einer Familie auf, die in einer einsamen englischen Gegend ohne Festnetz, Handy, Internet ganz bewusst Abstand vom Alltag sucht. Dort überschlagen sich die Ereignisse. „Was weiter passiert, will ich natürlich jetzt nicht verraten“, schürte Link die Neugierde beim Publikum, dem an diesem Abend reichlich Gelegenheit eingeräumt wurde, Werdegang, Gefühle, Vorlieben und Arbeitsweise der Erfolgsautorin kennenzulernen.

„Ich habe schon immer viel gelesen, mit 16 Jahren damit begonnen zu schreiben, weil ich ausprobieren wollte, wie es ist, Bücher nicht nur zu konsumieren, sondern zu produzieren.“ Für die Fertigstellung dieses Erstlingswerks habe sie volle drei Jahre benötigt und das Manuskript eigentlich nur zu einem Verlag geschickt, „weil so viel Arbeit in den 800 Schreibmaschinen-Seiten steckte.“ Völlig überraschend akzeptierte gleich der erste Verlag. „Aber ich musste es erheblich kürzen.“

Auch die Vorliebe, viele ihrer Bücher in England spielen zu lassen, komme nicht von ungefähr. „Ich mag die Insel, schon bei meiner ersten Reise fühlte es sich an, als würde ich nach Hause kommen.“ Durch häufige Aufenthalte und sorgfältiges Recherchieren gelinge es offenbar, sich als Deutsche gegen die englische Konkurrenz zu behaupten.  

Doch mit der niedergeschriebenen Geschichte ihrer sterbenden Schwester Franziska hat Charlotte Link ein völlig anderes Kapitel aufgeschlagen. Das Buch ist gleichzeitig ein Stück weit das eigene Verarbeiten des Erlebten und Mut machen für schwer kranke Menschen und ihre Angehörigen. „Meine Schwester hat es geschafft, trotz allem, anderen Menschen Mut zu machen und ich möchte daran anknüpfen“, so Link. 

Der Leidensweg ihrer Schwester begann im Alter von 23 Jahren mit Diagnose und nachfolgender aggressiver Chemo- und Strahlentherapie von Morbus Hodgkin, einer Form von Lymphdrüsenkrebs. „Die Heilung dieser Krankheit sollte sie später mit dem Leben bezahlen“, berichtete die Erfolgsautorin. Jahrelang seien alle Nachuntersuchungen ohne Ergebnis geblieben, bis im März 2006 ein Zufallsbefund der zweifachen Mutter förmlich den Boden unter den Füßen wegzog. „Ein Darmtumor, der bereits Metastasen in die Lunge gestreut hatte – ein Worst-Case-Szenario.“ 

So niederschmetternd die Diagnose, habe sich Franziska im ersten Moment an die Hoffnung geklammert, ihre beiden Kinder dennoch noch ein wenig aufwachsen zu sehen, als die völlig ungerührt wirkende Onkologin ihr eröffnete: „Noch ein Jahr und die Monate bis dahin werden grauenhaft!“. Schwere Traumatisierung, Panikattacken und das restliche Leben nur noch unter Beruhigungsmitteln ertragbar, sei die Folge der Begegnung mit dieser Ärztin gewesen, für die „meine Schwester ganz klar lediglich ein Posten auf der To-Do-Liste war.“ Bedauerlicherweise nicht der einzige Ärztefehlgriff, doch neben vielen bitteren Momenten durch Operationen, kräftezehrenden Therapien, Kaltschnäuzigkeit und Raffgier behandelnder Personen, seien auch viele engagierte, sensible Ärzte mit teilweise neuen Behandlungsansätzen und liebevolle Krankenschwestern und Pfleger darunter gewesen, die ebenso wie ihre Familie alles versucht hätten, um Franziska das Leben so erträglich wie möglich zu machen.

„Das ist definitiv kein Buch gegen Ärzte, im Gegenteil“, unterstrich Charlotte Link. „Ich wünschte, ich könnte mit diesem Buch vermitteln, wie wichtig positive Botschaften für schwer kranke Menschen sind. Ich habe es in all den Jahren bei Franziska immer wieder erlebt, wie sich sowohl ihre seelische, als auch ihre körperliche Situation sofort verbesserte, wenn ihr Ärzte auch einfach mal Mut machten.“

Nicht nach einem Jahr, wie von der gefühllosen Onkologin prognostiziert, sondern nach sechs Jahren verlor die von ihrer Familie umsorgte Franziska schließlich am 7. Februar 2012 im Alter von nur 46 Jahren infolge einer Lungenblutung ihren aussichtslosen Kampf. 

„Das war schwer für mich zu akzeptieren, dass ich sie als ältere Schwester und engste Vertraute das erste Mal nicht beschützen konnte“, erzählte Charlotte Link, die an diesem Benefizabend geduldig alle Fragen beantwortete, Bücher signierte und sich zum Abschied über den warmherzigen Applaus freute.

Ein nachklingender Abend, nicht nur aufgrund der vielen berührenden Momente, sondern auch für die Leseförderung, für die so mancher Euro zusammenkam.



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